Ernte 2021: Bauern schwanken zwischen enttäuschten Hoffnungen und Zufriedenheit

Starke regionale Schwankungen bei Niederschlag und Ertrag

REGION/NIEDERSACHSEN (red). Die niedersächsischen Ackerbau- und Futterbaubetriebe sind nach Einschätzung der Landwirtschaftskammer Niedersachsen (LWK) dabei, eine insgesamt zufriedenstellende Ernte einzubringen. „Dabei gibt es beim Ertrag und bei der Qualität regional deutliche Unterschiede“, berichtete Kammerpräsident Gerhard Schwetje auf der Ernte-Pressekonferenz der LWK in Hannover. Während die Erträge beim Getreide und beim Raps in manchen Regionen deutlich hinter den Erwartungen zurückblieben, konnten die Futterbaubetriebe nach mageren Jahren wieder mengenmäßig größere Futterreserven für ihre Rinderherden bilden – leider aber mit deutlich unterdurchschnittlichen Futterqualitäten. Nach mehreren trockenen Jahren in Folge fiel in Niedersachsen 2021 wieder deutlich mehr Regen – entsprechend besser waren im Frühjahr die allgemeinen Startbedingungen für Ackerkulturen wie Getreide und Mais sowie für die Gräser auf dem Grünland. „Eine ungleiche Verteilung des Regens, niedrige Temperaturen im Frühjahr und eine kurze Hitzewelle im Juni aber sorgten dafür, dass sich insbesondere das Getreide mancherorts nicht optimal entwickelte“, sagte Schwetje. „In der Region Südhannover, wo die Betriebe auf schweren Böden in der Regel gute Erträge erzielen, gab es viel Stroh, aber zahlreiche Körner entpuppten sich als schwach ausgebildet und klein.“

Unter anderem bei den Kartoffeln begünstigte die Feuchtigkeit die Entwicklung von Pflanzenkrankheiten – Spitzenerträge waren danach kaum noch zu erzielen. Bei der Grasernte führte Nässe teilweise zu Problemen bei der Silagequalität. Neben dem Wetter gebe es weitere Faktoren, die immer deutlicher den Erfolg im Ackerbau bestimmten, hob der Kammerpräsident hervor: „Durch die Nährstoff-Vorgaben der Düngeverordnung, die zusätzlichen Einschränkungen in den nitratsensiblen ,Roten Gebieten‘, durch strengere Regeln beim Einsatz von Pflanzenschutzmitteln sowie durch die Bestimmungen zum Artenschutz werden zahlreiche Betriebe weitere Anstrengungen unternehmen müssen, um auf den vorhandenen Flächen die Menge und vor allem die Qualität ihrer Erzeugnisse zu sichern.“ Dabei könnten sich die Landwirtinnen und Landwirte auf die Fachleute der betrieblichen Beratung und des Pflanzenbau-Versuchswesens der LWK verlassen, sagte Schwetje: „Zusammen werden wir dafür sorgen, dass die zur Verfügung stehenden pflanzenbaulichen Möglichkeiten weiterhin zu einer erfolgreichen Entwicklung der Kulturen führen.“ Sowohl die Politik als auch die landwirtschaftliche Branche erhoffen sich zudem von der Digitalisierung Lösungen, um die beschriebenen Herausforderungen zu meistern. Im Zuge des mit Landesmitteln finanzierten Projekts „PraxisLabor Digitaler Ackerbau“ analysieren Experten der LWK im Kreis Helmstedt Anforderungen, Nutzen und Umwelteffekte digitaler Maschinen und Anwendungen im Ackerbau.

„Mit Hilfe von Satelliten- und Bodenanalysedaten, mit speziellen Drohnen- und Luftbildern, mit Informationen weiterer Sensoren und digitalen Karten untersuchen wir, wie gut die Bearbeitung von Ackerflächen mit computergesteuerten Landmaschinen funktioniert“, berichtete Jobst Gödeke, Leiter des LWK-PraxisLabors, von seiner Arbeit. Eine Fläche habe keineswegs an jeder Stelle des Bodens denselben Gehalt an Pflanzennährstoffen – entsprechend müsse mittels digitaler Technik die Düngung detailliert nach Bedarf angepasst werden, nannte der PraxisLabor-Leiter ein Beispiel. „Am Ende haben wir das Ziel, konkrete Empfehlungen zu geben, wie Betriebe mit Unterstützung der hochmodernen Technologien gleichmäßig gut entwickelte Pflanzenbestände und gute Erträge bekommen, dabei Saatgut, Dünger und Pflanzenschutzmittel einsparen und damit aktiv die Umwelt schonen.“ Wichtig sei, dass der Datenaustausch zwischen den unterschiedlichen Maschinen reibungslos ablaufe, betonte Gödeke. „Hierbei sowie beim technischen Support durch die Hersteller gibt es noch Verbesserungsmöglichkeiten.“ Die Einführung der neuen Maschinen und Planungs-Programme seien für Landwirt*innen wie auch für die Beratung eine große Herausforderung – schließlich müssten die zahlreichen Daten richtig interpretiert und eingesetzt werden, hob der Digitalisierungs-Experte hervor. „Wer diese digitalen Werkzeuge richtig handhabt, wird mit optimierten Betriebsabläufen und Einsparungen bei den Betriebsmitteln belohnt.“

