Historisch-Politisches Colloquium: Regionalhistoriker Carl-Hans Hauptmeyer ermutigt zu mehr Demokratie von unten

BARSINGHAUSEN (hhn).

Der bekannte Regionalhistoriker Carl-Hans Hauptmeyer– die zweite Auflage seiner „Geschichte Niedersachsens“ erscheint im Mai (bei Beck) – begann seinen Vortrag im Historisch-Politischen Colloquium mit der Überraschung, dass der Begriff Glokalisierung ziemlich ungenau ist und z.B. mal Kreislaufwirtschaft, mal lokale Anpassung an globale Trends bedeuten soll. Solche Ambiguität müsse jedoch toleriert werden, da eine „Vereindeutigung“ der Welt an deren Charakter vorbei zu gehen drohe. Unter diesen Bedingungen kommt es nicht so sehr auf präzise Definitionen des Globalen als vielmehr auf die Diskussionen und Aktivitäten jedes einzelnen in seinen jeweiligen lokalen Zusammenhängen an. Hauptmeyer plädierte dafür, Verfassungspatriotismus auch in den lokalen Verhältnissen und Demokratie von unten zu festigen. Aus Jeremy Rifkins neuem Buch „Zeitalter der Resilienz“ (bei Campus) skizzierte er dessen Konzept der „verteilten Demokratie“ , das durch partizipative Haushaltsplanung, Bürgerbeiräte oder kollektive Leitungen stärkere Beteiligung der Bürger an politischen Entscheidungen ermöglichen will.

In der Diskussion wurde auf entsprechende Beispiele zwischen Berlin und Porto Alegre verwiesen, allerdings ebenso auf die Gefahr (oder auch Chance), dass die durch das Los gewählten Bürger durch ihre Mitarbeit in diesen Räten zu Berufspolitikern werden und damit nicht nur die Distanz zu den Mitbürgern wieder erhöhen, sondern auch anderen das Engagement verleiden für ihr Thema, das eben zur Arbeit geworden ist. Geklagt wurde, dass es der regionalen Demokratie an Lautstärke fehle, wenn sie gegen das Unterhaltungsangebot, aber auch die Fake-News in den neuen Medien anzukommen versuche. Hinzu kommt grundsätzlich das Problem der Fristen – wer sichert die langen Zeiträume, die etwa das Projekt zur Renaturierung eines Moores erst sinnvoll werden lassen, wenn die Entscheidung durch eine Neubesetzung der „peers“ in dem jeweiligen Rat infrage gestellt wird? Auch kann der eigene intellektuelle Hochmut in einer Gesellschaft von „Ichs“ zur Gefährdung werden – wer will Bornierte aus ihrer Blase holen, wenn er weiß, dass die eben wirklich borniert und langweilig sind? Den Kritiken stellte Hauptmeyer sein Votum für eine Demokratie von unten entgegen –eine wichtige Ermutigung aller, ihre lokalen Beziehungen in demokratischer Mitbestimmung zu organisieren und die Einzugsbereiche stetig auszuweiten.