„Umsteuern nötig“: Frank Roth kritisiert die Arbeit der Barsinghäuser Naturschutzbeauftragten

BARSINGHAUSEN (red).

Frank Roth von der Ökostation

Frank Roth, Vorsitzender der Ökostation Deister-Vorland, teilt mit: Aspekte zum offiziellen Naturschutz: Die städtische Verwaltung kümmert sich um viele  Naturschutzaufgaben wie z.B. den Baumschutz (fast 20.000 Objekte) oder bei Planungsarbeiten. Es stehen bewährte Fachleute für den großen Umfang der Tätigkeiten zur Verfügung. Auch haben wir für Barsinghausen eine gewählte Naturschutzbeauftragte, sie steht als diplomierte Fachfrau und BUND-Mitglied nun in ihrer vierten Amtszeit von jeweils fünf Jahren mit einer monatlichen Aufwandsentschädigung. Aber bereits der Schutz der Amphibien wird zwar von der Verwaltung initiiert und von der BBI mitgetragen, aber ohne die freiwilligen Helfer aus der Bevölkerung würde diese Maßnahme scheitern. Hat die Naturschutzbeauftragte jemals mitgeholfen – in der Praxis oder beim Ansprechen von Leuten oder hat sie dazu z.B. eine Info-Veranstaltung organisiert? Offenbar sind die im Rat vertretenen Parteien mit ihrer Arbeit immer zufrieden gewesen, Tätigkeitsberichte aus den langen Jahren lassen sich leider nirgendwo finden. Innerhalb der Grünen wurde in 2020 eine Initiative zur Neubesetzung abgeblockt, von den anderen Parteien ist dergleichen nicht bekannt geworden. Damals aber gab es schon eine scharfe Auseinandersetzung wegen ihrer Untätigkeit und ihren teilweise. gegen den Naturschutz gerichteten persönlichen Ansichten (Befürwortung der Fällung der Buchen in Kirchdorf trotz gegenteiligem landespflegerischem Gutachten, Akzeptieren der Massentierhaltung in Groß Munzel.

Was aber sind die Aufgaben von Naturschutzbeauftragten? Auf der Seite der Region ist zu finden: „Die 26 ehrenamtlich tätigen Naturschutzbeauftragten sollen den Kontakt zwischen Bürgern und Naturschutzbehörde sicherstellen und das allgemeine Verständnis für die Aufgaben der Umweltbehörde fördern. Ihre Tätigkeiten umfassen die Besichtigung von Maßnahmen wie z.B. Bodenabbaustellen und Biotopen sowie Ortsbesichtigungen und Vorortgespräche mit Betroffenen. Sie übernehmen dabei die Aufklärungsarbeit vor Ort, Kartierungsarbeiten und Gewässerschauen und stimmen geplante Maßnahmen der Gemeinden, wie z. B. Biotopanlagen, Heckenpflanzungen mit der Naturschutzbehörde ab. Außerdem gibt es eine Vielzahl von praktischen Tätigkeiten wie das Beringen von Vögeln, das Umsetzen von Wespennestern, der Auf- und Abbau von Krötenschutzzäunen oder die Entfernung von Staustufen in Bächen. Um das Verständnis für den Naturschutz zu fördern, arbeiten sie mit Schulklassen und bieten Führungen und Vorträge an.“

Es schließen sich automatisch Fragen zu den Aktivitäten unserer Naturschutzbeauftragten an: An welchen Besichtigungen von Maßnahmen wie z.B. Bodenabbaustellen und Biotopen sowie Ortsbesichtigungen und Vorortgesprächen mit Betroffenen hat sie in den vergangenen Jahren teilgenommen? Welche Art von Aufklärungsarbeit vor Ort hat sie geleistet? Welche öffentlichen Stellungnahmen hat sie zu aktuellen Naturschutzfragen in Barsinghausen abgegeben? Welche Kartierungsarbeiten hat sie durchgeführt und an welchen Gewässerschauen hat sie teilgenommen? Welche geplanten Maßnahmen der Gemeinden, wie z.B. Biotopanlagen, Heckenpflanzungen stimmte sie mit der Naturschutzbehörde ab. Welche Zusammenarbeit mit der Stadtverwaltung ist nachweisbar? Welche Beratungen mit den Parteien hat es gegeben? Welche Eingaben hat sie in den Ausschüssen des Rats vorgelegt? Welche praktischen Tätigkeiten im Naturschutz hat sie durchgeführt? Wie oft hat sie mit Schulklassen Maßnahmen zum Naturschutz durchgeführt, sei es ganz praktisch oder mit Informationen im Unterricht? In der Bevölkerung bleiben Position, offizielle Aufgaben und die Person auch als Ansprechpartnerin praktisch unbekannt, weil sie öffentlich nicht agiert.

