ICE-Trassen: NABU begrüßt SPD-Beschluss zum Bahnstreckenausbau

REGION/BARSINGHAUSEN (red).

In der Diskussion um den Aus- oder Neubau der Bahnstrecken zwischen Bremen/Hamburg und Hannover (Alpha-E) sowie Hannover-Bielefeld haben sich die SPD-Landesgruppen Niedersachsen/Bremen und NRW wie berichtet gegen den Neubau der ICE-Strecken ausgesprochen. Beide SPD-Landesgruppen fordern, den Ausbau der Strecken voranzutreiben. Dr. Holger Buschmann, Vorsitzender des NABU Niedersachsen, kommentiert diese Positionierung: „Auch der NABU Niedersachsen lehnt einen Neubau der Strecken aufgrund seiner negativen Auswirkungen auf Natur und Landschaft ab, denn der trassenferne Neubau geht mit einem erheblich erhöhten Ressourcenverbrauch und CO2-Ausstoß einher, was wiederum den Klimaschutz konterkariert. Darüber hinaus würden durch einen Neubau weitere Zerschneidungen des norddeutschen Naturraumes drohen, wodurch erneut Lebensraum und wichtige Wanderwege für Tiere zerstört werden würden. Wir begrüßen daher den gemeinsamen Beschluss der SPD-Landesgruppen und stimmen den genannten Punkten im Positionspapier zu. Der Schienenausbau ist auch aus Sicht des NABU Niedersachsen sehr viel schneller, kostengünstiger sowie naturschonender umzusetzen als ein Neubau. Wir unterstützen die Verbesserung des Schienenverkehrs und auch den Ausbau, um den gestiegenen Anforderungen gerecht zu werden.“

Hintergrund: Seit 2015 ist eine mögliche Lösung des Schienenausbaus im Dreieck Bremen – Hamburg – Hannover auf dem Tisch. Das Dialogforum „Schiene Nord“ in Celle hatte unter Mitarbeit der Deutschen Bahn (DB) und anderer Akteure im Verkehrswesen einen Vorschlag unterbreitet, den der NABU, aber auch die betroffene Region durch die Vertretung vieler Bürgerinitiativen mitgetragen haben. Seitdem hatte die DB zu einer Vielzahl von „Dialogveranstaltungen“ eingeladen, die aber alles andere als ein Dialog auf Augenhöhe waren und zu einer nicht miteinander abgestimmten Lösung führten. Ein Gutachten zeigt, dass auch mit einem anderen Rhythmus und leicht differenzierten Knotenpunkten der Deutschlandtakt im Bahnverkehr als zum innerdeutschen Flugverkehr konkurrierendes Verkehrsmittel trassennah realisiert werden kann. Der Deutschlandtakt sei auch mit längeren Fahrzeiten von ca. 40 Minuten erreichbar und Energie verschlingende Zuggeschwindigkeiten von 300 km/h seien nicht nötig. Damit könne auch bei einem Ausbau der Bestandstrecke und einer verminderten Taktgeschwindigkeit die weitere Zerschneidung der Natur- und Kulturlandschaft mit allen daraus resultierenden Folgeerscheinungen verhindert werden. Einige der betroffenen Regionen in Niedersachsen wie der Landkreis Celle und auch aus dem Harburger Raum sowie Vertreter der letzten und der neuen Landesregierung haben sich schon in beeindruckender Einigkeit und Deutlichkeit für eine Trassenführung entlang der Bestandstrecke ausgesprochen.

Im Januar diesen Jahres hat das Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV) mit der Vorfestlegung einer Fahrzeit von höchstens 31 Minuten eine Vorentscheidung für eine ICE-Schnellbahntrasse Hannover-Bielefeld getroffen. Ein naturschonender und klimafreundlicher Ausbau der Bestandstrecke war damit faktisch vom Tisch. Die beteiligten Verbände hatten deshalb am 31. Januar 2023 das „Dialogforum“ der Bahn unter Protest verlassen. Diesen Schritt haben auch die Vertreter*innen der Bürgerinitiativen, der Landwirtschaft, mehrere Landräte, Bürgermeister und mehrere Bundestagsabgeordnete gemacht. Diese Vorentscheidung erfolgte zu einem Zeitpunkt, an dem mit dem Vergleich der verschiedenen Trassenvarianten erst begonnen wurde. Die erfolgte Vorfestlegung düpierte aus Sicht der Verbände die Beteiligten im Plenum, die sich seit über einem Jahr überwiegend ehrenamtlich in diesen Dialogprozess eingebracht hatten. Das Vorgehen ist vergleichbar mit dem von der Bahn einseitig aufgekündigten „Alpha-E-Kompromiss“ für den Ausbau der Bahnstrecke Hannover-Hamburg. Jahrelange Verhandlungsarbeit wurde damit zunichte gemacht. Durch die Vorfestlegung auf eine neu zu bauende „31-Minuten-Trasse“ haben Verkehrsministerium und Bahn einen enormen Vertrauensschaden bei den Beteiligten des Plenums erzeugt und sich als Verhandlungspartner diskreditiert. Naturschutzverbände wie der NABU Niedersachsen wollen sich weiter für einen klimafreundlichen und naturschonenden Bahnausbau und leistungsfähige Bahnnetze einsetzen und sind weiterhin an einem offenen und ehrlichen Dialog interessiert.

Foto: Helge May / NABU