Jede Sekunde zählt: Erste Hilfe bei Badeunfällen

Trotz Corona schnell helfen

REGION (red). Menschen ertrinken in Freibädern, Seen oder im Meer. Dabei werden häufig die besonderen Gefahren im Wasser, wie starke Strömung oder eiskalte Wasserschichten, unterschätzt. Das ist besonders gefährlich an Badestellen ohne Badeaufsicht. Umgehend eingeleitete Erste-Hilfe-Maßnahmen können im Ernstfall Leben retten. „Bewusstlose, die normal atmen, werden in die stabile Seitenlage gebracht. Dabei wird der Kopf überstreckt und der Mund leicht geöffnet. Eine Hand unter der Wange sorgt dafür, dass der Nacken überstreckt bleibt. Dann die Atmung regelmäßig überprüfen“, sagt Kersten Enke, Leiter der Johanniter-Akademie Niedersachen/Bremen und Notfallsanitäter. „Wenn der Gerettete nicht oder nicht normal atmet, beispielsweise sehr langsam und schnappend, müssen Ersthelfer sofort mit der Wiederbelebung beginnen, bis der Rettungsdienst eintrifft.“

Keine Angst vor der Wiederbelebung: „Wir wollen alle Menschen ermutigen, die Wiederbelebung durchzuführen“, sagt Enke. „Dabei kann man nichts falsch machen. Nichts zu tun, ist für den Patienten viel gefährlicher, denn Sauerstoffmangel verursacht irreparable Hirnschäden.“ Dabei steht der Eigenschutz an erster Stelle. Natürlich besteht das Risiko, sich bei einer Hilfeleistung mit dem Corona-Virus (oder einer anderen Infektionserkrankung) anzustecken. Die kurze Zeit bis zum Eintreffen des Rettungsdienstes kann allerdings auch alleine durch die Herzdruckmassage überbrückt werden. Dabei wird das Gesicht des Betroffenen mit einem Tuch oder einem Kleidungsstück abgedeckt, um das Risiko einer Tröpfcheninfektion zu minimieren. Für eine Beatmung kann eine dem Eigenschutz dienende Beatmungshilfe genutzt werden, die beispielsweise in der betrieblichen Ersten Hilfe eingesetzt wird. Bei Menschen, die aus dem Wasser gerettet werden, besteht zusätzlich die Gefahr einer Unterkühlung. „Die gerettete Person sollte auf jeden Fall mit Handtüchern, Decken oder trockener Kleidung gewärmt werden – am besten zusätzlich mit einer Rettungsdecke aus dem Erste-Hilfe-Kasten im Auto“, rät Enke. Weitere Maßnahmen sind: Absichern der Unfallstelle und Absetzen des Notrufs unter 112 sowie die Aktivierung von weiteren Personen als Ersthelfer. Auch in Zeiten der Corona-Pandemie gilt: Unterlassene Hilfeleistung ist strafbar und einen Notruf abzusetzen, ist das Minimum, das im Notfall geschehen muss. Bei der Herz-Lungen-Wiederbelebung ist zu beachten, den Oberkörper des Betroffenen frei zu machen, beide Handballen übereinander in der Mitte des Brustkorbes anzusetzen und das Brustbein gut fünf Zentimeter tief Richtung Wirbelsäule zu drücken. Ob nun mit dem Lied ‚Staying Alive‘ oder aber ‚La Macarena’ im Ohr als Hilfestellung – wichtig bei der Herzdruckmassage ist im Rhythmus von 100 bis 120-mal pro Minute kräftig zu drücken. „Ist die Person dem Helfenden bekannt und kann die Ansteckungsgefahr durch Covid-19 gut eingeschätzt werden, kann neben der Herzdruckmassage auch die Beatmung durchgeführt werden. Nach 30 Druckmassagen folgen zwei Atemspenden. Dabei überstreckt der Helfer den Kopf des Betroffenen vorsichtig nach hinten und legt seinen geöffneten Mund über die Lippen des Bewusstlosen und beatmet diesen zwei Mal langsam, bis sich dessen Brustkorb leicht hebt und senkt. Danach folgen wieder 30 Herzdruckmassagen“, erläutert Enke. „Wer sich die Atemspende nicht zutraut, sollte wenigstens die Herzdruckmassage kontinuierlich durchführen: Auch das versorgt das Gehirn noch eine gewisse Zeit mit dem lebensnotwendigen Sauerstoff im Blut.“ Ein Großteil der Badeunfälle ist jedoch vermeidbar. „Mutproben wie Kopfsprünge in unbekannte Gewässer, zu viel Alkohol oder das Überschätzen der eigenen Kräfte führen häufig zu lebensgefährlichen Situationen im Wasser“, warnt Enke, besonders gefährdet seien Kleinkinder – für sie werde selbst ein Gartenteich oder ein Planschbecken zum Risiko, wenn sie dort unbeaufsichtigt gelassen werden. Die Deutsche Lebens-Rettungs-Gesellschaft (DLRG) hat in ihrer Jahresbilanz von 2019 die Einsatzzahlen vorgestellt. Fast 1000 Menschen seien in letzter Minute vor dem Tod bewahrt worden. Leichtsinn, Selbstüberschätzung oder Unkenntnis über die Gewässer hätten die häufigsten Ursachen für Badeunfälle dargestellt. In den Sommermonaten ertrinken pro Tag durchschnittlich zwei Menschen in Deutschland – im Jahr 2019 waren es insgesamt 410 Personen. Davon 51 in Niedersachsen und zwei Menschen in Bremen (Quelle: Statista).

Foto: Johanniter/Jan Dommel