Bedeutung der lokalen Initiativen: Viele Aufgaben des Naturschutzes werden vom örtlichen NABU ehrenamtlich, uneigennützig und qualifiziert übernommen und der Bevölkerung vorgestellt. Auch Frau Owens meldet sich mehrfach im Laufe eines Jahres zu bestimmten Themen kritisch zu Wort. Für Politik und Verwaltung war das alles mehr als Recht, man kann sich darauf verlassen … Barsinghausen hat dadurch auch immer etwas vorzuzeigen. Bestes Beispiel dazu ist die bundesweit akzeptierte wunderbare NABU-Broschüre aus 2021 zu den Schottergärten: Bewegt hat sich aber in Barsinghausen trotzdem nichts – und das, obwohl die Gesetzeslage schon seit Jahren eindeutig Schottergärten verboten hatte. Aber weder die Ratsparteien noch die Verwaltung wollten sich offenbar mit den Eigenheimbesitzern anlegen, eine Rücksichtnahme zum Nachteil der Insektenvielfalt.

In Bewegung kommen: Erst jetzt tut sich langsam etwas, nachdem Hannover und andere Städte rigoros gegen diese Naturverstümmelung vorgegangen sind – mutig voran, wir folgen! Die Stadtverwaltung regt sich, aber von der offiziell Beauftragten gibt es auch hier keine Aktivität. Naturschutz ist keine unbedeutende Spielerei im politischen Nebenher: Das sechste globale Massensterben ist in vollem Gange, nicht nur im Tropenwald und in den Ozeanen, sondern auch bei uns im gemäßigten Klima – z.B. beim Rückgang der Insektenarten um bis zu 70%. Weiterhin werden z.B. Pestizide immer noch überall verwendet, der Landschaftsverbrauch erreicht jedes Jahr neue Rekorde  – die Natur leidet, wie Insekten, Lurche und Kröten, Vögel. Dann noch die Schottergärten und neuerdings der Waldfrevel durch Fahrrad-Trails – die Liste der Probleme nimmt einfach kein Ende. Und unter dem Diktat der Klimakatastrophe sind noch zusätzliche Probleme entstanden: So siedeln sich invasive Arten an, die heimische Arten verdrängen. Bereits 37 gebietsfremde Arten sind schon erfasst. Auch neue Infektions-Krankheiten bedrohen die Menschen. Wassermangel und Starkregen haben massive Folgen, Bäume sind besonders gefährdet….

Naturschutz neu gestalten. Allen Engagierten und auch der Naturschutzbeauftragten sollte es eine Ehre sein, für und mit der Bevölkerung gerade unter dem Aspekt des 6. globalen Massensterbens aktiv zu werden. Auch, weil viele Zeitgenossen offenbar kaum Anteil an diesen dringenden Fragen der Artenvielfalt haben. Gibt es zu wenig niedrigschwellige Angebote, die vielen Menschen eine Teilhabe an den aktuellen Erkenntnissen ermöglichen würden? Als lobenswerte Beispiele müssen die vom NABU mit Schulklassen durchgeführten Pflanzaktionen unbedingt erwähnt werden. Kinder und Eltern lernen durch solche Aktionen, dem Natur- und Klimaschutz positiv gegenüberzustehen: „Was ich nicht kenne, kann ich nicht schützen“ – lehrreich und vorzüglich gemacht ist auch die vom NABU begonnene Aufklärung über heimische Tierarten. Wollte man aber dem  Artenrückgang in unserer Kommune angemessen, d.h. massiv mit Maßnahmen entgegentreten, wäre in der Breite der Bevölkerung allerdings eine der Heizungsproblematik vergleichbare Entrüstung und auch heftiger Widerstand zu erwarten: Wenn, einmal angenommen, durch einen Ratsbeschluss der beliebte und vielfältig vorhandene Kirschlorbeer beseitigt werden müsste, nicht nur weil er giftig ist, sondern weil er als invasive Art keinen Nutzen für unsere Insekten und Vögel bietet und sogar heimische Pflanzen verdrängt – wie würden sich die Menschen empören und sich vielleicht dadurch sogar rechtsradikal mobilisieren lassen? Naturschutzaktivitäten dürfen nicht als Trostpflästerchen für Wissende fast im Geheimen stattfinden. Mal einen Blühstreifen hier und gelegentlich Anpflanzungen dort – alles schön, aber zur Analyse der Situation in Barsinghausen, zur nachhaltigen Information der Bevölkerung und zur kraftvollen Gestaltung von Maßnahmen benötigt es andere Anstrengungen – wie z.B. einen  mehrmals im Jahr durchgeführten „Runden Tisch Naturschutz“, an dem Verantwortliche und Betroffene, Engagierte und Interessierte sowie insbesondere jüngere Einsteiger regelmäßig gemeinsam Vorgehensweisen beraten. Beispielhaft wäre ein jetzt aktuelles Thema gewesen – die gerade an Schärfe zunehmende Diskussion um die Fahrrad-Trails im Deister: Private Interessen gegen das Allgemeingut Wald – Naturschutz gegen Sport? Das hätte ein Vorsorgethema eines „Runden Tisches Naturschutz“ bereits vor drei Jahren sein können, mit einem akzeptablen Kompromiss und nicht sich beständig verhärtenden Fronten. Wie also weiter? Zumindest kann die lokale Politik nicht einfach so wie bisher agieren und möglicherweise auch noch die 5. Amtszeit wegen guten Betragens vergeben. Ich schlage einen ersten „Runden Tisch Naturschutz“ für Mitte Januar vor. Interessierte und Engagierte sowie Anregungen für Themen und Arbeitsform und Terminvorschläge will ich gern sammeln und anfänglich koordinieren“, so Frank Roth.

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