„Aus der Natur“: Kunstverein eröffnet morgen die erste Ausstellung des Jahres

Im Raum für Kunst sind ab Freitag, 28. April, 18 Uhr, Werke der »Enfants Terribles« (Nana Bastrup & Matvey Slavin) aus Kopenhagen und Skulpturen von Maike Gräf, Berlin, zu sehen   

BARSINGHAUSEN (red). Für den morgigen Freitag, 18 Uhr, lädt der Kunstverein Barsinghausen zur ersten Ausstellung der Saison in den Raum für Kunst an der Egestorfer Straße ein. Dazu sagt der Vorsitzende, Friedrich Holtiegel: „An der langen Reihe der Bilder durch alle europäischen Geschichts- und Stilepochen hindurch können wir ablesen, wie sich unser Leben immer weiter aus der Natur und ihren jahreszeitlichen Bedingungen löst. Heute machen wir immer mehr die Nacht zum Tag, bestimmen Bio- und die Agrartechnik zunehmend das Wachstum, werden uns alle saisonalen Früchte gleichzeitig angeboten, fliegen wir nach Belieben in den Sommer oder in den Winter. Aber sie gelten ja noch, die natürlichen Grundbedingungen unserer Existenz. Sie werden nur von den explodierenden, blendenden und verlockenden Möglichkeiten menschlicher Erfindungen überlagert und pervertiert. Sie geraten aus dem Blick. Unsere Stellung in und zur Natur ist prekär. Und eben dies bringen die „Vier Jahreszeiten“ der Enfants Terribles in erschreckender und verwirrender Weise bildmächtig zum Ausdruck, die alle von einer bildüberspannenden Explosion farbiger Strahlen beherrscht werden. Jahreszeitlich getönt, schon wahr, aber ihren Ursprung haben sie nicht in der Sonne, die den Dingen Kontur und Leben gibt, sondern sie überlagern die Bildwelt und blenden den Betrachter, wie es Bühnenscheinwerfer tun. Sie haben ihren Ursprung irgendwo im Getümmel des Diesseits, im Frühlingsbild ist es zum Beispiel der Schoß der lasziv hingelagerten zentralen Frauenfigur.

Schon die Bezeichnung der großen Wandplane als „Blablabilder“ macht in dadaistisch-ironischer Weise auf die „Verwirrtheit“ der Bildwelt aufmerksam. Die kleineren Kopien, die das Künstlerduo dem Kunstverein großzügig zur Verfügung stellt, nennt es „Digitale Gobelins“ und weist mit dieser Metapher auf die Zeitspanne der Kunstgeschichte bis zur heutigen digitalen Bildtechnik hin. Da lagern geradezu unentwirrbar Fotos, Farbaufträge, Collagen, Malereien und Zeichnungen in höchst unterschiedlichen Techniken übereinander. Der Einfluss Daniel Richters, bei dem Matvey Gaststudent war, ist unverkennbar. Die Arbeiten Maike Gräfs erinnern auf den ersten Blick an die Malerei des Kubismus. Als habe sie Bilder, die von Georges Braque, Pablo Picasso oder Juan Gris stammen könnten, in die dritte Dimension vorangetrieben. Aber anders als diese zeigt sie nicht das verborgene Maß und die klare Schönheit der Dinge und Menschen, sondern trotzig und doch auch spielerisch gewinnt sie dem natürlichen Werkstoff die Gestaltung eines Menschenbildes ab, das durch die Verschiebung der Proportionen und von der Reduktion auf Funktion und Trieb geprägt zu sein scheint. Obsessiv stellt die Künstlerin sexuelles Verlangen und die leere Faszination des Totenkopfes aus. Spöttisch distanziert wirken die Darstellung menschlicher Beziehung und ebenso die zugehörigen Titel wie „einzweisam“, „antipode“ oder einfach „two“. Doch wird in all dem ein Verlangen nach Wärme und Zuneigung spürbar. Und so schickt die Künstlerin den Betrachter auf die Suche nach dem Menschlichen in ihren kantigen, schroffen Figuren und belohnt ihn mit vielerlei Entdeckungen. Es ist ja doch da, was der Titel verspricht. Und dass in der Oberflächenstruktur und den Kanten der Figuren noch immer das Holz durchscheint, das macht die Entfernung aus der Natur zwar schmerzlich sichtbar, tröstet aber zugleich, da es das alles noch hergibt. Im Hallraum der vier Jahreszeiten der Enfants Terribles ergeben Maike Gräfs Skulpturen mit diesen zusammen einen vielstimmigen Klang. Es darf nicht überraschen, dass er anders tönt als die vertrauten Harmonien von Haydn oder Schubert. Es gilt also, nicht das erwartete Bekannte zu goutieren, sondern gut hinzuhören auf das, was die jungen Künstler aus der Natur zu Tage fördern. Vielleicht ist es uns näher, als wir es wahrhaben wollen“

Foto: privat