75 Jahre Niedersächsischer Fußballverband: Gefeiert wird erst im kommenden Jahr

Geburtsstunde schlug 1946 im Rathaus Hannover

Männer der ersten Stunde, von links: Karl Behnsen (Bezirk Hannover), Hans van Detten (Bezirk Ostfriesland), Willi Schleier (Bezirk Braunschweig).

BARSINGHAUSEN/NIEDERSACHSEN (red). Am morgigen 16. August jährt sich zum 75. Mal der Tag, an dem eine Gruppe von Fußball-Enthusiasten im traditionsreichen Hodlersaal des Rathauses in Hannover die „Sparte Fußball“ im LandesSportBund aus der Taufe hob. Dieser Akt gilt als die Geburtsstunde des Niedersächsischen Fußballverbandes. Damit ist der NFV älter als das Bundesland Niedersachsen, das sich erst zum 1. November 1946 aus der einstigen Provinz Hannover sowie den Ländern Braunschweig, Oldenburg und Schaumburg-Lippe bildete. „75 Jahr NFV ist ein Geburtstag, der uns mit Stolz erfüllt. Wir sind stolz auf unsere Gründungsväter, die den Verband aus dem Nichts der Nachkriegsjahre zu einer leistungsstarken Organisation geformt haben. Wir verneigen uns vor ihrem hohen Maß an Idealismus und Eigeninitiative, mit dem sie alle Widerstände bei der Verwirklichung ihrer angestrebten Ziele überwunden haben. Inmitten von Mangel, Not und Zerrüttung haben sie den Fußball in unserem Land wieder aufgebaut“, sagt NFV-Präsident Günter Distelrath. Gerne hätte sein Verband dieses Jubiläum gefeiert. Aber: „Wegen der unsicheren Corona-Lage und den unklaren Folgen durch mögliche Varianten, wie sie inzwischen mit der Delta-Variante aufgetreten sind, haben wir uns frühzeitig dafür entschieden, die Aktivitäten auf das Jahr 2022 zu verschieben.“ Die Formierung zur „Sparte Fußball“ am 16. August 1946 im Hodlersaal krönte einen Prozess, dessen erster bedeutender Schritt am 24. November 1945 erfolgt war. Bei einer Versammlung in Hannover erhielten neun Männer von ihren Mitstreitern den Auftrag, den Fußballsport vor Ort neu zu organisieren. Einer der Männer, Karl Behnsen, erinnerte sich später: „Zur Verfügung standen nur ein Bleistift und ein Radiergummi. Das Papier musste auf dem Schwarzmarkt besorgt werden.“ Der Mangel an Papier und dessen Erwerb war bezeichnend für die schlechte Versorgungslage in den Jahren nach dem im Mai 1945 zu Ende gegangenen 2. Weltkrieg. Nur auf dem Schwarzmarkt gab es alles zu kaufen. Mehr als 40 Prozent der Großstadtbewohner, so eine Schätzung, waren um 1947 auf diesen Schwarzmärkten aktiv. Dort wurden Güter gehandelt, die offiziell kaum zu erhalten waren: Fleisch, Butter, aber auch abgetragene Schuhe. Kaffee war im Deutschland der Nachkriegsjahre ein Luxusgut – nahezu unerschwinglich. Das tägliche Leben der Menschen war geprägt von der Anstrengung, das Allernötigste heranzuschaffen. Das hieß: stundenlanges Anstehen, weite Hamsterfahren, Tauschen. Und das inmitten von Trümmerlandschaften. Fast eine halbe Milliarde Kubikmeter Schutt bedeckte das Land. Inmitten dieser Kulissen und trotz Not, Elend und Hunger – Lebensmittel waren knapp und überdies strengstens rationiert – wurde überall am Wiederaufbau des Sports gearbeitet. So auch im Gebiet des heutigen Niedersachsen. Keine acht Wochen nach der Versammlung im November 1945, der Kalender zeigte den 19. Januar 1946 an, kam es zur Gründung des Fußballkreises Hannover. Karl Behnsen rückte auf den Vorstandsstuhl, während ein Namensvetter von ihm bewusst kein Amt erhielt. Sein Name: Karl Laue. Denn die Hannoveraner hatten für den Kaufmann aus dem Stadtteil Limmer bereits eine ganz andere Aufgabe ihm Sinn: Den Vorsitz in einem künftigen Landesverband.

