Deister-Ranger sollen das illegale Querfeldeinfahren der Mountainbiker stoppen

Die Finanzierung durch die Region Hannover muss politisch noch beschlossen werden / Waldbesitzer und Förster beklagen einen sprunghaften Anstieg der illegalen Trails

BARSINGHAUSEN/DEISTER (ta). Ende 2014 haben die Niedersächsischen Landesforsten und die Vertretung eines Mountainbiker-Vereins einen Vertrag für den Betrieb von zwei genehmigten Trails beim Annaturm und östlich vom Nienstedter Pass abgeschlossen – inzwischen wurde die Vereinbarung auf insgesamt drei Trails ausgeweitet. Die Hoffnungen, dass durch diese schriftliche Vereinbarung das illegale Querfeldeinfahren durch die Mountainbiker-Szene eingedämmt werden könnte, haben sich in den folgenden Jahren aber rasch zerschlagen. Insbesondere in den letzten 18 Monaten ist eine Vielzahl von illegalen Trails, teils mit ebenso illegalen Sprungschanzen, hinzugekommen. Förster sprechen sogar von einer wahren Explosion. Deister Echo schätzt die Gesamtzahl der nicht genehmigten Trails im Deister auf mindestens 300 bis 350. Gefahren wird dabei auch in Wildruhezonen, Wasserschutzgebieten, Aufforstungsbereichen und auf historischen und denkmalgeschützten Anlagen, wie der Heisterburg.

Die Auswirkungen auf die heimische Pflanzen- und Tierwelt im Wald sind fatal. Wildtiere, wie Rehe, werden immer mehr auf noch unberührte Restflecken zurückgedrängt, durch das illegale Befahren der Strecken werden Baumwurzeln freigelegt und zerfasern und es kommt zu Bodenerosionen – teilweise werden von den illegalen Erbauern der Trails sogar Äste und junge Bäume einfach abgesägt. Die Fotos zeigen exemplarisch eine ganze Reihe von illegalen Trails, die allesamt erst in den letzten eineinhalb Jahren entstanden und seitdem befahren werden. Werden durch die Förstereien bestehende Sprungschanzen und Trails zurückgebaut, sind schon nach wenigen Wochen und Monaten neue Anlagen da. Zu keinem Erfolg haben die zahlreichen Ansprachen durch die verschiedenen Revierförster geführt. Die geltenden Gesetze und Regeln werden von einem nicht geringen Anteil der Mountainbiker schlichtweg ignoriert. Das Einzugsgebiet der Biker, die im Deister ihrem Hobby nachgehen, erstreckt sich inzwischen auf ganz Norddeutschland, wie die Kennzeichen der Anreisenden auf den hiesigen Waldparkplätzen zeigen. Und – man soll es kaum glauben – auch eine Navigations-App für ortsunkundige Mountainbiker ist schon vorhanden. Mit den Ansagen aus dem Navigerät werden die Biker direkt zu den illegalen Trails gelotst.

Wilhelm Gieseke, Vorsitzender der Forstinteressentenschaft Barsinghausen-Altenhof, sagt, viele Mountainbiker sind skrupellos und ein großes Ärgernis, das könne man so nicht laufen lassen. Der Wald habe durch den Klimawandel und den Borkenkäfer schon genug gelitten. Die illegalen Biker stellten im Deister das drittgrößte Problem für die Forste dar. Ein Verbot von Mountainbikes wäre sicherlich ein geeignetes Mittel, sei aber aufgrund der kommerziellen Interessen nur schwer durchsetzbar. „Besonders tun mir die Tiere leid, denn die verlieren ihre Rückzugsgebiete. In unserem Forstbereich sind wir konsequent bestrebt, illegale Trails wieder zurückzubauen“, erklärt Gieseke.

Die Pressestelle vom Forstamt Saupark der Niedersächsischen Landesforste betont, das Fahrradfahren im Wald sei durch das Niedersächsische Waldgesetz geregelt, somit sei es verboten, abseits der normalen Waldwege zu fahren. Auch durch die Betreiber der illegalen Mountainbike-Strecken, eingemessene und kartierte Trail würden mitnichten als öffentliche Wege gelten und würden von den Landesforsten auch nicht geduldet. Zuwiderhandlungen könnten mit Bußgeldern in Höhe von bis zu 5000 Euro geahndet werden. Theoretisch könnte zusätzlich zu den Bestimmungen des Niedersächsischen Waldgesetzes angedacht werden, ein generelles Wegegebot in die Landschaftsschutzgebietsverordnung der jeweiligen Bereiche im Deister zu integrieren. Dieser Schritt würde allerdings der Region Hannover als zuständige Naturschutz- und Waldbehörde obliegen. Nicht von allen, aber von einem Teil der Freizeitsportler werde das Hobby über den Schutz der Natur gestellt. Darum beabsichtige das Forstamt, gemeinsam mit dem Mountainbiker-Verein neue Verbotsschilder an den Hauptzuwegungen in den Deister anzubringen. Der Druck auf den Wald sei in den letzten Jahren immer intensiver geworden, daher wäre es seitens der örtlichen Ordnungsbehörden wünschenswert, wenn eine ähnliche Präsenz dieser, wie beim Besucherandrang während des Schneefalls, möglich wäre. Ein intensiver Einsatz der Behörden gegen das illegale Downhillfahren der Mountainbiker wäre gut, so die Niedersächsischen Landesforsten.

