Neujahrsempfang des NFV: Deutsche Frauen wollen bei der WM um den Titel mitspielen

Svenja Huth, Britta Carlson und NFVPräsident RalphUwe Schaffert gaben Rück und Ausblick

Das Foto zeigt (v.l.) Ralph-Uwe Schaffert, Britta Carlson, Svenja Huth und Inka Blumensaat.

BARSINGHAUSEN (red). In der kommenden Woche schließen sie sich wieder ein. So wie im Januar des vergangenen Jahres. Damals kamen Bundestrainerin Martina VossTecklenburg und ihr Trainerstab zu einem Workshop im Schwarzwald zusammen, wo sie ganz für sich waren, gemeinsam kochten und die Strategie festlegten, die bei der Europameisterschaft in England zu einem herausragenden Turnier führte. Wo es diesmal hingeht, verriet Britta Carlson nicht, hofft aber, dass die Wiederholung des TrainerWorkshops ein „gutes Omen“ für die Weltmeisterschaft in diesem Jahr in Australien und Neuseeland (20. Juli bis 20. August) ist. Die ehemalige NFVVerbandssportlehrerin (2012 bis 2013) und Europameisterin von 2005 wirkt seit 2018 im Trainerstab der deutschen FrauenNationalmannschaft und war zusammen mit Wolfsburgs Nationalspielerin Svenja Huth Stargast des traditionellen Krombachers Neujahrsempfangs des NFV, den der Verband nach einer „nicht vorhersehbaren medizinischen Katastrophe“ (Präsident RalphUwe Schaffert in seiner Begrüßungsansprache) erstmals nach 2020 wieder ausrichten konnte.

140 Gäste aus Sport, Wirtschaft und Politik kamen nach der zweijährigen coronabedingten Zwangspause im altehrwürdigen Zechensaal des Besucherbergwerks Barsinghausen zu einem Abend zusammen, der ganz im Zeichen des Frauenfußballs stand. In einer von Sportreporterin Inka Blumensaat geleiteten kurzweiligen Talkrunde standen Carslon, Huth und RalphUwe Schaffert, der die deutschen Frauen als Delegationsmitglied zur EM nach England begleitet hatte, Rede und Antwort. Gemeinsam warfen sie einen Blick zurück auf das vor einem guten halben Jahr auf der Insel ausgetragene Turnier und richteten den Blick ebenso nach vorn auf die WM in Down Under. „Der Frauenfußball hat zuletzt in Deutschland eine grandiose Entwicklung genommen“, würdigte RalphUwe Schaffert in seiner Begrüßungsansprache die ohne jeden Zweifel erkennbaren Fortschritte, die dieser Sport hierzulande genommen hat. Er erinnerte an die fast 18 Millionen Zuschauer, die das EMFinale zwischen England und Deutschland im Fernsehen verfolgt und damit für die TVRekordquote im vergangenen Jahr gesorgt hatten. „Unsere Frauen haben sich in die Herzen der Menschen gespielt. Wer hätte jemals gedacht, dass sie es sind, und nicht die Nationalmannschaft der Männer, die das Lagerfeuer bilden, hinter der sich die ganze Nation versammelt?“ Weiter stellte Schaffert heraus: „Fußball ist in, gerade deshalb, weil ihn Frauen spielen. Er macht Spaß, weil unschöne Begleiterscheinungen aus dem Männerfußball fehlen.“ Die Begeisterung um das Frauenteam stufte er als nachhaltig ein. Sie haben ein Feuer entfacht und lassen hoffen, dass die bevorstehende WM ein Fußballfest wird.“ Mit Blick auf die RekordZuschauerzahlen, die auch in der FLYERALARM FrauenBundesliga zu verzeichnen sind, gab Schaffert aber auch zu bedenken: „Die großen Klubs profitieren mehr vom gestiegenen Interesse. Zwischen Vereinen wie dem VfL Wolfsburg und dem SV Meppen liegen leider noch Welten.“