Der Hannoveraner Kaufmann Karl Laue wurde zum 1. Vorsitzenden der neu geschaffenen Fußball-Organisation gewählt.

Dessen Gründung war für den 5. Februar vorgesehen. Doch ein Verbot der Militärregierung – das spätere Bundesland Niedersachsen gehörte zur britischen Besatzungszone – verhinderte dies zunächst. Doch die Fußballer verfolgten weiter hartnäckig ihr Ziel und gut ein halbes Jahr später, am 16. August, war es dann soweit. Im Hodlersaal wurde Karl Laue (Verein: SV Limmer 10) zum Vorsitzenden und Heinz Günther (Arminia Hannover) zu seinem Stellvertreter gewählt. Karl Weinrich (Werder Hannover) übernahm die Aufgabe des Schriftführers, Georg Goll (Hannover) die des Schiedsrichterobmanns. Berufen wurden am 16. August 1946 auch die sogenannten Bezirksfußballspartenleiter: Karl Behnsen für Hannover, Hans van Detten für Ostfriesland, Fritz Gärtner für Osnabrück, Erich Braß für die Heide, Robert Trost für Hildesheim, Hans Osterloh für Oldenburg, Willi Schleier für Braunschweig und Adolf Kerrl für Bremen. Auf dem Weg zur Gründung erwies sich aber nicht nur die britische Militärregierung als anfängliche Hürde. Denn der Sport in Deutschland war bis dahin traditionell getrennt. In seinem Geleitwort zum fünfjährigen Verbandsjubiläum 1951 erinnerte sich Laue: „Da waren die Bürgerlichen, man nannte sie auch die ‚Blauen‘, da waren die ‚Arbeitersportler, man nannte sie auch die ‚Roten‘, die Konfessionellen – ach und was nur für viele sportliche Organisationen.“ In dem von ihm geführten Fußballverband aber sollten alle unter einem Dach zusammenkommen. Einheit als Stärke. Laue: „Ich suchte und fand Vernunft. Alles Trennende wurde überbrückt. Heinrich Hüneke, der damalige Vorsitzende des Landessportbundes, sah sich einer einigen Fußballfamilie gegenüber. Aus der ‚Sparte‘ Fußball wurde von Beginn an der Niedersächsische Fußballverband. Er hat sich bewährt! Dank allen, die einsichtig genug waren.“ Nach dem 16. August 1946 ging es Schlag auf Schlag weiter mit der Neuorganisation des Fußballsports. Der Fußballbezirk Osnabrück entstand bereits einige Tage später. Heinrich Schulz übernahm den Vorsitz. Am 31. August wurden die Fußballbezirke Braunschweig (Vorsitzender Will Schleier) und Oldenburg (Vorsitzender Hans Osterloh) gegründet. Am 22. Februar 1947 erblickte der Fußballbezirk Hannover mit Karl Behnsen an der Spitze das Licht der Fußball-Welt. Am 3. Juli 1947 schließlich kamen rund 220 Delegierte aus den Kreisen und Bezirken im Hannoveraner Lokal „Trocadero“ zu ihrem ersten Verbandstag zusammen. Diskussionen entbrannten vor allem über die Bezeichnung des im August 1946 geschaffenen Gebildes. Nach lebhaften Debatten und einer Abstimmung entschieden sich die Delegierten für den Vorschlag „Niedersächsischer Fußballverband“.

Foto: NFV