„Man muss alles Erdenkliche tun, damit die Menschen nicht ersaufen“

Rupert Neudeck stellt sein neues Buch „Radikal leben“ und seinen Antrieb vor, sich immer wieder für Flüchtlinge einzusetzen

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V.li.: Pastor Friedhelm Feldkamp, Rupert Neudeck und Wilhelm Wortmann

BARSINGHAUSEN (ta). Auf Einladung des Bücherhauses am Thie gastierte gestern der bekannte Gründer des Hilfskomitees „Cap Anamur“, Aufbauhelfer und Autor, Dr. Rupert Neudeck, in der Petrusgemeinde am Langenäcker. Die Veranstaltung, die mehr als 200 Interessierte anlockte, stand natürlich noch ganz unter dem Eindruck der nicht abreißenden Flüchtlingskatastrophen im Mittelmeer. Hier stehe die Europäische Union ganz klar in der Verantwortung, sagte Neudeck, der 1979 das Hilfskomitee „Cap Anamur“ gründete und so über 11.000 Menschen im südchinesischen Meer das Leben rettete. 1983 lehnte er die Annahme des Bundesverdienstkreuzes ab, 2003 folgte dann die Gründung der Hilfsorganisation „Grünhelme“, die sich seitdem unter anderem bei Aufbauarbeiten in Syrien, Afghanistan, Ruanda, Palästina und Mauretanien engagiert hat. Daneben ist Neudeck dem Publikum von zahlreichen Fernsehauftritten und durch seine publizistischen Veröffentlichungen bestens bekannt. Auch in seinem neuesten Buch „Radikal leben“ stehen folgerichtig wieder Menschen im Mittelpunkt, die auch gegen bestehende Widerstände gegen Missstände ihr Leben riskieren. Neudeck fordert: Schluss mit Folter, Diskriminierung und Verschwendung, Schluss mit dem Glauben, der an der Wirklichkeit der Menschen vorbei geht. Zusammen mit den Moderatoren, Wilhelm Wortmann und Pastor Friedhelm Feldkamp, wurde gestern Abend der Versuch unternommen, sich dem Antrieb, dem Wirken und der schöpferischen Kraft dieses außergewöhnlichen Mannes zu nähern. Zur Initialzündung, die zur Gründung von „Cap Anamur“ geführt habe, sagte Neudeck: „Keiner wusste genau über das Vorhaben Bescheid. Ich wusste nur, dass man alles Erdenkliche tun muss, damit die Menschen nicht ersaufen.“ Wenn man Großes vorhabe, sollte man sich unter gar keinen Umständen von den Zuständigkeiten von Behörden fesseln lassen und gleichzeitig an Haltungen festhalten, die man nicht in der Schule lerne. „Es braucht Sturheit, um durchzuhalten“, so Neudeck, der sich einst den Vorwurf gefallen lassen musste, ein Schleuser zu sein. Es gehe darum, dass Abenteuer Menschlichkeit auch mit einer gehörigen Portion Lust an der List durchzusetzen. Voraussetzung für seine Initiativen sei aber stets das Glück einer freien Gesellschaft gewesen. Mit der Unterstützung des Literaturnobelpreisträgers, Heinrich Böll, und Dank eines Auftritts in einer Fernsehsendung von Franz Alt, seien damals die ersten nötigen Spenden zusammengekommen, um das Hilfsprojekt überhaupt starten zu können. Kraft habe ihm stets die eigene Familie gegeben, so Neudeck weiter, der betonte, dass die Zusammenarbeit mit jungen Menschen aus verschiedenen Ländern sehr gut funktioniere. Im Zentrum seiner Lebensphilosophie stehe die praktische Arbeit vor Ort. Um das zu erreichen, bedürfe es einer Radikalität des Denkens und Lebens, betonte Neudeck, der für seine Ausführungen langanhaltenden Beifall erntete.

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IMG_6927Foto: ta