Wenn die Zecke zusticht: Was nun?

NIEDERSACHSEN (red).

Foto: Frank Derer

Nicht immer ist das Anzapfen für den Wirt harmlos, können doch beim Zeckenstich neben Blut auch Krankheitserreger den Besitzer wechseln. Dieses Problem betrifft besonders Personen, die sich häufig in der freien Natur aufhalten. Wer kennt nicht als Mitbringsel vom Sommerspaziergang eine leicht juckende Körperstelle, an der sich bei genauerem Nachsehen eine Zecke findet? Nicht immer handelt sich dabei nur um einen lästigen Blutsauger: Einige der Tierchen hinterlassen nach ihrer Blutmahlzeit krankmachende Bakterien und Viren. Ihrer weiten Verbreitung wegen ist die Zecke namens Gemeiner Holzbock (Ixodes ricinus) wichtigster Krankheitsüberträger in Mitteleuropa. Ein Infektionsrisiko besteht vor allem für Menschen, die sich beruflich oder privat regelmäßig im Freien aufhalten, wie Landwirte und Forstbedienstete, Straßenbauer, Sportler, Biologen und nicht zuletzt auch Naturbeobachter und Naturschützer.

Vorkommen und Lebensweise der Zecken: In Deutschland kommen 19 Zeckenarten vor, die Säugetiere, Vögel, Reptilien, Haustiere und den Menschen befallen. Besonders Larven, Nymphen und „Erwachsene“ des Gemeinen Holzbocks parasitieren viele Wirbeltiere. Als Schildzecken besitzen sie einen Chitinschild, der den Rücken der Männchen völlig, beim Weibchen nur herzförmig bedeckt. Die Männchen sind bis 2,5 Millimeter groß, die Weibchen messen 3,5 und vollgesogen bis zu 12 Millimeter. In Deutschland muss man überall mit Zecken rechnen, vor allem der Gemeine Holzbock kommt von der Küste bis ins Gebirge vor. Ideale Lebensräume sind dichte, niedrige Kraut- und Strauchzonen, die feuchtes Kleinklima, Sonnen- und Windschutz sowie Warteplätze für die Zecken bieten. Wälder, Waldränder, Wiesen und Flussauen erfüllen diese Voraussetzungen am besten. Zecken brauchen hohe Luftfeuchtigkeit, um nicht auszutrocknen und Temperaturen über zehn Grad Celsius, um aktiv zu sein. Daher verbringen sie den Winter in einer Art Starre und beginnen an warmen Frühlings- und Sommertagen zu krabbeln. Ihre Hauptaktivitäten entfalten sie Anfang Juni und Mitte September, im Tageslauf vorwiegend vormittags und am frühen Abend. Milde Winter und feuchte Sommer fördern die Zeckendichte. Einige Wissenschaftler sehen das vermehrte Auftreten der Zecken im letzten Jahrzehnt als Folge des weltweiten Klimawandels.

An bis zu anderthalb Meter hohen Pflanzen lauern Zecken auf ein vorbeikommendes Säugetier. Ist dieses an Erschütterungen, Körperwärme, Atemluft und Schweißgeruch erkannt, lässt sich die Zecke abstreifen. Entgegen der weit verbreiteten Meinung stürzen sich Zecken nicht von Bäumen herab auf ihre Wirtstiere. Dann beginnt eine oft stundenlange Suche nach einer geeigneten Stelle, an der die Zecke schmerzlos zusticht (Zecken haben einen Stechapparat, sie können nicht beißen!). Je nach Entwicklungsstadium (Larve, Nymphe, Zecke) wird drei bis sieben Tage lang Blut gesaugt. Zur Häutung, Eiablage und Überwinterung suchen Zecken den Erdboden auf. Unsere Zecken sind ausnahmslos dreiwirtig, jedes Stadium muss also einmal Blut saugen. Und dabei können sie Krankheitserreger sowohl aufnehmen als auch weitergeben. Experten warnen, dass die beiden wichtigen Zecken-übertragenen Erkrankungen in den letzten Jahren kontinuierlich steigender Zahl auftreten.

