Ernst Wildhagen: Weg zu „echtem“ Tierschutz ist noch lang

Der Vorsitzende des Tierschutzvereins Barsinghausen und Umgebung zieht Bilanz nach einem außergewöhnlichen Jahr

BARSINGHAUSEN (red). „Mein 15. Jahr als 1. Vorsitzender des Tierschutzvereins Barsinghausen war – auch wenn es erstaunlich klingt – ein überwiegend positives Jahr! Der Mitgliederbestand konnte auf über 430 ausgebaut werden und die finanzielle Basis ist solide. Unsere Mitarbeiter, Bundesfreiwilligen und ehrenamtlichen Helfer haben hervorragend gearbeitet und zum Glück hatten wir keine coronabedingten Ausfälle. Der Vorstand arbeitet seit Jahren harmonisch und effektiv zusammen. Das Tierheim befindet sich in einem guten Zustand und soll 2021 durch eine Quarantänestation erweitert werden. Soweit – so gut! Aber die Tatsache, dass wir wieder über 300 Tiere aufnehmen mussten, die von ihrem Besitzer einfach ausgesetzt wurden, die abgegeben wurden, weil man „kein Interesse“ mehr daran hat, oder weil sie „zu teuer“ werden, die nicht mit ins Altenheim dürfen oder bei einer Scheidung keiner haben will, zeigt, dass noch viel zu tun ist, um den Tieren die Wertschätzung entgegen zu bringen, die sie verdienen. 2011 hatte bei der Einweihung des neuen Bürohauses der damalige Bürgermeister Walter Zieseniß gesagt, es wäre doch schön, wenn man überhaupt keine Tierheim mehr bräuchte, und damit hatte er absolut recht! Im Corona-Jahr hatten wir außergewöhnliche viele Anfragen nach Katzen, Kleintieren und Hunden. Die Menschen verbringen mehr Zeit zuhause und wollen sich oder ihren Kindern mit einem Haustier eine Freude machen oder etwas gegen die Einsamkeit tun. Wir warnen aber immer davor und weisen darauf hin, dass es auch eine Zeit nach Corona gibt und die Entscheidung für ein Tier eine langfristige Entscheidung für die ganze Familie ist.

Wir erfahren bei unserer Tierschutzarbeit viel Lob und Anerkennung für unseren Einsatz. Es beeindruckt Politik und Gesellschaft, dass wir 7 Tage in der Woche 24 Stunden für die Tiere da sind, und nicht nur Hunde, Katzen und Kleintiere vermitteln, sondern auch verletzte Wildtiere einfangen und zur Wildtierstation bringen, nachts entlaufenen Hunden hinterherlaufen und aus Wohnungen Verstorbener die verängstigte Katze unter dem Sofa hervorlocken. Besonders gute Nerven braucht man, wenn man zu Fällen mit tierquälerischer Haltung oder Animal-Hoarding-Fällen (z.B. 80 Kaninchen in einer Wohnung) gerufen wird. Wesentlich dürftiger wird es mit der Unterstützung durch Politik und Verwaltung, wenn es um finanzielle Unterstützung geht. Man darf dabei nicht vergessen, dass die Tierschutzarbeit kein freiwilliges „Hobby“ ist, sondern es fast immer um Leistungen geht, für die eigentlich der Staat zuständig ist (Fundtiere, ausgesetzte Tiere, u.s.w.). Es müsste eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein, dass diese Dienstleistung angemessen vergütet wird, aber leider bleibt es oft beim „Klatschen“ und es wird alles versucht, um Kosten zu sparen (siehe Negativbeispiel Gemeinde Wennigsen, wo sogar Tiere durch Gemeindemitarbeiter einfach ausgesetzt werden). Ganz schlimm sieht es nach wie vor für die „Nutz-„Tiere in der Landwirtschaft aus. Wenn die Tiere schon für uns sterben müssen, muss man sie doch nicht vorher auch noch quälen. Für Menschen gibt es einen Wirtschaftsminister, der die Interessen der Wirtschaft vertritt und einen Arbeitsminister, der sich um die Menschen in diesem System kümmert. Bei Tieren gibt es eine Landwirtschaftsministerin, die beide Aspekte berücksichtigen soll und damit nur scheitern kann. Frau Klöckner unterhält sich eben lieber mit der Großindustrie, als mit dem kleinen Bauern um die Ecke oder gar mit Tierschutzverbänden. Der Bauer will bestimmt nicht seine Tiere quälen, Bienen töten oder das Grundwasser verseuchen, aber er ist durch das System dazu gezwungen. Der aktuelle Protest gegen das unverantwortliche Preisdiktat der Supermarktketten ist ein erster richtiger Schritt der Bauern. Herr Heil hat sich jetzt um die menschenverachtenden Bedingungen der Mitarbeiter in der Fleischindustrie gekümmert und es ist höchste Zeit, dass Frau Klöckner das gleiche für die Tiere tut. Das Argument, man müsse diese Tierquälerei in Deutschland zulassen, weil sonst die Produktion in andere Länder verlagert wird, ist zynisch und nicht akzeptabel. Stellen Sie sich vor, es gäbe in Deutschland noch Kinderarbeit und in einem Geschäft gäbe es teure Teppiche, die von Erwachsenen geknüpft werden und billige, die von den Kindern gemacht wurden. Und der Arbeitsminister würde sagen, der Verbraucher hat die Macht und könne die Kinderarbeit dadurch verhindern, dass er nur die teuren Teppiche kauft. Ein absurdes Argument, dass aber genau so beim Umgang mit Tieren vorgebracht wird. Es gibt noch viele weitere Felder (z. B. Tiere im Zirkus, Jagd, Angeln, Qualzuchttiere, Versuchstiere, Exoten, u.s.w.) in denen der Deutsche Tierschutzbund, andere Tierschutzorganisationen und – nicht zuletzt – viele engagierte Bürger kämpfen, um den Tierschutz weiter zu verbessern. Und vergessen wir nicht, dass die Natur zurückschlägt und Tierschutz gleichzeitig Klimaschutz und Umweltschutz ist. Corona ist, wie viele andere Virusinfektionen und Krankheiten (z. B. Vogelgrippe, Sars, oder wer erinnert sich noch an Creutzfeld-Jakob durch Rindfleisch) durch Zoonosen (also Übertragung vom Tier auf den Menschen) entstanden sind. Es schützt also auch uns als Menschen, wenn wir weniger (möglichst gar kein) Fleisch essen und nicht immer weiter in den Lebensraum der Tiere eindringen und die Umwelt zerstören. Das Jahr 2021 beginnt schon mal gut, denn ab dem 1. Januar hat das betäubungslose Kastrieren der Ferkel ein Ende und es gibt weitere Lichtblicke, insbesondere bei der jungen Generation. Ein Vegetarier wird nicht mehr mit einem Tierarzt verwechselt und ein Veganer nicht mit einem alten Soldaten (Witz!). Fast 100 mehr oder weniger aktive Helfer (vom Gassigänger bis zum Kassenwart) haben im Jahr 2020 ca. 25.000 Stunden ehrenamtlich gearbeitet und ich möchte mich an dieser Stelle bei allen ganz herzlich im Namen der Tiere bedanken und wünsche allen Gesundheit für 2021, damit wir uns auch im neuen Jahr gemeinsam für die Tier einsetzen können.“

Foto: privat