Zu den Klängen des Ohrwums „Cotton Eye Joe“ von Rednex feierten die deutschen Spielerinnen in England nach den Spielen ihre Erfolge in der Kabine. Und mit eben dieser Musik betraten dann auch die Protagonisten des Neujahrsempfangs die Bühne des Zechensaals. Britta Carlson erinnerte sich beim Rückblick auf die EM 2022 auch an das 2005 ebenfalls in England ausgetragene EMTurnier, als sie mit Deutschland den Titel gewann. „Wir wollten damals unbedingt für Tina siegen“, so die 44Jährige. Der Hintergrund: Die damalige Bundestrainerin Tina Theune übergab nach der EM ihr Amt an Silvia Neid. 17 Jahre später hat Carlson in England ein Turnier erlebt, bei dem die deutsche Auswahl „viele Menschen berühren konnte.“ Svenja Huth, die die deutsche Mannschaft vor wenigen Monaten als Spielführerin ins Finale von Wembley geführt hatte, hat sich im Nachgang einzelne Spielszenen, nicht aber das ganze Spiel noch einmal angeschaut. Sie sei in den letzten Wochen und Monaten oftmals gefragt worden, wie es sich denn angefühlt hätte, im Wembleystadion vor fast 90.000 Zuschauern gegen England zu spielen. „In diesem Moment kannst du das gar nicht realisieren, weil du so in der Anspannung und Fokussierung auf das Spiel bist. Das ist ein Prozess, der über Wochen und Monate geht.“ Bei aller Enttäuschung über das verlorene Endspiel hätte sie deshalb erst später registriert, dass die deutschen Frauen trotzdem Großartiges geleistet haben. „Wir sind als Verliererinnen vom Feld gegangen. Aber die Erinnerungen an dieses Spiel kann einem dennoch keiner mehr nehmen“, so die Spielerin des VfL Wolfsburg, die nur wenige Stunden nach dem Jahresempfang ihren 32. Geburtstag feierte. In den sozialen Medien hatte die deutsche Mannschaft nach dem 2:0Sieg im zweiten Spiel über Spanien laut Huth die Euphorie registriert, die sie in Deutschland entfacht hatte. Freimütig bekennt sie trotz FinalNiederlage: „Das macht uns stolz.“ „Wenn wir nicht selbst an uns glauben, wer dann?“ Mit dieser Einstellung sind die deutschen Frauen laut Huth in die zurückliegende EM gegangen. Für RalphUwe Schaffert „als Außenstehender“ war die deutsche Mannschaft zunächst „eine Wundertüte“. Aber bereits nach dem ersten Spiel (4:0Sieg gegen Dänemark; Anm. d. Red) sei er überzeugt gewesen: „Wir werden Europameister.“ Mit Joti Chatzialexiou, dem sportlichen Leiter Nationalmannschaften, hatte er in England auf den Ausgang der deutschen Spiele gewettet und bis zum Halbfinale jeweils exakt richtig getippt. Nach den Erfolgen über Dänemark und Spanien waren dies das 3:0 gegen Finnland und das 2:0 gegen Österreich „Als Teil der Mannschaft fiebert man mit und sehnt bei Führung das Ende herbei. Dabei verliert man fast so viele Kalorien, als würde man selbst spielen“, erinnerte er sich nicht zuletzt an den 2:1-Halbfinalerfolg gegen Frankreich. „Sie waren eine Bereicherung und gehörten mit dazu.“ – Mit Freude denkt Britta Carlson daran zurück, dass die damals gut zweieinhalb Jahre alten Zwillinge von Torfrau Almuth Schult die deutsche Mannschaft nach England begleiteten. Svenja Huth bestätigt: „Die beiden waren sehr entspannt und das Team hat ihre Anwesenheit sehr genossen.“

Ralph-Uwe Schaffert berichtete, dass die „Bundestrainerin eine militante Wizard-Spielerin“ sei, die bei dem Kartenspiel wie auch im richtigen Leben nur ungerne verlieren würde. Der Teamgeist, den die Mannschaft und das Team hinter den Kulissen ausgezeichnet hätte, sei beeindruckend gewesen. „Das war phantastisch zu erleben. Es herrschte allgemein gegenseitiges Vertrauen“, so der Hildesheimer. Das sieht auch Svenja Huth so, die bestätigt, dass auch im Mannschaftskreis zwischen erfahrenen und jüngeren Spielerinnen bestes Einvernehmen herrschte. „Wir konnten alle gegenseitig voneinander lernen.“ Hinsichtlich des Erfolgsgeheimnisses sagte Britta Calson: „Man kann nicht sagen, dies oder das ist der Erfolgsfaktor gewesen. Da spielten viele Faktoren eine Rolle.“ Zum Beispiel das vorherige Trainingslager auf dem Adidas-Campus in Herzogenaurach, „wo einfach alles passte“ oder die im Winter-Workshop vom Trainerteam festgelegten und klar definierten Aufgabenrollen. „Jede Spielerin wusste von Anfang an, das ist meine Position 1 und das ist gegebenenfalls meine Position 2. Auch haben wir den Spielerinnen ganz bewusst schon sehr früh mitgeteilt, auf welche Kernelf wir setzen.“ Dass Alexandra Popp aufgrund vieler Verletzungen in England erst ihr erstes EM-Turnier spielen konnte und dann mit sechs Toren in fünf Spielen überragend performte, haben ihr laut Britta Carslon „alle gegönnt“. Dass die Torjägerin im Finale dann erneut aufgrund einer Verletzung ausfiel, passte natürlich so gar nicht ins Konzept. „Es ist schon eine sehr schwere Situation, eine Popp ersetzen zu müssen“, so Carlson. Aber Svenja Huth weiß auch um die Stärken der deutschen Bank: „Alle sind wichtig, das war unser großer Erfolgsfaktor.“ „Ich wollte da immer schon mal hin.“ – Mit Blick auf die bevorstehende Weltmeisterschaft in Australien und Neuseeland freut sich Britta Carlson auf die bevorstehende Reise auf den fünften Kontinent, bei der sich eine DFB-Delegation mit den Gegebenheiten vor Ort vertraut machen will. Ähnlich „überragende Rahmenbedingungen“, die die deutschen Spielerinnen in der EM-Vorbereitung auf dem Home Ground von adidas in Herzogenaurach vorgefunden haben, möchte der DFB natürlich auch bei der WM gewährleistet wissen. Svenja Huth mag sich noch nicht allzu sehr mit dem Großereignis beschäftigen. „Die Gegenwart ist beim VfL Wolfsburg schon sehr vollgepackt“, so die Stürmerin, die bekanntlich mit den „Wölfinnen“ in der Champions League, der Bundesliga und dem DFB-Pokal noch auf drei Hochzeiten tanzt. Aber Huth verspricht: „Wille und Leidenschaft nehmen wir mit zur WM, diese DNA verlieren wir nicht. Wir wollen um den Titel mitspielen.“ Mit einer noblen Geste glänzten die sympathischen NFV-Gäste zum Abschluss der Talkrunde. Ihr Honorar in Höhe von jeweils 500 Euro spendeten sie an gemeinnützige Organisationen: Svenja Huth bedachte VETO (Tierschutz), Britta Carlson die Tafel in Bad Bramstedt und Inka Blumensaat die United Charity GmbH.

Fotos: NFV