Auf den richtigen Schnitt kommt es an

Der Deister- Obst- und Gartenbauverein hatte zu einem Baumschnittkurs eingeladen

BARSINGHAUSEN (red). Regen Zuspruch fand der Baumschnittkurs, den der Deister- Obst- und Gartenbauverein Barsinghausen im Garten von Elke Schneider veranstaltet hatte. Bei fast frühlingshaftem Wetter konnte der 1. Vorsitzende Thomas Glade mehr als 40 Kurs­teil­nehmer, den Kursleiter Dr. Volker Zahn und die Gastgeberin Elke Schneider begrüßen. Der Jahreszeit entsprechend befasste sich der Kurs schwerpunktmäßig mit dem Frühjahrs­schnitt bei Obstbäumen. Bevor es an die praktische Arbeit ging, stellte Dr. Zahn wichtige Werkzeuge wie Astschere, Gartenschere und verstellbare Bügelsäge vor. Er erklärte den aufmerksamen Zuhörern, wie man mit diesen Geräten umgeht, welche speziellen Ausführungsformen im Handel erhältlich sind und auf welche Besonderheiten man bei den einzelnen Gerätetypen achten sollte. Die Teilnehmer erfuhren, dass es Amboss-Scheren und Bypass-Scheren gibt, und bekamen Rat­schläge, wie man die Geräte pflegt und wie man sich beim Umgang mit ihnen vor Ver­letzun­gen schützen kann.

Interessante Informationen gab es auch über den Einsatz von Baumwachs. Große Schnitt­wun­den sollen noch am gleichen Tag mit Baumwachs verschlossen werden, damit nicht eine größere Zahl von Erregern in die Wunde eindringt und sich dort ausbreitet. „Verschließt man eine Wunde zu spät, so werden bereits eingedrungene Erreger im Inneren eingesperrt, fühlen sich dort pudelwohl und können von hier aus in andere Teile des Baumes gelangen,“ erklärte der Fachmann. Kleinere Schnittflächen, die nicht größer als eine Zwei-Euro-Münze sind, brau­cht man nicht zu behandeln, weil sie sich von selbst schließen. Beim Schneiden eines Birnbaumes lernten die Teilnehmer viel Wissenswertes über den Baum­­schnitt kennen. „Man schneidet die Triebe so, dass die Früchte sich später gut ent­wickeln können. Sie brauchen genügend Licht, Luft und Platz. Beim Schneiden muss man auch bedenken, dass die Baumkrone in eine gute Form gebracht wird. Stets muss man über­legen: Welche Triebe schneide ich? Welche lasse ich stehen? Jeder Schnitt muss gut überlegt sein.“

Dr. Zahn verstand es ausgezeichnet, die Teilnehmer auf spannende und humorvolle Weise in die praktische Arbeit mit einzubeziehen, indem er sie erfolgreich anregte, eigene Vorschläge über die einzelne Schnittmaß­nahmen zu machen und diese zu begründen. Dabei wurde deut­lich, dass es auch Zweifelsfälle gibt, bei denen man nicht eindeutig entscheiden kann, welcher Trieb geschnitten werden muss, sondern man bei denen man abzuwägen hat. „Beim Baum­schnitt denkt man immer einige Jahre voraus. Handelt es sich um einen Trieb, der für die weitere Entwicklung nützlich erscheint, so lässt man ihn stehen. Man sollte deshalb den Baum­schnitt als einen fortdauernden Prozess betrachten, der sich über Jahre hin erstreckt und dementsprechend eine langjährige Perspektive auf den betreffenden Baum verlangt,“ so der Experte. Nebenbei vermittelte der Kursleiter den interessierten Teilnehmern wichtige Grundkenntnisse über den Aufbau des Baumstammes, über die Saftleitung und die Wirkung von Enzymen und Hormonen. Dr. Zahn verglich die Leitungsbahnen des aufsteigenden Saftstroms mit einem Röhren­system: „Die Röhren führen von untern nach oben, verzweigen sich und werden nach oben hin immer enger. Dieses Modell macht anschaulich klar, dass nach dem Ab­sägen eines dicken Astes wegen des hohen Saftstromdruckes an der Schnittstelle reisig­artige Triebe (Wasser­triebe) entstehen.“ Mit dem Röhrenmodell erklärte der Kursleiter auch überzeugend, wie die Saftstromumleitung von einem älteren Trieb in einen jüngeren Seitentrieb zustande kommt: „Bei der Saft­strom­umleitung wird ein älterer Trieb kurz oberhalb eines jüngeren Seitentriebes entfernt. Die Schnittfläche verschließt sich schnell. Der Saftstrom wird kurz unterhalb der Schnitt­fläche in den Seitentrieb gedrückt, der sich nun zu einem kräftigen Trieb weiterent­wickelt; das trägt zugleich zur Verjüngung des Holzes bei.“

Der Kursleiter stellte heraus, dass jede Schnittmaßnahme ein Eingriff ist, auf den der Baum in bestimmter Weise reagiert. Dabei spielen auch hormonelle Wirkungen eine Rolle. „Entfernt man beim Schneiden nur die Spitzen eines Triebes, so bilden sich im Bereich unterhalb der Schnittstelle aufgrund hormoneller Einflüsse zahlreiche neue Austriebe, die sich rasch zu besenartigen Reisern  entwickeln können. Daher sollte man das Abschneiden der Triebspitzen vermeiden.“ Auch die Alternanz, die Erscheinung, dass manche Apfelbäume nur jedes zweite oder dritte Jahr Früchte tragen, kommt durch hormonelle Einflüsse zustande. Die Teilnehmer erfuhren, durch welche Schnittmaßnahmen man dem Auf und Ab bei der Alternanz teilweise entgegenwirken kann. Dr. Zahn vermittelte eine Fülle von nützlichen Ratschlägen und viele wissenswerte Details für den praktischen Gartenalltag. Die Teilnehmer waren begeistert, wie Dr. Zahn Schnitt­tech­niken und komplizierte physiologische Zusammenhänge, auch für absolute Laien, leicht ver­ständ­lich und motivierend erläuterte. Die Gastgeberin Elke Schneider verwöhnte die Teilnehmer mit Getränken, Keksen und Äpfeln.

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