„Was sind uns alte Bäume wert?“

Leserbrief: NABU-Mitglied Wilhelm Böhm prangert Abholzungen in der Rehrbrinkstraße an

BARSINGHAUSEN (red). „Es ist noch nicht lange her, da wurden großflächig Hecken und Sträucher am Volkers Hof für eine Veranstaltung beseitigt. Zurück geblieben ist eine Schotterfläche. Alte Bäume am rechten Randstreifen der Rehrbrinkstraße wurden stadtauswärts komplett entfernt. Eine Anfrage bei der zuständigen Straßenmeisterei in Wennigsen über Neuanpflanzung wurde bisher nicht beantwortet. Ein großes Grundstück links der Landstraße-stadtauswärts wurde infolge Besitzerwechsel ebenso komplett entkernt. Neuanpflanzungen bisher Fehlanzeige. Genau ein Jahr ist es her, dass neue Investoren dafür sorgten, dass auch hier der wertvolle ortsprägende Baumbestand an der Kreuzung zur Wilhelm-Heß-Straße vollständig entfernt wurde. Konkrete Entwürfe lagen noch nicht vor. Bis heute ist auch hier nur eine Schotterfläche sichtbar. Diese Tage ist festzustellen, dass zwei mittelalte, gesunde Buchen in der Goethestraße ebenso der Säge zum Opfer gefallen sind. Eine Auslichtung bzw. eine Kronenreduzierung als Alternative kam nicht in Betracht. Die hohe Kunst der vollendeten Baumbeseitigung konnte man aber vor zwei Wochen in der Rehrbrinkstraße beobachten: Innerhalb von nur zwei Tagen waren mehrere Bäume und Baumstuken beseitigt. Hier haben neue Investoren mit großem Maschineneinsatz Tatsachen geschaffen, die nicht mehr rückgängig zu machen sind.  Dieses Grundstück hatte einen alten wertvollen, gesunden Baumbestand, der überwiegend am äußeren Grenzbereich angesiedelt war. Optimal für eine Planung, zumal im Zuge der Abbrucharbeiten des alten Gebäudes vor ca. zwei Jahren, viele mittelgroße Bäume für eine Neubebauung bereits mitentfernt wurden.

Große Schilder mit den Aufschriften – Zuhause sein ist ein Gefühl – oder  „Wohnen und Leben im Rehrbrink-Park“ ließen Hoffnungen aufkommen, dass doch noch eine Trendwende  bei all den Abholzungsaktionen in der Stadt zu spüren sind. Ich habe mich leider getäuscht. Die Stadt lässt sich leider die Planungshoheit aus der Hand nehmen. Sie klagt über fehlende gesetzliche Grundlagen, die diesem Vandalismus Einhalt gebieten. Was für ein Gefühl? Was für ein Park? Parkanlagen sehen jedenfalls anders aus. Wo ist der charakteristische alte Baumbestand für einen Park? Hier könnte man meinen, es entstehen Gewerbe-Parks mit Kugelakazien, Säuleneichen oder Buchsbäumen evtl. pflegeleichtem Schotterrasen – alles ist hier möglich. Fakt ist, dass bis 2000 junge Buchen gepflanzt werden müssen, um die Kapazität einer 100 Jahre alten Buche zu erreichen. Dieser Baum verarbeitet den Kohlendioxidanfall von 2 ½ Einfamilienhäuser (18 kg) und schafft 13 kg neuen Sauerstoff für 10 Menschen. An vielbefahrenen Straßen wie der Rehrbrinkstraße ist der Vorteil alter Bäume durch keine andere Baumaßnahme annähernd auszugleichen. Emissionen wie Schall, Feinstäube und Temperatur werden merkbar reduziert. Alte Bäume fördern ein idyllisches, schönes und einladendes Stadtbild. Sie sind von unschätzbarem Wert. Wollen wir, um es überspitzt zu formulieren, weißgetünchte Schlafburgen ohne Gesicht und Charakter blank und steril? Kahle Stellen sind hässlich und unattraktiv. Ich glaube, hier ist eine Wende zu mehr Grün, mehr Artenvielfalt, mehr Erhalt alter wertvoller Bäume notwendig. Die Grundsteine sind bereits gelegt.

Barsinghausen gilt ab 2012 bereits als Niedersächsische Klimakommune (siehe Schild am Rathaus). Die Klimaschutzziele werden uns in der nächsten Zeit viel beschäftigen. Daher sollte die Stadt gesetzliche Grundlagen schaffen, um diese Kahlschläge zu vermeiden. Für den Erhalt der langfristigen Lebensqualität, die Steigerung und Attraktivität des Fremdenverkehrs und für das Stadtklima sind neue Regelungen jetzt notwendiger denn je. Nur wir Bürger können an dieser Situation etwas ändern. Wir brauchen dazu den Dialog mit den hiesigen Parteien und den Sachgebietsleitern in den Kommunen.“

Wilhelm Böhm, NABU Barsinghausen

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