Tierschutzverein arbeitet wegen der Ferienzeit am Limit

Im Tierheim können nur noch absolute Notfälle untergebracht werden

BARSINGHAUSEN (red). Urlaubszeit – Erholungszeit! Die Menschen genießen die schönsten Wochen des Jahres. Für die Mitarbeiter und ehrenamtlichen Helfer der Tierschutzvereins sind diese Wochen allerdings eine Zeit mit viel Arbeit und viel Tierschutzleid. Das Hotline-Telefon steht kaum still. Der 1. Vorsitzende, Ernst Wildhagen, berichtet über einige besondere Fälle:

1. Innerhalb von nur zwei Wochen werden 4 entflogene Wellensittiche gemeldet. Es ist mehr als ungewöhnlich, dass ausgerechnet zur Urlaubszeit „zufällig“ ein Fenster offen war. Keiner der Besitzer meldet sich. Das Einfangen der Tiere kostet viel Zeit und gelingt nicht immer sofort. Länger als 2-3 Tage können Wellensittiche in der freien Natur  nicht überleben. Unsere Mitarbeiterin Christina Briesenick, selbst Volgelliebhaberin, hat eine große Voliere, in der die Wellensittiche zusammen mit anderen Artgenossen untergebracht werden können.

2. In einem Garten werden zwei Fundkatzen gemeldet. Unsere ehrenamtliche Helferin Dorle Rump fährt hin und stellt fest, dass nicht nur zwei erwachsene Katzen dort herumlaufen, sondern auch drei Babykatzen. Obwohl es in Barsinghausen schon seit einigen Jahren eine Kennzeichnungs- und Kastrationspflicht gibt, waren es die Katzen nicht und so entstand auch der ungewollte Nachwuchs. Da der Hausbesitzer beim Einfangen nicht besonders kooperativ war, musste Frau Rump auf dem Nachbargrundstück Fallen aufstellen und darauf warten, dass dort die Katzen hineinlaufen. Erst nach mehreren Tagen und vielen vielen Stunden vor Ort gelang es ihr, alle Tiere einzufangen und ins Tierheim zu bringen. Alleine für die notwendigen Untersuchungen, Impfungen und das Kastrieren der Fundkatzen werden dem Verein ca. 2.000 € Kosten entstehen.
3. Nachts um 1 Uhr meldet ein Finder eine verletzte Fundkatze. Das Tier wurde offensichtlich angefahren. Es musste sofort in die Tierärztliche Hochschule gebracht werden. Dort wurde ein gebrochenes Bein diagnostiziert, das mit einer Stahlplatte stabilisiert wurde. Für die aufwändige Operation und Nachsorge werden Kosten von ca. 1.500 € anfallen. Das Katze Leona nicht springen darf und besondere Betreuung benötigt, erklärt sich unsere Ehrenamtliche Claudia Stünkel bereit, die Katze in Pflege zu nehmen.
4. Ein Hausbesitzer meldet eine Mieter, der offensichtlich viel zu viele Kaninchen unter tierschutzwidrigen Verhältnissen hält. Bei der Kontrolle finden Andrea und Ernst Wildhagen entsetzliche Zustände vor. Aus ursprünglich zwei Kaninchen sind durch ungewollte Vermehrung inzwischen 11 Tiere geworden. Die Tiere werden in einem völlig verdreckten und viel zu kleinen Käfig auf dem Flur vor der Wohnungstür gehalten. Alles ist voller Fliegen, Dreck und es stinkt. Ein Kaninchen hat ein gebrochenes Bein. Das bringen wir sofort zum Tierarzt. Der Bruch ist wohl schon mehr als 4 Wochen alt und das Tier kann nur noch erlöst werden. Über das Wochenende versorgen wir die restlichen Tiere täglich und am Montag hatten wir einen Termin vor Ort mit dem Veterinäramt. Alle Tiere werden beschlagnahmt und kommen ins Tierheim. Die drei weiblichen Kaninchen sind höchstwahrscheinlich schon wieder trächtig – also erwarten wir zu den 10 beschlagnahmten Tiere in Kürze noch weitere 15 bis 20 Jungtiere.
