Kloster Barsinghausen: Äbtissin Barbara Silbe geht in den Ruhestand

„Das Kloster bleibt mein Zuhause!“

BARSINGHAUSEN (red). Schwester Barbara, erzählen Sie doch bitte am Ende Ihrer Amtszeit, wie alles begann!
Sehr gern, denn der Blick zurück an den Anfang hat mich immer wieder ermutigt, in Bewegung zu bleiben und das Ziel nicht aus den Augen zu verlieren. Mitte der neunziger Jahre des letzten Jahrhunderts lag es dem damaligen Klosterkammer-Präsidenten Professor Dr. Axel Freiherr von Campenhausen am Herzen, das Kloster Barsinghausen neu mit geistlichem Leben zu füllen. Er machte sich auf die Suche nach einer evangelischen Frauengemeinschaft und fand sie in der Diakonischen Schwesternschaft Wolmirstedt, die 1954 bei Magdeburg gegründet wurde. Mehr als 40 Jahre lang stand für die Schwestern der Dienst an Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen mit geistigen und körperlichen Behinderungen im Vordergrund. Als der Kontakt zur Klosterkammer Hannover entstand, arbeitete ich als Heilpädagogin im Bodelschwingh-Haus in Wolmirstedt. Im August 1996 zogen die ersten fünf Schwestern im Kloster Barsinghausen ein. Die Kommunität Kloster Barsinghausen wurde gegründet. Im Jahr 1998 kam ich dazu. Ein Bibelwort aus dem Propheten Jeremia bestimmte von Anfang an unsere Ausrichtung: Suchet der Stadt Bestes, in die ich euch habe wegführen lassen und betet für sie zum Herrn.

Welchen Wandel hat das Kloster vollzogen seitdem Sie dort leben?
Mitte der neunziger Jahre lebten im Kloster drei Konventualinnen – Frauen, die nach der Klosterordnung leben – und verschiedene Mietparteien. Gemeinsam mit uns Schwestern ergab das eine „bunte Hausgemeinschaft“, die ich in sehr guter Erinnerung habe. Ab 1997 begann eine intensive Bautätigkeit. Im unteren Kreuzgang wurden ein Gebetsraum, eine Töpferei und eine Begegnungsstätte, die Klostergrotte, eingerichtet. Dadurch ergaben sich neben Führungen und Konzerten weitere Möglichkeiten das Kloster zu öffnen. Es wurde zu öffentlichen Gebetszeiten und Abendgottesdiensten eingeladen, zum Töpfern, zu Tanz als Gebet oder auch zum Kaffee in die Klostergrotte. Eine schöne Sache war auch das Projekt „Kinderkloster“ mit den Vorschulkindern des Kindergartens der Mariengemeinde Barsinghausen. Durch die Einrichtung von Gästewohnungen konnten Einzelgäste zur persönlichen Einkehr aufgenommen werden. In den Jahren 2003/04 wurde der Klostergarten neugestaltet. Das war und ist ein großer Gewinn, insbesondere für unsere Gäste und seit 2014 auch für die Teilnehmer und Teilnehmerinnen der „inspiratio“-Kurse hier im Kloster. „inspiratio“ ist der Name einer Einrichtung der Evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannovers in Zusammenarbeit mit der Evangelischen Kirche von Westfalen und der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau. Das Angebot von „inspiratio“ besteht aus einer sechswöchigen begleiteten Auszeit für Hauptamtliche der evangelischen Kirchen.

Was haben Sie als Kernaufgabe Ihres Äbtissin-Amtes gesehen?
Diese Frage hat mich besonders im Zugehen auf meine Einführung beschäftigt. An einer Quelle, die sich in der Nähe des Klosters befindet, wurde mir die Antwort geschenkt. Auf einem dort angebrachten Schild las ich „Quelle – Bitte sauber halten“. Diese wenigen Worte waren für mich in den folgenden 20 Jahren eine wichtige Richtschnur in Bezug auf meine eigene Lebensführung, auf das Zusammenleben im Konvent und auch für Entscheidungen, was im Kloster stattfinden soll beziehungsweise was für diesen speziellen Raum nicht geeignet ist.

Nichts ist stetiger als der Wandel. Gilt dies auch für das Klosterleben?
Ja, das gilt auch bei uns. Dieser Wandel ist immer wieder mit dem Weggang von Personen verbunden gewesen, die Schwerpunkte gesetzt und damit unsere Arbeit und das Zusammenleben geprägt haben. In den Jahren 2004 bis 2009 verließen drei Schwestern die Kommunität. 2011 ergaben sich neue Kontakte zu zwei Frauen, die sich für die Lebensform als Konventualin interessierten. Beide wurden in den Jahren 2013 bzw. 2014 in den Konvent aufgenommen. In dieser Zeit war das Kloster im wörtlichen und im übertragenen Sinn eine Baustelle: Im Konvent waren wir mit den neu hinzugekommenen Frauen, mit dem „Bau von Gemeinschaft“ befasst, und im Dachgeschoss setzte die Bauabteilung der Klosterkammer Hannover für den neuen Mieter, die Hannoversche Landeskirche, die ehemaligen Mietwohnungen instand.

