Fast die Hälfte der heimischen Brutvögel steht auf der „Roten Liste“

DEUTSCHLAND (red).

Der Schwarzhalstaucher wurde neu in die Rote Liste aufgenommen und gilt nun als „gefährdet“ – Foto: Christoph Bosch

Letzten Donnerstag stellte das „Nationale Gremium Rote Liste Vögel“ die aktuelle Rote Liste der Brutvögel Deutschlands der Öffentlichkeit vor. 43 Prozent der 259 regelmäßig in Deutschland brütenden heimischen Vogelarten mussten in die neue Rote Liste aufgenommen werden. Somit steht annähernd jede zweite Brutvogelart auf der neuen Roten Liste und gilt als bedroht. Der Präsident des Deutschen Rats für Vogelschutz e. V. (DRV), Dr. Andreas von Lindeiner, betonte, dass es vor allem in der höchsten Gefährdungskategorie „Vom Aussterben bedroht“ zu einem deutlichen Anstieg kam. Es sind nun 33 Arten oder knapp 13 Prozent der deutschen Brutvogelarten vom Aussterben bedroht, darunter Arten wie Raubwürger oder Knäkente. Dies betrifft auch Arten, die schon lange im besonderen Fokus des Artenschutzes stehen, wie UferschnepfeGroßtrappe oder Auerhuhn. Erfreulicherweise zeigt sich aber auch in dieser Liste, dass eine langfristige, kontinuierliche und fachlich fundierte Vogelschutzarbeit lohnenswert ist: So konnte mit dem Weißstorch eine weitere charismatische Brutvogelart, die jahrzehntelang Ziel intensiver Schutzbemühungen war, in die „Vorwarnliste“ überführt und somit aus der eigentlichen Roten Liste entlassen werden.

Dass Arten, wie SteinkauzGartenrotschwanz und Wendehals, in ihrem Gefährdungsgrad herabgestuft werden konnten, hat mit konkreten Schutzmaßnahmen zu tun, wie der Verbesserung des Nistplatzangebots. Vor allem in der (halb-)offenen Agrarlandschaft ist der anhaltende und dramatische Bestandsrückgang fast aller Brutvogelarten nicht gestoppt. Wiesenvogelarten, wie BekassineUferschnepfe oder Brachvogel, die früher ganze Landstriche charakterisierten, sind heute ausnahmslos „Vom Aussterben bedroht“. Mit Wiesenpieper oder Kiebitz mussten ehemals häufige bis sehr häufige Arten unverändert in die Kategorie „Stark gefährdet“ eingeordnet werden. Mit der Sperbergrasmücke,  dem Feldschwirl oder dem Rotschenkel sind weitere Arten dieser Lebensräume in der aktuellen Roten Liste hochgestuft worden. Viele Arten erleiden in der Agrarlandschaft, die annähernd die Hälfte der Fläche Deutschlands ausmacht, massive Bestandsrückgänge, die sich noch gar nicht in der Liste abbilden. So sind die Bestände vieler ehemals noch sehr häufiger Vogelarten, wie von Star oder Feldlerche, massiv zurückgegangen. Gemäß den Zielen der neue EU-Biodiversitätsstrategie sollen 30% aller gefährdeten Arten bis 2030 in einen guten Erhaltungszustand gebracht werden. Jedoch wurden bereits die Ziele für 2010 und 2020 verfehlt. Die neue Rote Liste der Vögel legt hier klar den Finger in die Wunde: Unverändert gilt fast die Hälfte aller Arten als gefährdet. Eine Trendwende muss bei einer naturverträglichen Agrarpolitik und verstärkten Anstrengungen beim Schutz von Insekten, der Hauptnahrung vieler gefährdeter Arten, ansetzen.

Die bislang erzielten beachtlichen Erfolge im Vogelschutz zeigen, dass eine Trendumkehr in vielen Bereichen möglich ist. Allerdings sind nun verstärkte Anstrengungen und eine querschnittsorientierte und integrierte Biodiversitätspolitik nötig, gerade auch in Anpassung an den Klimawandel. Die gesellschaftliche Unterstützung für den Vogelschutz und die Artenvielfalt sind in Deutschland bereits stark gewachsen. Nun muss auch die Politik handeln und Maßnahmen ergreifen.

Foto: Christoph Bosch