„Ich rette die Welt auf fünfeinhalb Hektar“

Welche Chancen haben kooperative Lebens- und Arbeitsformen im Kapitalismus? – Mit den Autoren Annette Jensen und Patrick Schreiner wird im Forum für Politik und Kultur angeregt diskutiert

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Annette Jensen und Patrick Schreiner

BARSINGHAUSEN (ta). Auf die Suche nach Alternativen zur Wachstumsfalle begaben sich gestern Abend die rund 50 Teilnehmer bei einer interessanten Diskussions- und Informationsveranstaltung des Forums für Politik und Kultur. Zusammen mit der Berliner Publizistin, Annette Jensen („Glücksökonomie), und dem Politologen und DGB-Autor, Patrick Schreiner, wurden die Chancen von solidarischen und kooperativen Lebens- und Arbeitsformen erörtert. Dabei übte Schreiner scharfe Kritik an den bestehenden wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Bedingungen. Er forderte eine stärkere Regulierung der Finanz- und Arbeitsmärkte, denn der Neoliberalismus führe trotz bestehender Alternativen zur Verelendung. Durch die fortschreitende Entsolidarisierung, durch Marktkonformität und die bloße Betonung der Eigenverantwortung würden die Menschen zunehmend unter Druck gesetzt, so Schreiner. Wenn es gelingen solle, den Planeten lebenswert zu erhalten, sollten genossenschaftliche Ansätze wieder aufgegriffen werden. Auch mit dem Ziel, künftig gesundheitlich gefährdende Produktionen zu vermeiden, komme man um eine Konfrontation mit dem kapitalistischen System nicht herum, so der Gewerkschafter. Chancen für das Durchsetzen von kooperativen Arbeitsformen machte derweil Annette Jensen aus. Viele genossenschaftliche Projekte würden zwar kleinteilig beginnen, wucherten aber im zunehmenden Maß in den Kapitalismus hinein. „Wer teilt, hat mehr vom Leben“, betonte die Buchautorin von „Bruttosozialglück“ und „Glücksökonomie“. Jensen verneinte jeglichen Zusammenhang zwischen Wirtschaftswachstum und dem Glück und der Zufriedenheit der Menschen. Glücklich machten vielmehr das soziale Eingebundensein, sinnvolle Arbeit, Naturerlebnisse sowie das Vertrauen in die Institutionen, sagte Jensen. Hinter die Frage, ob eine direkte Konfrontation mit dem Kapitalismus von Erfolg gekrönt sein werde, setzte sie ein dickes Fragezeichen. Einen sehr viel praxisbezogeneren Ansatz in der ökologischen und kooperativen Landwirtschaft verfolgt derweil Barbara Gibas aus Leveste seit einigen Jahren. Zusammen mit ihren Mitstreitern betreibt sie dort das vegane Projekt „Wildwuchs“, mit dem sich die anteiligen Genossenschaftler nicht nur von den Marktpreisen abgekoppelt haben, sondern auch den Großteil der benötigten Lebensmittel selbst anbauen. Versorgt würden auf diesem Weg rund hundert Menschen. „Ich rette die Welt auf fünfeinhalb Hektar“, so Gibas. Umrahmt wurde die Veranstaltung von einer Auswahl von thematisch passenden Büchern, die Karin Dörner vom Bücherhaus zusammengestellt hatte.

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Barbara Gibas von „Wildwuchs“-Initiative in Leveste

IMG_6554Foto: ta