Bestand der Weißstörche boomt in der Region

REGION HANNOVER (red).

„Derartige Zahlen hat es in dem Gebiet der heutigen Region Hannover in den vergangenen 75 Jahren nicht gegeben!“, mit diesen Worten kündigt Dr. Reinhard Löhmer, ehrenamtlicher Beauftragter für die Weißstörche, seinen Bericht über den hiesigen Bestand der Schreitvögel an. Mit 73 Brutpaaren (Vorjahr: 61) und 159 Jungen (Vorjahr. 114) habe es eine „Boom“ im Bestand gegeben. Auffällig für den Experten ist, dass immer mehr jüngere, zweijährige Störche schon zur Brut schreiten: „Diese ‚Frühreife‘ hat die Anzahl der Brutvögel erhöht und ist ein Beleg dafür, dass Biologie nicht statisch ist, dass es immer wieder auch Veränderungen gibt.“ 1934 hatte es den ersten, verlässlichen landesweiten Zensus für den Weißstorchbestand gegeben.

Rückkehr der Störche und Hostbesetzung: Erstmals seit vielen Jahren waren nach der Brutsaison 2018 auch alle „Überwinterer“ abgezogen – selbst das Brutpaar in Bokeloh, das seit über 15 Jahren immer vor Ort zurück geblieben war. Ursache für den Exodus aller Störche war einmal mehr die Trockenheit. Im Winter ernähren sich Störche hauptsächlich von Regenwürmern. Bei der trockenen Witterung waren diese aber kaum an der Oberfläche und konnten nicht in hinreichender Menge abgesammelt werden. Die Winterstörche haben demnach aus Nahrungsmangel unseren Raum verlassen. Ob sie sich den westziehenden Artgenossen angeschlossen haben, bis nach Spanien gezogen sind oder schon vorher überwintert haben, kann niemand sagen. Immerhin kamen sie mit den „Westziehern“ ab Anfang Februar zu ihren Nestern zurück. Viele Frühankömmlinge haben schon in der letzten Märzdekade mit der Brut begonnen. Die „Ostzieher“, die den Winter in der Sahelzone verbracht haben, kamen ab dem 20. März zurück. Auffällig war, dass es in diesem Frühjahr wieder einmal eine größere Anzahl „Ostzieher“ gegeben hat, die erst Ende April/Anfang Mai angekommen sind. Sie waren bis ins südliche Afrika gezogen und kamen wegen des längeren Rückwegs entsprechend später zurück. Fast alle Nester waren zu diesem Zeitpunkt bereits besetzt. Die Neuankömmlinge mussten um Nistplätze kämpfen. Im Stadtgebiet von Wunstorf hat es besonders heftige Kämpfe gegeben mit der Folge, dass es hier mehr jungelose Paare gegeben hat als anderweitig.

Brutsaison: Es gab fünf Neugründungen in Garbsen-Horst, in Gehrden-Ditterke, in Hannover-Döhren (Süd) und in WunstorfKolenfeld (Nord) sowie in Mesmerode (Nord). Ein Paar ließ sich in Uetze-Dollbergen auf dem seit 2003 verwaisten Horst auf der Kirche nieder. Die „Frühbrüter“ hatten schon in der letzten April-Dekade Junge. Sie sind ab Anfang Juli ausgeflogen. Die übrigen Paare haben je nach Ankunft bis Mitte Mai mit der Brut begonnen. Nach einer Nestlingszeit von jeweils 60 bis 65 Tagen waren auch die übrigen Jungen flügge. Inzwischen sind die meisten Störche abgezogen. In der Region Hannover hat sich Anzahl aller Brutpaare (mit und ohne Junge) auf nunmehr 73 erhöht – 12 mehr als 2018. Das entspricht einem Zuwachs von mehr als 16 Prozent und ist populationsbiologisch gesehen ein beachtlicher Sprung! Von den 73 Paaren haben 64 erfolgreich gebrütet und 159 Junge aufgezogen – 45 mehr als im vergangenen Jahr. Nur neun Paare sind ohne Junge geblieben. Das Wetter war zwar im Mai teilweise kalt und windig. Das hatte aber nur begrenzte Auswirkungen, weil es keinen (Dauer-)Regen gegeben hat. Kälte und Nässe sind bei Jungstörchen die häufigste Todesursache im Nest. An Trockenheit und Hitze sind die Weißstörche relativ gut angepasst. Schließlich verbringt die Mehrzahl der Population (noch!) fünf bis sechs Monate des Jahres am Rand der südlichen Sahara. Wahrend der Brutzeit benötigen sie Wasser zur Eigenversorgung und um ihre Jungen zu tränken oder zur Abkühlung nass zu machen. In den Siedlungen wird hierzu so mancher Gartenteich genutzt. Durch die Trockenheit während der Jungaufzucht stand der Regenwurm weniger zur Verfügung. Dafür gab es aber die Feldmaus in großer Anzahl! Mäusejahre sorgen auch bei den Störchen bekanntermaßen für einen guten Bruterfolg. Ab Mitte der Saison konnte man die Störche dabei beobachten, wie sie im Grünland Heuschrecken von den Grashalmen abgesammelt haben. Mit 2,18 Jungen pro alle Paare hat es einen außergewöhnlich guten Bruterfolg gegeben. Im langjährigen Mittel werden etwa 1,8 Junge pro alle Paare flügge.

Ausblick: Die Ursachen für diesen „Boom“ im Bestand sind nicht endgültig geklärt. Durch die Überwinterung im spanischen Raum sind für die Westzieher die Zugwege wesentlich kürzer geworden. Dadurch hat sich die Zahl der Todesopfer verringert. Mehr westziehende Störche kommen zurück. Auffällig ist weiterhin, dass immer mehr jüngere, zweijährige Störche schon zur Brut schreiten. Diese „Frühreife“ hat die Anzahl der Brutvögel erhöht und ist ein Beleg dafür, dass Biologie nicht statisch ist, dass es immer wieder auch Veränderungen gibt. Schließlich ist auffällig, dass die ganz jungen Jahrgänge, die früher im afrikanischen / mediterranen Raum verblieben sind und damals frühestens im Juni/Juli in Mitteleuropa einmal auftauchten, jetzt schon mit den älteren Brutstörchen ins Geburtsgebiet ziehen. Sie halten sich während der Brutzeit in Trupps bei uns auf, sind bei Aktivitäten der Landwirte (Feldbestellung, Mahd) sofort in größerer Anzahl zu sehen, stören mitunter die Brutpaare oder versuchen sich auch schon einmal als „Verlobungspaare“ mit Nestbau und Paarungsverhalten aber ohne Gelege.

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