Abgesehen von den handelnden Personen, welche Angebote im Kloster haben sich über die Jahre hinweg etabliert?
Da sind zuerst die Gebetszeiten zu nennen, um 8.00,12.00 und 18.00 Uhr und der Abendgottesdienst am Donnerstag. Etabliert hat sich auch die Möglichkeit, als Einzelgast ins Kloster zu kommen. Die von Calenberger Cultour & Co organisierten Konzerte finden großen Anklang, ebenso der Offene Klostertag und das Café im Kloster zum Stadtfest, das seit vielen Jahren von den Johannitern ausgerichtet wird. Einen festen Platz haben auch die Kloster und Klostergartenführungen, Heilig Abend für Alleinstehende und der Ostermorgengottesdienst mit dem anschließenden Frühstück im Konventssaal.

Sie hätten bis zu Ihrem 70. Lebensjahr als Äbtissin im Amt bleiben können, das besagt die Klosterordnung. Warum haben Sie sich für die reguläre Ruhestands-Regelung entschieden?
In den Jahren 2016 bis 2019 zogen zwei Schwestern um und die zwei Konventualinnen gaben ihre Klosterstelle zurück, sodass ich seit über einem Jahr Äbtissin ohne Konvent bin. Alle Bemühungen, neue Frauen für den Konvent zu gewinnen, führten nicht zum Erfolg. Auf den ersten Blick sieht das nach Scheitern aus. Jedoch auf den zweiten Blick wird deutlich, dass sich hier in den Jahren seit 1996 etwas sehr Kostbares entwickelt hat. „Die alte Quelle sprudelt“, so lautet der Titel der Broschüre, die 2018 zum 825. Klosterjubiläum herausgegeben wurde. Genau das ist passiert. Dieser alte Gebetsort lebt wieder. Jetzt braucht es eine jüngere Person und sie ist, Gott sei Dank, gefunden. Eine Frau, die mit frischen Kräften Nachwuchs für den Konvent gewinnen kann, sodass die „Quelle am Fließen bleibt“.

Ab 1.Dezember 2020 sind Sie also im Ruhestand. Wann wird Ihre Nachfolgerin eintreffen?
Sie beginnt ihren Dienst am 1.März 2021. Bis dahin wird es eine Vakanzzeit geben, die mit Unterstützung der Klosterkammer und dem Engagement verschiedener Personen überbrückt wird. Die inspiratio – Kurse finden wie geplant statt.

Und was machen Sie in der Zwischenzeit?
Es gibt noch eine Menge zu ordnen und zu räumen. Außerdem werde ich mir eine Auszeit  gönnen.

Wie wird Ihre künftige Rolle im Kloster aussehen?
Vor allem möchte ich da sein. Das Kloster Barsinghausen bleibt ja mein Zuhause. Natürlich werde ich die Gebetszeiten mittragen und mitgestalten und sicher auch Gäste während ihrer Einkehrzeit begleiten. Manches andere wird sich im Zusammenleben mit der neuen Äbtissin ergeben. Gerne werde ich sie unterstützen, soweit sie es wünscht und es mir möglich ist.

Wenn Sie zurückblicken auf mehr als 20 Jahre „ora et labora“ im Kloster Barsinghausen, was bleibt?
Über allem steht der Dank, dass ich die Chance hatte, an der spannenden und zugleich sehr herausfordernden „göttlichen Klosterrettungsaktion“ mitzuwirken, die sich in den zurückliegenden 25 Jahren in Barsinghausen ereignet hat.

Kloster Barsinghausen: Das Kloster Barsinghausen ist das älteste der fünf im ehemaligen Fürstentum Calenberg gelegenen Frauenklöster, die heute von der Klosterkammer Hannover verwaltet werden. Die Klosterkirche in Barsinghausen wurde erstmals 1193 urkundlich erwähnt. Das Kloster wurde als Doppelkloster für Mönche und Nonnen des Augustinerordens gegründet. Seit 1229 ist jedoch in den alten Urkunden nur noch von den Augustiner-Nonnen die Rede. Im Jahr 1543 wurde im Kloster die Reformation eingeführt. In der Folgezeit entwickelte es sich allmählich zum evangelischen Damenstift. Im Dreißigjährigen Krieg erlitt das Kloster schwere Schäden. Erst in den Jahren 1700 bis 1704 konnte es wiederaufgebaut werden. Damals entstand das Kloster, wie wir es heute sehen.

Klosterkammer Hannover: Die Klosterkammer ist eine öffentliche Einrichtung, die das Vermögen von vier öffentlich-rechtlichen Stiftungen verwaltet. Diese sind aus ehemals kirchlichem Vermögen entstanden. Aus den Erträgen unterhält die Klosterkammer mehr als 800 Gebäude, viele davon sind Baudenkmale, und rund 12.000 Kunstobjekte. Weitere Mittel aus den Erträgen in Höhe von rund drei Millionen Euro stellt sie pro Jahr für mehr als 200 kirchliche, soziale und bildungsbezogene Maßnahmen in ihrem Fördergebiet zur Verfügung. Darüber hinaus betreut und unterstützt die Klosterkammer fünfzehn heute noch belebte evangelische Frauenklöster und Damenstifte in Niedersachsen.

Fotos: Harald Koch