Kunst-Beete: Zwischen Heil- und Wildkraut

Eine Ausstellung lockt in den Edelhof Ricklingen

REGION HANNOVER (red).

Der Park des Rittergutes Edelhof in Ricklingen öffnet ab dem 5. Juli 2014 seine Pforten für ein besonders vitales Projekt: Acht Künstler und Künstlerinnen widmen sich dem Thema Gesundheit – passend zum diesjährigen Thema des Programms der Gartenregion Hannover „Grün macht fit“. In der weitläufigen Grünanlage sind bis zum 1. August 2014 ebenso vielfältige wie voneinander abgegrenzte „Kunst-Beete“ zu sehen und sogar zu hören. Installationen, Objekte, Skulpturen „zwischen Heilkraut und Wildkraut“. Beteiligt sind Edin Bajric, Natalie Deseke, Elena Glazunova, Marion Gülzow, Michaela Hanemann, Pablo Hirndorf, Antonia Jacobsen und Rolf Sextro. Kuratiert wurde die Freiluft-Ausstellung von Dagmar Brand mit Unterstützung der Region Hannover, dem Kulturbüro der Landeshauptstadt Hannover und der Stiftung Edelhof Ricklingen.

Kunst-Beet Pablo Hirndorf_Wildflower_Foto Florian Smit„Kunst gehört zu den schönen Dingen des Lebens, und die schönen Dinge des Lebens haben einen unmittelbaren Einfluss auf unser Wohlbefinden und unsere Gesundheit. Mit den ‚Kunst-Beeten“ wollten wir jedoch einen Schritt weiter gehen und zum Nachdenken über die eigene Gesundheit anregen“, erläutert Bilge Tutkunkardes, Leiterin des Teams Regionale Naherholung bei der Region Hannover, das Kunstprojekt. Wörtlich hat dies Elena Glazunova genommen: Auf dem grünen Gras des Parks hat die in Moskau geborene Künstlerin ein Buchstaben-Puzzle verteilt, dass – korrekt zusammengesetzt – „Gesundheit“ ergibt.Die Arbeit spiegelt den Streit zwischen Schulmedizin und Naturheilverfahren und konfrontiert den Betrachter mit einer quasi unlösbaren Aufgabe.

Kunst-Beet_Rolf SextroAls Scharlatan wird landläufig eine Person bezeichnet, die fälschlicherweise vorgibt, ein bestimmtes Wissen oder bestimmte Fähigkeiten zu besitzen. Ein ganzes Sammelsurium an „Scharlatanerie Waren“ hat der hannoversche Bildhauer Rolf Sextro unter einem Zeltdach versammelt: Flaschen, Pflanzen, Reagenzgläser und Tinkturen aller Art – dem Publikum präsentiert er einen Basar von Heilkräutern. Die zweite Arbeit, die Sextro im Park des Edelhofs zeigt, setzt auf den Mitmacheffekt: Titel „Baum umarmen“. Nach der Sheng-Fui-Lehre verschwinden bei dieser simplen Übung binnen weniger die Energieblockaden des Umarmenden, und das Chi beginnt zu strömen.

Unter Kennern gilt die Brenn­nes­sel als Köni­gin der Heil­pflan­zen. Alles an ihr ist wirk­stoff­reich und lässt sich ver­wer­ten: Sie ent­hält einen hohen Chlo­ro­phyll­ge­halt, viele Mine­ral­stoffe wie Kie­sel­säure, Kalium und Eisen. In den Brenn­haa­ren sind bio­gene Amine wie Hist­amin, Sero­to­nin und Cho­lin versteckt.  Sämt­li­che Bestand­teile der Pflanze sind gesund. Gute Gründe also, sich einmal so richtig in die Brennnesseln zu setzen, auch wenn es schmerzhaft ist. „burn baby burn“ hat Antonia Jacobsen folgerichtig ihr Kunst-Beet getauft. Durch einen schmalen Gang gelangt man zu einer Liege mitten im mannshohen Gesträuch: ein Ruhebett für den Naturgenuss.

Kunst-Beet_Michaela HanemannDem Löwenzahn wird eine harntreibende Wirkung nachgesagt, weswegen er auch als „Pissnelke“ bekannt ist. Sein schweizerdeutscher Name Söiblueme (Saublume) bringt hingegen zum Ausdruck, dass manche Landwirte die umtriebige Pflanze eher ungern in ihren Wiesen sehen. Vielleicht deshalb hat Edin Bajric auf eine tatsächliche Aussaat verzichtet und stattdessen ein Stück Wiese mit der charakteristischen Form des Löwenzahns überdeckt. Mit Hilfe der Sonne werden sich die Umrisse nun einbrennen.

