DFB-Präsident Bernd Neuendorf ist Stargast beim NFV-Neujahrsempfang

BARSINGHAUSEN (red).

„Präsident ist wie Friedhofsverwalter. Er hat ganz viele Leute unter sich, aber keiner hört ihm zu.“ – Mit dieser Erkenntnis von Bill Clinton begrüßt Gerhard Delling gleich zwei Präsidenten, die den ehemaligen US-Präsidenten eindrucksvoll widerlegen. Denn sie stehen dem Moderator beim 11. Krombacher Jahresempfang des NFV im Zechensaal des Besucherbergwerks Barsinghausen Rede und Antwort und ziehen rund 200 Gäste aus Politik, Sport und Wirtschaft in ihren Bann. DFB-Präsident Bernd Neuendorf sowie NFV-Präsident und DFB-Vize Ralph-Uwe beleuchten beim Talk mit Delling die gegenwärtige Situation des deutschen Fußballs, wobei natürlich die Fan-Proteste gegen einen möglichen Einstieg eines Investors in die Deutsche Fußball Liga, die deutsche Herren-Nationalmannschaft und die bevorstehende Europameisterschaft im eigenen Lande im Mittelpunkt stehen. „Die Akzeptanz des Fußballs muss erhalten bleiben. Es ist wichtig, in den Dialog zu treten, denn Spielabbrüche sind keine Lösung“, blickt Bernd Neuendorf besorgt auf das derzeit angespannte Verhältnis zwischen der DFL und einem Teil der Fans, die ihrem Unmut mit verschiedenen Protestaktionen in den Stadien Nachdruck verleihen wollen. „Wir müssen wegkommen von einer Konfrontationshaltung. Ich hoffe, dass sich keine Seite verweigert, in den Dialog zu treten. Gemeinsam müssen wir nach Lösungen suchen“, fordert Neuendorf und betont, dass es ihm wichtig sei, sich mit Fanvertretern zu treffen. Und deshalb trifft er sich vor Bundesligaspielen nicht nur mit den Präsidenten der Klubs, sondern regelmäßig auch mit deren Fanvertretern.

„Die Bundesliga ist, was die Vermarktung angeht, von anderen Ländern abgehängt worden“, bedauert Ralph-Uwe Schaffert. „Wir wollen wettbewerbsfähig bleiben, aber die Gralshüter des Fußballs sind Diejenigen, die die billigsten Eintrittskarten haben.“ Der Hildesheimer befürchtet, dass die Stadien mehr und mehr zu einem rechtsfreien Raum werden und bezeichnet die Arbeit im Kontrollausschuss des DFB als „nicht Vergnügungssteuerpflichtig.“ Als nicht hinnehmbar und „unerträglich“ bewertet auch Gerhard Delling Fadenkreuzplakate gegen handelnde Personen des Fußballs wie etwa Martin Kind (Geschäftsführer der Profifußballgesellschaft bei Hannover 96) oder Dietmar Hopp (Mäzen TSG 1899 Hoffenheim). „Es ist schwer jemanden auf Fanseite zu finden, der legitimiert ist, für die gesamte Fanszene zu sprechen“, gibt Schaffert zu bedenken und verweist darauf, dass es einen harten Kern gebe, „der Freundlichkeit mit Schwäche“ gleichsetze. Gemeinsam mit Bernd Neuendorf ist er sich einig, dass sich die große Masse der Zuschauer im Stadion solidarisieren und bekunden sollte, wie sie die Protestaktionen bewertet. Bei Fan-Vorwürfen an die DFL wie „Ihr macht unseren Sport kaputt“ wähnt sich Schaffert in einer „verkehrten Welt.“ „Wir hoffen auf einen Ansturm durch türkische Fans.“ – Ralph-Uwe Schaffert freut sich, dass die türkische Nationalmannschaft während der Europameisterschaft ihr Basecamp im Sporthotel Fuchsbachtal in Barsinghausen beziehen wird. Ihm ist bewusst, „dass das für uns zur Herausforderung werden kann“, aber bei der bevorstehenden Europameisterschaft gebe es in diesem Jahr aufgrund der Vielzahl türkischer Mitbewohner mit Deutschland und der Türkei nun mal gleich zwei Heimmannschaften. Mit seiner Kritik am Auftreten der deutschen Nationalmannschaften hat Ralph-Uwe Schaffert nach den Niederlagen gegen die Türkei (2:3) und in Österreich (0:2) für Schlagzeilen gesorgt. „Ich habe laut nachgedacht“, erinnert er sich schmunzelnd, relativiert beim Neujahrsempfang jedoch: „Wir haben viele hochbegabte Fußballer mit weit überdurchschnittlichen Fähigkeiten. Wenn sie es auf den Platz bringen, dann können sie gut performen.“ Gerhard Delling pflichtet ihm bei: Die Zeiten, mit angezogener Handbremse spielen zu können, seien vorbei. Viele Nationen hätten zu Deutschland aufgeschlossen und so sei ein einhundertprozentiger Einsatz in jedem Spiel notwendig. Ralph-Uwe Schaffert ist überzeugt, dass die deutsche Mannschaft, die im März gegen Frankreich und die Niederlande spielen wird, dann „ihr wahres Gesicht zeigen wird.“ Man muss der Mannschaft die Möglichkeit geben, die Fans zurückzugewinnen.“ Die EM sei die Chance, „sich wieder in die Herzen der Fans zurückzuspielen.“ Und, so erinnert Schaffert, „die Basketballer haben uns auch überrascht.“ „Wunder gibt es immer wieder“, bringt er auch noch Katja Ebstein ins Spiel. Für Bernd Neuendorf stellt die Wahl der Gegner Frankreich und Niederlande einen „Griff ins oberste Regal“ dar und zeuge vom Mut von Julian Nagelsmann. „Ich bin sehr zuversichtlich, was Julian betrifft“, ist er von den Qualitäten des Bundestrainers überzeugt. Und der DFB-Boss wünscht sich: „Wir sollten uns auf die Europameisterschaft freuen. Bei der letzten Europameisterschaft in Deutschland (1988) stand die Mauer noch.“ Neuendorf ist zuversichtlich, dass das Turnier im Juni und Juli „die Kids in die Vereine“ bringen wird. Es ist zu befürchten, dass die deutsche Mannschaft mit den jüngsten Niederlagen Kredit bei den Fans verspielt haben dürfte. Aber, so Bernd Neuendorf, „die Stimmung vor der WM 2006 war viel schlechter als heute.“ Außerdem setzt der DFB-Präsident auf den Ehrgeiz der Mannschaft. Den Spielern sei bewusst: „Legenden gehen mit Titeln. Das sind die Momente, die hängenbleiben.“

