Jubiläum: Familie Hennig leitet seit 50 Jahren das Wisentgehege

Joachim Hennig führte den Wildpark über 31 Jahre, sein Sohn Thomas seit 19 Jahren

Vater und Sohn im Wisentgehege: Joachim Hennig (links) und Thomas Hennig

SPRINGE (red). Es ist kaum zu glauben, aber wahr: Die Geschicke des Wisentgeheges in Springe liegen seit 50 Jahren in den Händen der Familie Hennig. Als Förster Joachim Hennig 1972 die Leitung übernahm, war er nicht nur für das Wisentgehege, sondern auch für die Revierförsterei Mühlenbrink zuständig. „Mein Mann musste sich also um zwei Betriebe gleichzeitig kümmern“, erinnert sich seine Ehefrau Irmgard Hennig. Zwar gab es bereits Wisente, Rotwild, Wildschweine, Uhus und Przewalskipferde, aber die Versorgung der Tiere übernahmen damals ehemalige Waldarbeiter. „Mein Mann war den Tieren mehr zugeneigt, als der Holzernte“, sagt Irmgard Hennig. Es war ihm eine Herzensangelegenheit Uhus, Wisente und Przewalskipferde vor dem Aussterben zu retten und sie auszuwildern. Mein Mann selbst nahm in die Urlaube nur Fachliteratur über Tiere mit um sich fortzubilden, berichtet sie. Während er sich um das Tierwohl kümmerte, oblag der Förstersfrau nicht nur die Erziehung der beiden Kinder Nana und Thomas, sondern auch die Betreuung der Jagdhunde sowie der Jagdgäste. Unter anderem begrüßte das Ehepaar Minister Hasselmann sowie Niedersachsens Ministerpräsident Albrecht im Wisentgehege wie auch in ihrem Haus. „Ich musste immer einen Vorrat an Dosenwurst, Gurken, Brot und Getränke für Überraschungsgäste im Forsthaus haben, erinnert sich Irmgard Hennig.

Anfang Mai 1983 wurden die beiden Reviere getrennt und Joachim Hennig wurde freigestellt, welches Revier er fortan übernehmen wollte. Er entschied sich für das Wisentgehege. „Mein Mann war kein Förster mehr, er war Exot im Forstbetrieb“, sagt Irmgard Hennig über ihren 2005 verstorbenen Gatten. Die Familie zog vom Forsthaus Mühlenbrink in das ehemalige Wegewärterhäuschen Eispfad schräg gegenüber vom Wisentgehege. Ein Fortschritt sei dann die Einstellung von den Tierpflegern Gerald Jenn und Nicola Gölzner zur Professionalisierung der Tierpflege im Jahr 1985 gewesen. In die Amtszeit von Joachim Hennig fällt die Mitgliedschaft des Wisentgeheges in verschiedene Erhaltungszuchtprogramme (EEPs), unter anderem Wisent, und die Mitgliedschaft im Deutschen Wildgehegeverband. Der Bau des ersten Restaurants, die Gründung der Gehegeschule, die Vergrößerung des Wisentgeheheges auf 95 ha und die Haltung von fast 150 Tierarten. 1992 wurde Joachim Hennigs Idee die Gründung eines Fördervereins umgesetzt. Mittlerweile hat der Verein „Freunde des Wisentgeheges und der Jagdschau rund 600 000 Euro in verschiedene Projekte des Wildparks investiert. Dem Verein gehören fast 2000 Mitglieder an.

