BARSINGHAUSEN (hhn).
Petra, Sinologin und Lehrerin an der IGS Schaumburg, und Dr. Thomas Nonnewitz, Tierarzt in Bad Nenndorf gaben am Mittwoch im Historisch-Politischen Colloquium in Barsinghausen mit vielen Bildern einen heiteren Einblick in Kultur und Gegenwart der Weltmacht China. Das Ehepaar hatte sich in den späten Achtzigern in Shanghai lieben gelernt – er als Verkäufer von leistungsstärkeren Viehsorten vom Huhn zum Bullen, sie als Studentin. Die Differenzen zwischen dem damaligen und jenem China, das sie bei ihrem letzten Besuch mehr als 40 Jahre später erlebten, ließen sich gut in Bilder fassen – die Straße zum Flughafen von Peking, auf dem damals noch Fahrräder fuhren, hat heute 16 Spuren für Autos; auf der anderen Seite des Stroms in Shanghai, die damals noch Sumpf war, steht heute ein Millionenstadtteil mit Hochhäusern; die Pandas, die damals hinter Eisenstangen in kleinen Käfigen hielt, haben heute komfortable Areale hinter Panzerglas. Gleich ist geblieben, dass die Züge pünktlich sind – nur dass sie heute bis zu 320 Stundenkilometer schnell fahren. Es gibt auch immer noch Charlies Bar, in der sich schon damals die „Langnasen“ in Peking trafen – damals allerdings mit aufgeregten VW-Managern, die sich um die Investitionen sorgten – heute ist VW eine der größten Automarken im Reich der Mitte.
Das war das Stichwort für seine Frau, die mit viel Engagement den Zuhörerinnen und Zuhörern einige Blicke in die chinesische Kultur ermöglichte. Das Piktogramm für China ist eben eine Fläche, die durch vier Striche im rechten Winkel zueinander angezeigt wird, mit einem Strich durch —- ja eben. Heute werden zwar kaum noch Piktogramme benutzt, sondern meist viel differenziertere „Semanto-Phonogramme“, aber der Unterschied zu Buchstabenschriften bleibt beachtlich. Auch der Unterschied in den Sprachen ist groß – während Babys, die in europäischen Sprachen aufwachsen, die unterschiedliche Tonalität in den Wörtern schnell verlieren, weil sie im Westen keine Rolle spielt, wird genau diese bei chinesischen Babys gefördert, weil die Sprache Tonalität zu Zentrum macht – dasselbe Wort kann je nach Tonlage etwas ganz anderes, wenn nicht das Gegenteil bedeuten.
Zur politischen Lage äußerte sich das Ehepaar nur vorsichtig, der Einschätzungs-Fehler vieler Osteuropaexperten in der russischen Ukrainepolitik ist noch zu nahe vor Augen. Es gab aber schon spannende Punkte – etwa, dass in China das größte Trauma die Angst vor dem Chaos ist, oder dass in der chinesischen Gesellschaft von den Familien angefangen die Gruppen eine viel größere Rolle spielen als im Westen. Ein überzeugendes Votum dafür, dass wir viel mehr Chinakompetenz in Deutschland brauchen. Frau Nonnewitz empfahl Daniel Leese, Shi Ming übers.: Chinesisches Denken der Gegenwart. Schlüsseltexte zu Politik und Gesellschaft, München 2023 (Beck) zum Weiterlesen.