Eine der Geschichten, die über den griechischen Gott Dionysos erzählt werden, ist dessen Begegnung mit der kretischen Prinzessin Ariadne. Die Tochter des Minos hatte dem jungen Athener Theseus geholfen, das Tierwesen Minotaurus zu töten und mit Hilfe eines Fadens wieder aus dem Labyrinth, wo sich das Ungeheuer aufgehalten hatte, herauszufinden; danach war sie mit Theseus geflohen, doch hatte dieser sie auf Naxos zurückgelassen. Naxos war die Lieblingsinsel des Dionysos, und dort fand er die klagende Ariadne vor, verliebte sich sofort und heiratete sie. Doch auch diese Ehe hatte ihren Alltag. In ihrem Kunst-Beet „Dionysos und Ariadne“ hat Natalie Deseke einen Audiotrack versteckt, der ein klärendes Streitgespräch zwischen dem Paar wiedergibt – in heiterer bis sinnlicher Form. Die Parkbesucher lösen über einen Bewegungsmelder den Dialog aus.

Pablo Hirndorf ist Künstler und Jäger. Aus den Fellen von selbst erlegtem Damwild hat er ganz besondere Blüten für sein Beet geformt: „Wildflowers“. Nicht weit davon ist ein künstlicher „Wald vor lauter Bäumen“ gewachsen. Michaela Hanemann hat eine Wiese mit 50 Plastiktannen aufgeforstet, die auch als Duftbäume fungieren. Mitten in diesem Hain können sich die Besucher auf einen Baumstumpf setzen und tief die ganze Künstlichkeit einatmen. Nur schön anzuschauen sind schließlich die „Knopfblütler“ von Marion Gülzow. Über 1200 Knöpfe hat die Künstlerin auf Draht gezogen und sie zu einem Rundbeet unter einem Baum angeordnet – eine Wohltat für die Augen der Betrachter.

 

Historie: Das Rittergut Edelhof Ricklingen

In Ricklingen soll das gleichnamige, im Calenberger Land reich begüterte Edelherrengeschlecht den Schwerpunkt seiner Besitzungen gehabt haben. Mechthild v. Ricklingen, mit der diese Familie ausstarb, vermachte ihr Eigentum Ende des 12. Jahrhunderts der Kirche zu Minden. In der Folgezeit wurde die Familie v. Alten mit Ländereien in Ricklingen belehnt. Diese bilden den Grundstock des auch heute noch der Calenberger Ritterschaft angehörenden – meist kurz „Edelhof“ genannten – Ritterguts Ricklingen. Die Gutsanlage hat durch den Zweiten Weltkrieg erhebliche Beschädigungen erlitten. Zwar konnte das Herrenhaus gerettet werden, das angrenzende Gebäude und ein großer Ochsenstall wurden 1943 aber durch Bomben zerstört. Die zum Gut gehörende Kapelle aus der Zeit um 1300 brannte ebenfalls aus. Nachdem diese bereits 1965 renoviert werden konnte, sah es der derzeitige Eigentümer Victor Jürgen v. der Osten nach seiner Besitzübernahme als eine vordringliche Aufgabe an, die alte Gebäudesubstanz unter Berücksichtigung der Belange des Denkmalschutzes zu retten. Die Renovierung der vorhandenen Bausubstanz wurde ergänzt durch Neubauten, die sich in Größe und Gestaltung der alten Struktur anpassen.

Um ihm wichtige Ziele, nämlich die Pflege erhaltenswerter Gebäude und Gartenanlagen, aber auch Maßnahmen in den Bereichen der Kunst und Kultur sowie der Kranken- und Altenpflege, nach Kräften zu unterstützen, hat der derzeitige Eigentümer im Jahre 1994 die „Stiftung Edelhof Ricklingen“ ins Leben gerufen. Aus Mitteln der Erträge des von ihm zur Verfügung gestellten Stiftungsvermögens, aber auch eingeworbener Spenden, werden kulturelle, soziale und mildtätige Maßnahmen gefördert, die in der Tradition ritterlicher Verpflichtungen zu sehen sind.

Der Park des Edelhofs Ricklingen befindet sich in Privatbesitz, er ist grundsätzlich nicht öffentlich zugänglich und kann nur an wenigen Terminen oder zu ausgewählten Veranstaltungen der Stiftung Edelhof Ricklingen wie der Ausstellung „Wasserkunst“ oder der „Oper auf dem Lande“ im Jahr erlebt und besichtigt werden. 

Kunst-Beete

Objekte, Skulpturen und Installationen

Termin: Samstag, 5. Juli bis Freitag, 1. August; die Eröffnung der Ausstellung findet am Samstag, 5. Juli, um 18 Uhr statt.

Öffnungszeiten: donnerstags bis samstags 16.00 bis 19.00 Uhr, sonntags 12.00

bis 17.00 Uhr. Führungen: 6., 13., 20. und 27. Juli, jeweils 12.00 Uhr

Ort: Parkanlage Rittergut Edelhof Ricklingen, Am Edelhofe 8, 30459 Hannover

Eintritt: frei

Veranstalter: Dagmar Brand in Kooperation mit der Gartenregion Hannover und der Stiftung Edelhof Ricklingen

Weitere Informationen über das Programm der Gartenregion:

www.gartenregion.de