Als Joachim Hennig 2003 in Pension ging, übernahm sein Sohn Thomas die Leitung des Wisentgeheges. Im Vorfeld habe man ihm keine Hoffnung auf diese Stelle gemacht, berichtet Thomas Hennig. Die Zeiten der Familiendynastien waren vorbei. Nach Forststudium in Göttingen und Anstellung in der Niedersächsischen Landesforstverwaltung habe er damals bereits sieben Jahre lang in der Bezirksregierung Hannover gearbeitet. Es gab drei Bewerber für diese Stelle. Er konnte das Auswahlverfahren für sich entscheiden. Ab September 2002 arbeitete ihn sein Vater in den neuen Aufgabenbereich ein. Einen Monat später wurde zum ersten Mal in der Geschichte des Wisentgeheges das Hubertusfest wegen eines heftigen Sturmes abgebrochen. „Mit mir ist es seither immer stürmischer geworden“, sagt der Wisentgehegeleiter mit einem Augenzwinkern. Das Thema der Sicherheit für Mensch und Tier ist zudem immer wichtiger geworden. Die Stürme und Orkane nehmen zu. Das weiß ich aber drei Tage vorher und kann das Wisentgehege für Besucher schließen. Viel mehr Respekt habe er vor den heftigen Sommergewittern, die überraschend nur in einem kleinen Bereich auftreten.

In den 19 Jahren seiner Amtszeit haben sich die Besucheransprüche vollständig verändert. Heute bist du ein Zoo von gestern, wenn Du nur Tiere zum Angucken hinstellst.“ Das habe bereits sein Vater erkannt, und den Falkenhof mit seinen Flugschauen ins Wisentgehege geholt. In meine Amtszeit fällt das Wolfsprojekt mit den handaufgezogenen Timber- und Polarwölfen. Die Besucher wollen Tiere mit Menschen erleben, mehr in den Lebensraum der Tiere eindringen. „An Stellen, wo man den Tieren gerecht wird, wie im Rotwild- und Muffelgehege sowie der Streichelwiese finde ich das auch ok“, sagt er. Aber ohne Zäune gehe es auch heute noch nicht – zur Sicherheit von Mensch und Tier. Es habe zudem im Zoo einen Systemwechsel zu mehr Familienfreundlichkeit gegeben: Im Wisentgehege habe es viele Jahrzehnte keinen Spielplatz gegeben. Erst 2005 wurde der erste gebaut. Mittlerweile gibt es vier Plätze auf denen sich Kinder austoben können. Erst im vergangenen Jahr wurden die beiden Spielplätze im Eingangsbereich vollständig erneuert. Dazu käme der Jahreskartenverkauf, der den Besuch des Wisentgeheges attraktiver macht. Junge Familien kämen damit oft nur zu einem Kurzbesuch – dafür aber viel öfter. Einen Quantensprung sei zudem die Einrichtung der Büroleiterstelle im Jahr 2012 gewesen. Dadurch haben sich die organisatorischen Abläufe total verändert. „Wir können jetzt mit dem Produkt Wisentgehege flexibler und schneller arbeiten.“ Auch der 2007 neu gebaute Shop mit einem großen thematisch angepassten Angebot werde von den Besuchern gelobt.

Großen Raum nehme immer noch die Zucht von gefährdeten Tierarten ein. Aber auch da habe es Veränderungen gegeben. Die Zeit der Auswilderung von Uhus sei dankenswerterweise vorbei. Der Bestand hat sich erholt. Das vom Aussterben bedrohte Mesopotamische Damwild wird nur noch gezeigt. Weiterhin ausgewildert werden Przewalskipferde. Und ob die Auswilderung der Wisente irgendwann aufhören kann, wisse er nicht. Bis dahin bleibt das Springer Wisentgehege aber das Zentrum der Wisentzucht in Deutschland. Anders als sein Vater, der keine Lieblingstierart hatte, sei der Wisent sein Lieblingstier seitdem er ein kleiner Junge war, sagt Thomas Hennig. Und auch einen Lieblingsplatz habe er im Wisentgehege gehabt. Bei seiner handaufgezogenen Elchkuh Silvia, die 2021 verstorben ist, habe er Ruhe finden und abschalten können. Dort sei er abends oft hingegangen und habe sich dort hingesetzt.

Foto: Hannes Hoffmann