Historisch-Politisches Colloquium: Prof. Hans-Heinrich Nolte berichtet über die Duldung und Verfolgung von Juden vor 1933

BARSINGHAUSEN (hhn).

Über die äußere Geschichte der Juden bis 1933 berichtete Prof. Nolte dem Historisch-Politischen Colloquium. Er periodisierte die fast 2000 Jahre seit der ersten Nennung von Juden in Deutschland (371) in die Zeiten als die „Kammerknechte“ des Kaisers, den Antijudaismus der Kreuzzüge, die Bemühungen um Emanzipation, den Aufstieg von Juden in der Industrialisierung und den Antisemitismus und Rassismus, die auf diesen Aufstieg folgten. Er betonte, dass Juden früher für Deutschland belegt sind als eine die unterschiedlichen germanischen Stämme zusammenfassende deutsche Sprache und arbeitete die Verfolgungen in der Periode der Reformpäpste und der Kreuzzüge heraus. Im Westen Europas wurden dann im Spätmittelalter die jüdischen Gemeinden vertrieben – während die Duldung im Heiligen Römischen Reich nach Territorien unterschiedlich war – die Stadt Köln z.B. vertrieb sie, der Kurfürst duldete sie. Ihre Lebensbedingungen waren jedoch überall schlecht – sie mussten Schutzgebühren zahlen, waren aber von vielen Berufen ausgeschlossen und durften kein Land erwerben, also nicht als Bauern leben.

England und Frankreich waren im 18. Jahrhundert dann die ersten europäischen Staaten, in denen Juden rechtlich gleichgestellt wurden. In der Folge ihrer Emanzipation hat der Beitrag von Juden – keineswegs nur in der Wirtschaft, sondern in allen kulturellen und wissenschaftlichen Bereichen bis hin zur Quantenmechanik – die tiefgreifenden Veränderungen Europas und Deutschlands auf dem Weg zur Moderne mitbestimmt. Da die Mächtigen im Kampf gegen die Emanzipation allgemein aber den Antisemitismus und besonders seine rassistische Variante förderten, wurde mit der Vertreibung der Juden und ihrer Eliten aus Deutschland (von James Frank bis Lise Meitner) die Katastrophe eingeleitet, die schließlich zum deutschen Genozid an der jüdischen Bevölkerung Europas im 2. Weltkrieg führte.

In der Diskussion ging es um die Interpretationen von Thora und Bibel vor dem Beginn der Bibelforschung im 18. Jahrhundert, um verschiedene von Juden gesprochene Sprachen zwischen ladin, jiddisch, karaitisch und dem Persisch der Bergjuden im Kaukasus, um die Anlage der Mikwen (Waschhäuser) und dann doch wieder um das Verbrechen, aber auch die Irrationalität des Holocaust, in dem noch kurz vor dem Zusammenbruch der deutschen Fronten Juden aus Ungarn nach Auschwitz transportiert wurden. Was war der Anteil der mittelalterlichen Vertreibungen und der neuzeitlichen Pogrome auf dem Weg zu dieser Katastrophe? Die Diskussion geht weiter.