5. Ein Nachbar meldet eine laut schreiende Katze in der Nachbarwohnung. Gemeinsam mit der Polizei lässt Ernst Wildhagen die Wohnung öffnet und findet in der Wohnung eine maximal 10 Wochen alte Jungkatze, die jämmerlich weint. Da die Wohnung noch bewohnt zu sein scheint, vermuten wir, dass die Besitzer in den Urlaub gefahren sind und die Katze mit Wasser und Trockenfutter sich selbst überlassen haben. Bis heute haben sich die Besitzer noch nicht gemeldet.
6. Die Polizei meldet sich bei uns, um eine Inhaftierung zu vollstrecken. Der Hund, der sich bei der Person befindet, muss sehr kurzfristig sichergestellt werden. Ernst Wildagen ist schnell vor Ort und ist bereit, den Hund in das Tierheim in Pension zu übernehmen. Ob wir von dem Besitzer unsere Pensionskosten erstattet bekommen, ist mehr als fraglich, aber das Tierwohl steht bei Tierschützern immer an erster Stelle.
Die Liste könnte beliebig verlängert werden um Fundhunde, die uns morgens um 6 Uhr von der Polizei gemeldet werden, um verletzte Tauben, Bussarde und Enten, die abgeholt und ins Tierheim bzw. zur Wildtierstation nach Sachsenhagen gefahren werden müssen, um Hilferufe anderer Tierheim, die zu viele Babykatzen haben (die Tierheim sind gut vernetzt und helfen sich gegenseitig) und um sehr viele Besitzer (insbesondere Hundebesitzer) die ihr Tier aus den unterschiedlichsten Gründen (manchmal nachvollziehbar, z. B. Todesfall oder Pflegebedürftigkeit, aber häufig auch unüberlegte Anschaffung, z. B. in der Coronazeit) abgeben wollen. Viele sind auch nach der letzten Gebührenerhöhung der Tierärzte (20 bis 50%) einfach auch finanziell überfordert. Insgesamt haben wir jetzt über 60 Tiere im Tierheim, davon alleine 15 Babykatzen. Die Tierheime in Hannover und Burgdorf haben bereits einen Aufnahmestopp verhängt und auch wir können nur noch Fundtiere und absolute Notfälle aufnehmen.
Trotz all dem Leid, das uns bei unserer Arbeit begegnet, freuen wir uns doch über jedes Tier, das wir retten können. Und fast immer gelingt es uns, das Tier in gute Hände zu vermitteln. Stolz sind wir auch auf unsere sehr kompetenten und engagierten Mitarbeiter (mittlerweile drei 20-Std-Kräfte), Bundesfreiwillige (immer 2-3 gleichzeitig) und unsere mehr als 70 aktiven Ehrenamtlichen, ohne die das alles gar nicht zu bewältigen wäre. Wir haben ein tolles Team und freuen uns natürlich immer über Verstärkung. Melden Sie sich einfach unter info@tierschutzverein-barsinghausen.de oder informieren Sie sich auf www.tierschutzverein-barsinghausen.de. Dort finden Sie auch weitere Infos zu unseren Tieren. Ärgerlich ist, dass wir immer wieder mit den Kommunen und Behörden über die angemessene Vergütung unserer ausgezeichneten Dienstleistung diskutieren müssen. Denn in vielen Fällen übernehmen wir Aufgaben, die eigentlich in ihre Zuständigkeit fallen. Es ist beschämend, dass die Kommunen gerade bei denen, die sich ehrenamtlich engagieren und gemeinnützige Arbeit leisten, versuchen, möglichst „jede Mark“ zu sparen.
Fotos: privat