Publizist Speit warnt vor der Strategie der neuen Rechten und der Radikalität der Corona-Protestler

Auf Einladung des Bündnisses „Barsinghausen ist bunt“ referierte gestern Andreas Speit zum Thema „Verqueres Denken“

Sybille Busse von Barsinghausen ist bunt begrüßt den Referenten Andreas Speit.

BARSINGHAUSEN (ta). Mit dem Auftreten der Proteste gegen die Corona-Maßnahmen haben sich bislang kaum beachtete und nicht für möglich gehaltene Allianzen gebildet, die aber nicht selten dem Aufruf von schon bekannten rechten Gruppierungen und Parteien auf die Straße folgen. Doch welche Bevölkerungsschichten und Milieus üben bei den sogenannten Spaziergängen da eigentlich den Schulterschluss und deklarieren sich obendrein in dreister Weise als Freiheitskämpfer? Unter der Überschrift „Verqueres Denken“ hatte das lokale Bündnis gegen Rechtsextremismus „Barsinghausen ist bunt“ zu einem Vortrag mit dem bekannten Publizisten, Andreas Speit, in die Kulturfabrik Krawatte eingeladen. Der renommierte Verfasser veröffentlicht in namhaften Zeitungen seit rund 30 Jahren seine Recherchen zum Rechtsextremismus in der Bundesrepublik. Bündnissprecherin Sybille Busse konnte neben dem Autor rund 30 interessierte Besucher begrüßen und wies darauf hin, dass die „Spaziergänger“ auch in Barsinghausen mit wirren und teilweise harten Redebeiträgen auf zumeist flachem Niveau aufgefallen seien. Die Zahl der Teilnehmer an diesen Kundgebungen sei zuletzt stark gesunken, auffällig sei aber immer noch, dass die Zuhörer und Mitläufer zu allem, was da verbreitet werde, klatschen würden.

Andreas Speit erläuterte anhand von Beispielen aus verschiedenen Städten, dass die Corona-Proteste äußerst heterogen seien, klar sei aber auch, dass sich dort häufig rechtsgesinnte Menschen träfen, die generell Front gegen das bestehende System machten. Aus diesem Spektrum heraus gebe vermehrt Übergriffe, Drohungen und es seien sogar Anschlagspläne bekannt geworden. Befeuert werde die lange unterschätzte Radikalität der „Spaziergänger“ durch die größte Krise seit dem 2. Weltkrieg, die Corona-Pandemie. Durch den Krieg in der Ukraine sei es zuletzt nicht selten zudem zu einer Solidarisierung mit dem russischen Präsidenten gekommen. Neben den einschlägig bekannten rechten Gruppen fänden sich auch Menschen aus dem Mittelstand, Russlanddeutsche, aber eben auch Personen aus einem eher alternativen und linken Milieu ein, die kein geschlossenes Weltbild hätten. Viele Menschen seien aber auch einfach nur genervt von den Corona-Maßnahmen und wollten als Egomanen nicht einsehen, dass das Impfen auch andere Menschen schützt. Zu beobachten seien auch eine latente Staatsfeindlichkeit und das Hineinsteigern in eine Widerstandstradition. Auf den Plakaten und in den Äußerungen komme es zu einer Verhöhnung von NS-Opfern und es offenbare sich eine Wissenschaftsfeindlichkeit gepaart mit Verschwörungstheorien und blankem Antisemitismus. Die neue Rechte versuche gezielt, Begriffe, wie Freiheit, mit neuen Inhalten zu besetzen, wobei allen rechten Konzepten nach wie vor gemein sei, dass sie antimodern seien. Eben dieses antimoderne Denken gebe es aber auch im alternativen Milieu. Nicht mehr so zentral und tonangebend wie bei vergangenen Protesten sei hingegen die Querdenker-Szene. Für besonderes Aufsehen habe der Mord an einer Tankstelle in Idar-Oberstein gesorgt, als sich ein Mann in seiner Haltung gegen die Corona-Maßnahmen bis hin zur Gewalttat gesteigert habe. Auch in diesem Fall hätten die sozialen Medien eine wichtige Rolle gespielt. Viele der beteiligten Menschen würden nach neuen Autoritäten suchen und würden dann bei den fragwürdigen Informationen und Horrormeldungen dieser Dienste stranden. Andreas Speit betonte in seinem Vortrag auch, dass 50% der nicht-geimpften Personen die AfD gewählt hätten. Die rechte Partei habe sich zunehmend an die Spitze der Proteste gegen die Corona-Politik gesetzt.

Foto: ta