Vertreter der Schulen verurteilen Angstmache durch Flugblätter / Verwaltung klärt über konkrete Pläne auf
KIRCHDORF (ta). Bei der heutigen Informationsveranstaltung der Stadt zur geplanten Flüchtlingsunterkunft der Region Hannover, die im Sommer an der Einsteinstraße Platz für 328 Menschen bieten soll, prallten unterschiedliche Positionen und Sichtweisen aufeinander. Unter den wachsamen Augen der Polizei füllte sich die Schulaula am Spalterhals rasch. Bürgermeister Marc Lahmann verschaffte zunächst einen Überblick über den derzeitigen Flüchtlingszuzug nach Barsinghausen. Bis jetzt seien 600 Asylbewerber aufgenommen worden, dafür seien rund 80 Wohnungen angemietet und weitere Immobilien angekauft worden. Eigentlich seien keine Unterbringungen mit mehr als 100 Menschen an einem Ort vorgesehen, allerdings hätten die Zuweisungszahlen seit der zweiten Januarwoche gezeigt, dass die Situation nun schwieriger werde. Zur Zeit kämen rund 30 Flüchtlinge pro Woche nach Barsinghausen, so Lahmann weiter, und die Stadt sei zur menschenwürdigen Unterbringung verpflichtet. Laut den stark variierenden Prognosen könne bis Ende des Jahres mit einem Zuzug von weiteren 1000 bis 2000 Flüchtlingen gerechnet werden. Vor diesem Hintergrund sei man als Kommune froh über das Angebot der Region Hannover gewesen, auf ihrem eigenen Grund Sammelunterkünfte zu errichten und zu betreiben. Der Plan für den Standort an der Einsteinstraße sei dann einvernehmlich mit der Stadt beschlossen worden, so Lahmann. Auf die Kritik eines Bürgers, warum die Bürger nicht vorab transparent informiert worden seien, antwortete CDU-Vorsitzender Gerald Schroth, es habe sich um eine besondere Situation gehandelt. Als die Pläne festgestanden hätten, sei sofort informiert worden. Auch der Fraktionsvorsitzende der FDP im Stadtrat und in der Regionsversammlung, Bernhard Klockow, verwies auf den ungewöhnlich schnellen Entscheidungsprozess, es habe die nackte Not zum Bau von neuen Heimen bestanden. Der 1. Stadtrat, Georg Robra, erklärte, erste Gespräche mit der Region hätten Mitte Januar stattgefunden. Was die Stadt nicht gewollt habe, sei die Errichtung von dreistöckigen Gebäuden. Am 27. Januar sei über den Bebauungsplan gesprochen worden, woraufhin der Verwaltungsausschuss der Stadt den Bau Anfang Februar beschlossen habe. Robra informierte weiter, dass es sich dabei um mehrere Gebäudeteile mit Einzelmodulen handeln werde. Der gesamte Komplex werde in U-Form realisiert, der sich zur Straße hin öffnen und mit einem Gemeinschaftsbereich versehen werde. Robra betonte zudem, dass es sich bei der Integration der 328 Menschen um eine Aufgabe für Gesamt-Barsinghausen handele, Kirchdorf werde nicht alleine gelassen. Auf die Frage eines Bürgers, wann in Barsinghausen Schluss mit der Flüchtlingsaufnahme sei, antwortete SPD-Fraktionsvorsitzender Peter Messing, die Stadt könne keine Obergrenze festlegen, „wir müssen die jetzige Aufgabe lösen“. Die Kritik von CDU-Ratsherr Tilman Kuban, es könne doch durchaus Probleme mit dem Abfluss des Oberflächenwassers geben, konterte Lahmann: Der Bebauungsplan sei geprüft worden. Zur Not müsse halt ein Rückhaltebecken gebaut werden. Eine weitere Stimme aus dem Publikum appellierte: „Wir reden von Menschen, die aus Kriegsgebieten zu uns kommen. Alle Bürger sollten mithelfen bestehende Ängste abzubauen.“ Jan Pommering aus Bantorf berichtete derweil von den Erfahrungen in Bantorf. Anfangs seien auch dort rund 50 Prozent der Bevölkerung skeptisch wegen der Unterbringung von mehreren hundert Flüchtlingen gewesen. Inzwischen lebten dort rund 200 Zugezogene, aber Bantorf fühle sich keineswegs überfordert. Auch mit ortsteilübergreifender Solidarität sei das zu schaffen, riet er den Kirchdorfern. Wichtig sei die kulturelle Integration, so Pommering, der von einer tollen neuen Dorfgemeinschaft mit neuen Nachbarn und zahlreichen Aktivitäten in Bantorf berichtete. Ganz anders äußerte sich eine weitere Bürgerin. Muslime ließen sich nicht integrieren, sagte sie. Dieser plakativen Darstellung widersprachen postwendend mehrere Vertreterinnen vom Internationalen Frauentreff, die vor Jahren ebenfalls als Flüchtlinge nach Barsinghausen gekommen waren. „Wir leben hier, sind integriert und arbeiten hier.“ Jens Meier, Geschäftsführer vom ASB-Kreisverband, ergriff ebenfalls das Wort und betonte, es gehe darum, Massenobdachlosigkeit zu verhindern. Wenn 1,5 Millionen Menschen nach Deutschland kämen, gehe es in erster Linie um humanitäre Hilfe. Darin hat der ASB ausreichend Erfahrungen sammeln können, hat die Hilfsorganisation doch in Sumte eine Unterkunft für zeitweise 750 Menschen aufgebaut und betreibt diese seitdem. Auch als gebürtiger Kirchdorfer bekräftigte Meier: „Wir schaffen das.“ Auch die ansässigen Schulen am Spalterhals sehen dem geplanten Heim ohne Scheu entgegen. „Wir haben keine Angst vor Flüchtlingen, sondern vor dubiosen Zettelverteilern, die Schülern und Anwohnern Angst machen wollen“, sagte HAG-Leiterin Silvia Bethe. Für die Schulen bestehe ein klarer Bildungsauftrag für Demokratie und interkulturelle Offenheit, so Bethe. Auch die Leiterin der Lisa-Tetzner-Schule, Waltraud Korbjun, appellierte an die Bürger, zusammen mit den Vereinen, Kirchen und der Stadt Initiativen für Integration zu entwickeln. Nichts anderes machten derzeit die Schulen, die auf die Anforderungen reagierten und laufend neue Konzepte entwickelten, sagte sie. Deutliche Worte an die Adresse des reichlich sonderbaren Zeitgenossen, Hartmut Stoehr, fand die Schulelternratsvorsitzende der LTS und Vorsitzende der CDU-Barsinghausen, Jennifer Gäfke. Stoehr verunsichere mit seiner Flugblattaktion die Kinder, empörte sich Gäfke über den Inhalt der Papiere. „Unterlassen Sie die Belästigung unserer Kinder, Herr Stoehr“, forderte sie unmissverständlich. Stoehr gibt zwar in der Öffentlichkeit an, kein Mitglied der rechtspopulistischen AfD zu sein, war aber laut einem Foto bei der AfD-Gründung in Barsinghausen dabei und taucht auch sonst immer wieder mit dem örtlichen AfD-Vorsitzenden auf.
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