Sterbehilfe: Argumente werden im Rahmen eines intensiven Dialogs ausgetauscht

Mehr als 100 Gäste verfolgten das Gespräch von Anne und Nikolaus Schneider in der Petruskirche

Viele Gästen verfolgten das Gespräch auf dem Podium: (von links) Superintendentin Antje Marklein, Nikolaus Schneider, Anne Schneider und Dr. Heinz-Jürgen Görtz.

BARSINGHAUSEN (red). Die Fragen rund um Sterbehilfe in Deutschland, was erlaubt ist und was erlaubt sein sollte, bewegt offenbar auch viele Menschen in Barsinghausen. Mehr als 100 Gäste verfolgten das Gespräch von Anne und Nikolaus Schneider in der Petruskirche am Montag, 25. November. Moderiert durch Heinz-Jürgen Görtz, katholischer Theologe und früherer Professor an der Universität Hannover, erinnerte das Ehepaar an eine Zeit, als beide öffentlich über ihre jeweilige Haltung zur aktiven Sterbehilfe diskutierten. Vor fünf Jahren erkrankte Anne Schneider an einer aggressiven Form des Brustkrebses. Ihr Mann war zu der Zeit Ratsvorsitzender der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD). Beide positionierten sich damals unterschiedlich – und begründeten ihre Entscheidungen auch jeweils aus ihrem christlichen Glauben. Sie hatte damals den Wunsch, als noch unklar war, ob die Behandlung Erfolg haben würde: „Wenn nichts mehr hilft, will ich in die Schweiz fahren, um dort Sterbehilfe zu erfahren“.

Er hätte sie in die Schweiz begleitet, aber lehnt eine gesetzlich geregelte Sterbehilfe ab. Über ihre Diskussionen entstand ein Buch („Vom Leben und Sterben“ – Eine Ehepaar diskutiert über Sterbehilfe, Tod und Ewigkeit, Neukirchner Verlag), aus dem sie zum Ende der Veranstaltung eine kurze Passage lasen. Verändert hätten sich beide Positionen auch in den letzten Jahren nicht, betonten sie. Schon vor ihrer Erkrankung diskutierten sie in der Öffentlichkeit, so beim Kirchentag in Hannover über die Erfahrung auch des Krebstodes ihrer jüngsten Tochter Meike. „Miteinander reden hilft. Es ist eine gewisse Form der Verarbeitung für uns beide. Aber wir sind nicht die Einzigen, es sind vielen, die auch betroffen sind“, betonte Nikolaus Schneider. 2014, vor der Krebsdiagnose seiner Frau, sollten bereits Fragen der Sterbehilfe von der EKD thematisiert werden, weil es gesellschaftspolitisch auf der Tagesordnung stand. Um seine Frau dann während der Erkrankung begleiten zu können, gab er sein Amt als EKD-Vorsitzender auf. „Der Staat soll das Leben grundsätzlich schützen und bewahren. Deshalb muss er Rahmenbedingungen schaffen, in dem auch das Sterben geschützt wird. Das heißt, es sind gute Bedingungen nötig, wie eine gut ausgestattete Palliativmedizin, gute Pflege und ein Wissen um den Umgang mit Sterbenden. Die Würde des Menschen steht an erster Stelle auch im Sterben“, machte Nikolaus Schneider deutlich. Deshalb dürfe der Staat auch keine Regelung treffen, wie Menschen getötet werden. In Ausnahmesituationen und in Barmherzigkeit gegenüber dem Sterbenden könne dessen Sterbenszeit verkürzt werden – ohne, dass anschließend die Ärzte Besuch von der Staatsanwaltschaft erhalten. Für Anne Schneider soll auch der Staat das Leben schützen, es dürfe aber keinen Zwang zu leben geben. In freier Entscheidung müsse ein Mensch seine Sterbensphase verkürzen können. Wichtig ist ihr eine Beratungspflicht von Sterbewilligen. Kein Arzt dürfe zur Sterbehilfe verpflichtet werden. Aber sie wolle, dass es eine rechtliche Freiheit der einzelnen Menschen gäbe, selbstbestimmt zu sterben. Einladen zur Diskussion hatten die „Initiative Ökumenische Gespräche“ in Kooperation mit der Calenberger Diakoniestiftung und dem ambulanten Hospizdienst „Aufgefangen“. Superintendentin Antje Marklein dankte dem Ehepaar Schneider für ihre Offenheit. Anstatt eines Honorars, auf das die Gäste verzichtet hatten, wurden am Ausgang Spenden zugunsten des Fuchsbaus im Ambulanten Hospizdienst und das zukünftige stationäre Hospiz in Barsinghausen gesammelt. Das Bücherhaus Am Thie begleitete die Veranstaltung mit einem Büchertisch zum Thema Tod und Sterben.

Text: S. Freitag; Fotos: J. Richter