Ernte 2021 in Niedersachsen – Die Kulturen im Einzelnen:

Die Getreideernte 2021 fiel in Niedersachsen nach Ermittlungen des Landesamts für Statistik mit gut 5,4 Millionen Tonnen (ohne Körnermais) leicht höher aus als 2020. Der Durchschnitt der vergangenen fünf Jahre wurde um 3,5 Prozent verfehlt. Während die Anbaufläche für Winterweizen, Roggen und Körnermais ausgedehnt wurde, sank die Anbaufläche für Sommerweizen (-42 Prozent) und Sommergerste (Braugerste, -29 Prozent) deutlich. Hintergründe sind zum einen witterungsbedingte Anbauentscheidungen (Boden befahrbar zur Aussaat von Wintergetreide) sowie die gesunkene Nachfrage nach Braugerste infolge des gedrosselten Bierkonsums während der Corona-Pandemie. Der durchschnittliche Getreideertrag pro Hektar stieg insgesamt leicht auf 71 Dezitonnen pro Hektar (dt/ha). Bei den einzelnen Getreidearten erreichten Winterweizen, Sommerweizen und Sommergerste den Vorjahreswert nicht. Insbesondere auf guten Böden hatten die Betriebe mit deutlich besseren Winterweizen-Erträgen gerechnet. Zu den Hauptursachen zählen eine ungenügende Ausbildung des Wurzelwerks sowie die kurze Hitzewelle Mitte Juni. Bei Roggen, Triticale und Wintergerste waren die durchschnittlichen Hektarerträge besser als im Vorjahr. Dank des guten Proteingehalts beim Weizen, einer schlechten Weizenernte in Frankreich und lebhafter weltweiter Nachfrage gibt es gute Exportchancen. Die Erzeugerpreise am Getreidemarkt haben sich sehr positiv entwickelt, gegenüber dem Vorjahr im Schnitt um 17 Prozent.

Beim Raps hat sich die Anbaufläche im zweiten Jahr in Folge erhöht und liegt mittlerweile wieder bei 79.500 ha. Bei regional stark schwankenden Erträgen liegt der Ertrag sowohl über dem des Vorjahres als auch über dem Fünf-Jahres-Schnitt. Allerdings hatten viele Betriebe auf noch höhere Erträge gehofft. Das Preisniveau hat sich sehr positiv entwickelt. Mit den steigenden Preisen nahm die Bereitschaft der Landwirt*innen zu, Vorverträge abzuschließen.

Ein kühles und regenreiches Frühjahr sorgte bei den Kartoffeln für nicht ganz optimale Startbedingungen. Später sorgte Krautfäule für Probleme. Die Anbaufläche ging erstmals seit vielen Jahren leicht zurück – dennoch wachsen in Niedersachsen weiterhin gut 45 Prozent aller deutschen Kartoffeln. Offenbar wurden bei der Anbauplanung die Auswirkungen der Corona-Pandemie berücksichtigt: 2020 war der Absatz von Industrieware für die Chips- und Pommes-Produktion stark ins Stocken geraten. Erwartet werden in der Regel maximal durchschnittliche Ernteerträge. Für die Haupternte fallen die Preise aktuell höher aus als im Vorjahr – sie liegen im Bereich des fünfjährigen Durchschnittswerts.

Die Zuckerrüben haben dieses Jahr wieder bewiesen, dass sie aufgrund ihrer relativ langen Wachstumszeit in der Lage sind, mit den sich ändernden klimatischen Bedingungen im Vergleich zu anderen Kulturen gut zurechtkommen. Nach dem wechselhaften Wetter im Frühjahr und Sommer erwarten die Anbauer*innen gute Rübenerträge, die mit durchschnittlich 80 Tonnen je Hektar 5 Tonnen über dem Vorjahresniveau von 75 Tonnen je Hektar liegen dürften. Bei den Zuckergehalten ist noch Luft nach oben; sie bewegen sich derzeit noch unter dem Niveau der zurückliegenden Jahre, als die Rüben aufgrund der trockenen, sonnigen Bedingungen süßer, die Flächenerträge jedoch geringer waren als in diesem Jahr. Sonnige Herbsttage in Verbindung mit kühlen Nächten tragen zu höheren Zuckergehalten bei.

