Internationaler Tag der Menschen mit Behinderung: Chancengleichheit und mehr Barrierefreiheit gefordert

SoVD und der Behinderten-Sportverband mahnen Handlungsbedarf an

REGION/NIEDERSACHSEN (red). Seit 1993 findet am 3. Dezember der internationale Tag der Menschen mit Behinderung statt. Damit sollen Politik und Gesellschaft auf die Situation der Betroffenen aufmerksam gemacht werden. Das ist auch nach 27 Jahren noch dringend nötig – findet der Sozialverband Deutschland (SoVD) in Niedersachsen. Denn gerade bei der schulischen Bildung, der Berufsausbildung und der Erwerbstätigkeit gibt es noch große Unterschiede zwischen Menschen mit und ohne Behinderung. Fast 800.000 Menschen in Niedersachsen haben eine Schwerbehinderung und damit einen Grad der Behinderung von über 50. Die Zahlen des niedersächsischen Landesamtes für Statistik zeigen dabei ganz deutlich: Die Betroffenen haben massive Nachteile. Menschen mit Behinderung finden seltener einen Job als Menschen ohne Behinderung. Außerdem sind sie dann meistens atypisch beschäftigt – das heißt, sie haben befristete Verträge, arbeiten Teilzeit oder sind über Zeitarbeit angestellt. Hinzukommt, dass Menschen mit Behinderung meistens auch einen niedrigeren Schul- oder Ausbildungsabschluss haben und besonders häufig arbeitslos sind. „Diese ganzen Faktoren sorgen dafür, dass Betroffene sozial schlechter gestellt sind als der Rest der Gesellschaft“, sagt Bernhard Sackarendt, Vorsitzender des SoVD-Landesverbandes Niedersachsen. Das hat vor allem finanzielle Auswirkungen: Sie tragen ein höheres Armutsrisiko als Menschen ohne Behinderung. „Wir zeigen immer wieder bestimmte Stellschrauben auf, an denen gedreht werden könnte, um diese Situation nachhaltig zu verbessern. Die Politik muss sich endlich bewegen“, fordert der SoVD-Chef. Unternehmen müssten unter anderem stärker dazu verpflichtet werden, Menschen mit Behinderung einzustellen. „Und diejenigen, die es nicht tun, sollten eine höhere Ausgleichsabgabe zahlen“, so Sackarendt. Besonders wichtig sei es außerdem, Menschen mit Behinderung bei der Arbeitsplatzsuche und am Arbeitsplatz besser zu begleiten. Hinzu komme, dass Deutschland sowieso bereits seit mehr als zehn Jahren aufgrund der UN-Behindertenrechtskonvention dazu verpflichtet sei, Menschen mit Behinderung das gleiche Recht auf Arbeit zu garantieren.

„Dieser Tag ist in unserer heutigen Gesellschaft noch immer notwendig. Denn Menschen mit Behinderungen sind nach wie vor viel zu oft von wirklicher Teilhabe und Mitbestimmung ausgeschlossen“, so Karl Finke, Präsident des Behinderten-Sportverbandes Niedersachsen (BSN), der aus diesem Anlass für die 57.000 Mitglieder zählende Organisation Bilanz zieht. – Bilanz eines Jahres, das für Menschen mit Behinderungen oftmals eine besonders schwere Prüfung darstellte. Zeigte sich doch pandemiebedingt, wie entscheidend barrierefreie Zugänge zu Informationen sind, sowohl für den persönlichen Alltag als auch für die Berufsausübung, speziell im Home-Office. „Auch zwölf Jahre nach Inkrafttreten der UN-Behindertenrechtskonvention“, so Finke, „offenbaren sich bei den digitalen Medien eklatante Lücken, was die Barrierefreiheit angeht.“ So könnten blinde und sehbehinderte Menschen und Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen nur einen Bruchteil der Angebote nutzen. „Das fängt bei schlechten Kontrasten an und hört bei fehlenden Audiodeskriptionen nicht auf.“ Und gemeinsam mit Peter Fiebiger, dem Präsidenten des Gehörlosen-Sportverbands Niedersachsen beklagt Finke auch, dass der Einsatz von Gebärdendolmetschern weitestgehend auf die öffentlich-rechtlichen Sender beschränkt ist. Auch nicht ausfüllbare Dokumente und nicht lesbare Downloads stellen unüberwindbare Probleme dar. Unter dem Strich sieht Karl Finke dringenden Handlungsbedarf: „Auch wenn es sich situativ besonders zeigt, auch über die Krise hinweg muss Kommunikation konsequent barrierefrei gestaltet werden: Gebärdensprache, Brailleschrift, leichte Sprache, digitale Barrierefreiheit sind Elemente, die gesetzlich festzuschreiben sind.“ Dies sind Forderungen, wie sie auch der aktuell verabschiedete Masterplan Inklusion enthält, den der Landessportbund Niedersachsen, der BSN, Special Olympics Niedersachsen und dem Gehörlosensportverband Niedersachsen gemeinsam erarbeitet haben.

Foto: SoVD