Schöne Geste: Traditionell stellt Gerhard Delling, der bereits zum sechsten Mal eine Veranstaltung des NFV moderierte, sein Honorar auch diesmal für gute Zwecke zur Verfügung. Über 1.500 Euro darf sich deshalb die Uwe Seeler-Stiftung freuen und ein weiterer Scheck über 1.000 Euro kommt Kindern aus sozial benachteiligten Familien zu Gute, die damit an einem Feriencamp der Sparkassen-Fußballschule teilnehmen können.

„Sie haben mich immer an ihrer Seite“ – Niedersachsens Ministerin für Inneres und Sport, Daniela Behrens, unterstreicht in ihrem Grußwort „die integrative Kraft des Fußballs“ und bezeichnet ihn als das „Lagerfeuer der Gesellschaft.“ Der Anhängerin von Werder Bremen ist bewusst, dass der Sport im Allgemeinen durch das Ehrenamt getragen wird. Ihm gilt ihr besonderer Dank. Daniela Behrens freut sich auf ein spannendes Fußballjahr und hofft, dass die im eigenen Land bevorstehende Europameisterschaft der Männer sich zum „Sommermärchen 2.0“ entwickelt. Vereint im Herzen Europas – das Motto der EM gefällt ihr und sie hofft, dass das Turnier „unsere Herzen erwärmen wird.“ „Ich drücke fest die Daumen, dass unsere Mannschaft das Ticket für Olympia zieht“, wünscht Daniela Behrens den deutschen Frauen ein erfolgreiches Abschneiden beim bevorstehenden Final Four der Nations League. Begeistert verfolgt die Ministerin die Entwicklung des Frauenfußballs. Ihr imponiert die friedliche und familiäre Atmosphäre, die sie selbst in Bremen bei einem Spiel in der Frauen-Bundesliga mit 20.000 Zuschauern erlebt hat. „Da standen vier Polizeiautos vor dem Stadion.“ Das Kontrastprogramm bietet der Männerfußball, der eine erhebliche Polizeipräsenz erfordert. „Das ist kein Zustand, mit dem man sich anfreunden kann“, so Behrens, die Gewalt im Stadion, aber auch das Zeigen von Fadenkreuzplakaten als „völlig inakzeptabel“ bezeichnet. In diesem Zusammenhang nimmt die Ministerin auch die Vereine in die Pflicht, die in den Stadien die Sicherheit gewährleisten müssen: „Da müssen wir besser werden.“ Zum Abschluss verspricht sie mit Blick auf den Fußballverband: „Sie haben mich immer an ihrer Seite.“

Fotos: Deisterpics