Christine Karasch, Dezernentin für Umwelt, Planung und Bauen der Region Hannover, betont, die illegalen Trails verletzten nicht nur die Eigentumsrechte der Waldbesitzer,  auch die Tier- und Pflanzenwelt werde massiv geschädigt und gestört. Darüber hinaus würden an Stellen, wo die Trails die Wanderwege kreuzten, gefährliche Situationen für andere Erholungssuchende im Deister entstehen. Ein komplettes Verbot des Mountainbikings im Deister sei allerdings nicht möglich, weil so gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verstoßen werde. Nicht realistisch sei der massive Einsatz von Polizeibeamten im Deister, stattdessen halte es die Region Hannover für erforderlich, eine Vor-Ort-Struktur wie beim Naturpark Steinhuder Meer einzurichten. Zum einen seien verstärkt Umweltbildungs- und Informationsangebote sowie eine stärkere Präsenz von autorisierten Personen nötig. Für die Aufgaben der Umweltbildung, der Ahndung von Verstößen und auch für das Verteilen von Platzverweisen wolle die Region Hannover Ranger im Deister etablieren, die auch über eine feste Station als Anlaufpunkt verfügten. Die dazu notwendigen Mittel müssten von der Region noch politisch beschlossen werden. Zudem sollen zur Situation des illegalen Fahrens im Deister noch Gespräche mit den Kommunen folgen. „Wir können die Situation nur gemeinsam lösen“, sagt Karasch.

Besonders betroffen vom illegalen Treiben der Mountainbiker war zuletzt auch der Klosterforst oberhalb von Barsinghausen. Der scheidende Revierförster, Dieter Hiller, sagt, es seien zuletzt viele illegale Trails hinzugekommen. Die Gespräche mit den Bikern seien schwierig, eigentlich seien die Förstereien allein eher hilflos. Man habe es im eigenen Revier mit Absperrungen, wie Holzgattern und großen Bündeln aus Ästen, probiert, aber diese Hindernisse würden von den Bikern entweder umfahren oder weggeräumt. „Der Waldbesitzer ist mit seinen Möglichkeiten ohne ordnungsrechtliche Unterstützung schnell am Ende“, meint auch Constantin von Waldthausen, Betriebsleiter der Klosterforsten. Man sei aber froh, dass man inzwischen bei der Region Hannover Gehör gefunden habe. Alle bisherigen Versuche, über einen Dialog mit der Mountainbiker-Szene zu Lösungen und einer Eindämmung des illegalen Befahrens des Waldes zu kommen, seien gescheitert. Zugenommen habe zuletzt auch die Regressnahme durch verunfallte Freizeitnutzer im Wald. Es müsse ein Bewusstsein geschärft werden, dass der Wald ein faszinierendes Ökosystem mit vielen spannenden Details und eben kein reines „Open-Air-Fitnessstudio“ sei. „Wir sind nur auf Zeit hier und es gilt mit Respekt Verantwortung für unser Tun zu übernehmen“, sagt von Waldthausen. Die Region Hannover beabsichtige nun, sich der Aufgabe zu stellen, was folgerichtig zu der von ihr erlassenen Schutzgebietsverordnung sei und von den Waldbesitzern begrüßt werde. Der Klosterkammerforstbetrieb werde im Schulterschluss mit den Landesforsten und privaten Waldeigentümern nicht lockerlassen und die Region in ihrem Bemühen nach Kräften unterstützen. Die Etablierung von Rangern im Deister sei ein wichtiger Schritt.

Kurze Stellungnahmen liegen der Redaktion auch vonseiten der Landkreise Hameln-Pyrmont und Schaumburg vor. Das Befahren von Wegen mit Mountainbikes sei im Wald ausschließlich auf öffentlichen Wegen und auf eigene Gefahr zulässig. Nicht zulässig sei das Befahren im Bestand, also außerhalb von tatsächlich öffentlichen Wegen – auch nicht auf Fuß- und Pirschpfaden oder Holzrücklinien, heißt es aus Hameln-Pyrmont. Die Öffentlichkeitsabteilung vom Landkreis Schaumburg teilt mit, die Problematik der illegalen Nutzung des Waldes durch Mountainbiker sei längst ein bundesweites Problem. Das illegale Querfeldeinfahren widerspreche den naturschutzfachlichen Regelungen, zivilrechtlich handle es sich hierbei um den Tatbestand der Sachbeschädigung. Zuwiderhandlungen könnten allerdings nur sanktioniert werden, wenn der Verursacher zweifelsfrei feststehe. Es müsse versucht werden, die verschiedenen Nutzergruppen im Wald durch gemeinsames Agieren in Einklang zu bringen.

Barsinghausens Wirtschaftsförderer Thomas Müller erklärt zum „Wildwuchs“ der illegalen Trails, es gebe zahlreiche Reaktionen von Wanderern, die sich über rücksichtslose Mountainbiker, die mit Höchstgeschwindigkeit auf den Wanderwegen ins Tal brausten, beschweren würden. Auf diese Problematik sei in den turnusmäßigen Beratungen des Arbeitskreises Deister der umliegenden Kommunen immer wieder hingewiesen worden. Hier sehe die Stadtverwaltung auch die Lobbyverbände der Mountainbiker in der Pflicht, auf die „schwarzen Schafe“ einzuwirken.

Fotos: ta