Beim Mais hat die Ernte fast flächendeckend begonnen, etwas später als im langjährigen Mittel. Das hängt mit dem kalten Mai und dem eher durchschnittlichen Sommer zusammen. Aufgrund erster Zahlen und Eindrücke von den Maisfeldern rechnet die LWK mit guten Erträgen. Die Betriebe können damit endlich wieder Futterreserven für ihre Rinderherden aufbauen, nachdem die zurückliegenden Jahre zum Teil von deutlichen Mindererträgen geprägt waren. Im Nordwesten Niedersachsens wird es in manchen Regionen wohl keine Spitzenerträge geben, da schwierige Aussaatbedingungen und Staunässe die Entwicklung der Maispflanzen beeinträchtigt haben. Die landesweite Anbaufläche blieb gegenüber dem Vorjahr mit insgesamt mehr als 600.000 ha (Silomais, Mais für Biogasanlagen, Körnermais, Mischkulturen) konstant. In Regionen mit guten Erträgen haben Betriebe die Möglichkeit, den Mais später als zusätzlichen Körnermais zu dreschen. Dank positiver Preisentwicklung gibt es dieses Jahr mehr Anreize für den Anbau dieses Futtermittels.

Die Betriebe auf dem Grünland (landesweit rund 700.000 ha) haben dank regelmäßiger und reichhaltiger Niederschläge wieder deutlich mehr Pflanzenmasse als Grundfutter einlagern können als in den zurückliegenden Jahren, in denen Trockenheit, Mäuse- und Schnaken-Befall für teils hohe Ertragsausfälle sorgten. Der Regen förderte das Pflanzenwachstum, sorgte aber vielerorts für schwierige Erntebedingungen und in der Folge für eine im Vergleich zu den Vorjahren schlechtere Futterqualität der Grassilage über alle Schnitte hinweg. Betriebe, deren Silage eine unbefriedigende Qualität aufweist, können nach Möglichkeit versuchen, die Futterrationen mit Silomais und veredelten Maisprodukten wie Korn-Spindel-Gemisch (CCM) oder Liesch-Kolben-Schrot aufzuwerten. Der Ökolandbau in Niedersachsen hat in den zurückliegenden fünf Jahren um mehr als 80 Prozent zugenommen. Die ökologisch bewirtschaftete Fläche nahm in dieser Zeit von 72.497 Hektar (31.12.2015) auf 134.574 Hektar (31.12.2020) zu. Von den 35.348 landwirtschaftlichen Betrieben in Niedersachsen betreiben 2.253 (6,4 Prozent) Ökolandbau. Die Erträge des Öko-Getreides fallen dieses Jahr überwiegend zufriedenstellend, teilweise sogar erfreulich aus. Die Backqualitäten bei Öko-Weizen und Öko-Dinkel fallen recht gut aus. Ordentliche Erträge signalisieren auch die Erzeuger*innen von Öko-Körnerleguminosen wie Ackerbohnen, Körnererbsen und Lupinen. Allerdings gab es mitunter witterungsbedingte Probleme bei der Abreifung.

Der Anbau von Körnermais und Silomais im Ökolandbau hat zugenommen. Aufgrund der unbeständigen Witterung in einigen Regionen mussten die Betriebe bei der mechanischen Beikrautregulierung mehr Aufwand betreiben als üblich. Allmählich sind die Bestände erntereif. Die Anbaufläche für die Öko-Zuckerrübe hat dieses Jahr zugenommen. Beim Ertrag wird mit einem Plus gerechnet. Bei den Öko-Speisekartoffeln deuten sich aufgrund der feuchten Witterung und wegen Problemen mit Krautfäule-Befall eine geringere Ernte und etwas schlechtere Qualitäten als im Vorjahr an. Gegenwärtig stehen die Erlöse für Öko-Speisekartoffeln nicht so unter Druck wie 2020. Das weiter wachsende Interesse der Verbraucher an Ökoprodukten spiegelt sich für die Erzeuger in einer wachsenden Zahl von Abnehmern von Öko-Erzeugnissen. Gleichzeitig ersetzen große Lebensmittelproduzenten innerhalb des Rohstoffsortiments zunehmend die EU-Öko-Ware mit einem niedrigeren Produktionsstandard durch höherwertige deutsche Verbandsware. Ein weiterer Trend in der Verarbeitung und im Handel ist der zur Regionalität. Immer mehr entsprechende regionale Wertschöpfungsketten suchen Getreide, Ölfrüchte und Grobleguminosen (z.B. Ackerbohnen, Erbsen, Lupinen, Sojabohnen).

Fotos: Gerheide Knüttel