Die Zecken-Borreliose: Mit geschätzten 60.000 bis 100.000 Erkrankungen pro Jahr in Deutschland (Bayerisches Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit) ist die Borreliose die häufigste von Zecken übertragene Krankheit. Erreger ist das erst 1982 entdeckte Bakterium Borrelia burgdorferi. Zur Entdeckung trugen Mütter aus dem Ort Lyme im US-Staat Connecticut bei – daher auch „Lyme-Borreliose“ –, deren Kinder gehäuft an Gelenksentzündungen litten. Die Borreliose kann sich mit vielfältigen Anzeichen bemerkbar machen, verschiedene Stadien durchlaufen und unerkannt einen chronischen Verlauf bis zu Erwerbsunfähigkeit und Dauerschäden nehmen. Borrelien-Bakterien kommen in Europa und Nordamerika vor, je nach Region in 15 und mehr Prozent der Zecken. Die schraubenförmigen Bakterien leben im Darm und den Speicheldrüsen der Zecken und können beim Stich über den Speichel weitergeben werden. Allerdings führt nicht jeder Stich einer infizierten Zecke auch zur Infektion des Gestochenen. In manchen Regionen liegt die Quote bei einem Viertel, es führt also jeder vierte Stich einer mit Borrelien infizierten Zecke zu einer Infektion. Im Frühstadium äußert sich die Borreliose neben grippeartigen Symptomen oft durch eine Rötung an der Einstichstelle: Ein bis drei Wochen nach dem manchmal unbemerkten Zeckenstich kommt es bei rund 60 Prozent der Betroffenen zu einer runden, mindestens handflächengroßen Hautrötung, die sich über Tage und Wochen noch ausbreiten kann. Dieses Symptom verdient als frühzeitiger Hinweis besondere Beachtung, denn ein Verschwinden der Rötung bedeutet keine Heilung! Ohne Behandlung kommt es nach Wochen bis Monaten im zweiten Stadium zu Entzündungen des Nervensystems und anderer Organe. Taubheitsgefühle, schmerzhafte Nervenentzündungen und Lähmungen im Gesicht, an Armen und Beinen treten auf. Unter frühzeitiger Behandlung gehen die Symptome meist vollständig zurück. Im Spätstadium finden sich noch nach Monaten wiederkehrende Gelenksentzündungen vor allem der Knie- und Sprunggelenke, die meist erfolgreich behandelbar sind. Verschleppte chronische Haut-, Hirn- und Hirnhautentzündungen können trotz Therapie Dauerschäden zeitigen. Da keine Impfung zur Verfügung steht, muss die Borreliose an ihren Symptomen erkannt werden – je früher, desto besser sind die Heilungschancen. Verdächtige Anzeichen sollten zum Arzt führen, denn nur die frühzeitige, gezielte und konsequente Behandlung mit Antibiotika kann chronische Verläufe verhindern. Ob es sich bei Spätsymptomen um die Folgen eines länger zurückliegenden Zeckenstiches handelt, kann mit Hilfe von Blutuntersuchungen geklärt werden. Eine einmalig durchgemachte Borreliose hinterlässt keine dauerhafte Immunität, man kann also danach erneut erkranken. Eine Schutzimpfung gegen Borrelien steht aus verschiedenen Gründen in Mitteleuropa derzeit für Hunde, nicht aber für den Menschen zur Verfügung.

Die Zecken-Enzephalitis (FSME): Eine Hirn- und Hirnhautentzündung nach Zeckenstichen tritt – wie der Name Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME) andeutet –, saisonal von April bis Juli, selten nochmals im September und Oktober auf. Mit 583 Fällen im Jahr (2018) ist die Erkrankung bei uns zwar selten, doch die Fallzahlen steigen. 2018 stammten laut Robert-Koch-Institut 47 Prozent der Erkrankungsfälle aus Baden-Württemberg, 40 Prozent aus Bayern. Erreger ist ein Virus, das je nach Ort sehr unterschiedlich viele Zecken tragen können. Stiche infizierter Zecken bleiben zu zwei Dritteln folgenlos, bei einem Drittel tritt nach einer Woche eine „Sommergrippe“ auf. Danach erleidet ein Teil der Erkrankten Entzündungen von Gehirn, Hirnhäuten und Nerven, die nicht immer folgenlos abheilen, zu 30 bis 40 Prozent Dauerschäden am Nervensystem zeitigen und in wenigen Prozent der Fälle zu Rollstuhlpflichtigkeit (drei Prozent) oder sogar zum Tode (ein bis zwei Prozent) führen. Eine ursächliche Behandlung der Zecken-Enzephalitis gibt es nicht. Aber der Körper bildet Abwehrstoffe gegen die Viren, so dass vorbeugend geimpft werden kann. Aufgrund der bislang in einer Region beobachteten Krankheitsfälle werden regelmäßig sogenannte Risiko- und Hochrisikogebiete für FSME definiert. Neben den „klassischen“ FSME-Gebieten in Süddeutschland und Osteuropa haben sich die Risikogebiete in den letzten Jahren kontinuierlich ausgeweitet und umfassen mittlerweile viele Gebiete auch in der Mitte und im Norden Deutschlands. Allen Menschen, die sich aus beruflichen oder privaten Gründen regelmäßig in solchen Gebieten in freier Natur aufhalten, wird ein Impfschutz entsprechend den offiziellen Impfempfehlungen empfohlen. Aktuell umfassen die FSME-Risikogebiete in Deutschland im wesentlichen Bayern und Baden-Württemberg, Südhessen, das südöstliche Thüringen und Teile Sachsens. Über das FSME-Risiko für eine bestimmte Region (Wohnort, Urlaubsziel et cetera) informieren Ärzte, Apotheker oder Pharmahersteller. Die FSME-Schutzimpfung umfasst drei Spritzen in die Oberarmmuskeln innerhalb von einem Jahr, dann ist man für mindestens drei Jahre gegen FSME geschützt. Bei einem Hersteller besteht nach zwei Teilimpfungen innerhalb von drei Wochen bereits ein Kurzzeitschutz für ein Jahr. Ob Auffrischungen auch noch später als nach den derzeit empfohlenen drei Jahren ausreichend sind, ist momentan Gegenstand intensiver wissenschaftlicher Diskussion. Lassen Sie sich im Zweifelsfall von Ihrem Arzt oder Reisemediziner beraten. Achtung: Die FSME-Impfung gewährt keinen Schutz vor einer Borreliose!

Foto: NABU/Michaela Steininger

Schutz vor Zeckenstichen: Um Gesundheitsprobleme zu vermeiden, sollte man sich vor Zecken schützen. Dazu gibt es eine Reihe von Empfehlungen: Zeckenbiotope mit Gräsern, Farnen und Büschen sollten im Sommer gemieden, Picknick oder Siesta besser nicht an Waldrändern und auf Wiesen gehalten werden. Die Bekleidung muss dicht schließen, also lange Ärmel und Hosenbeine, die in Socken oder Stiefeln stecken – in der Sommerhitze ein kein leicht befolgbarer, aber ein effektiver Rat. Während und nach einem Aufenthalt im Zeckenbiotop ist die wichtigste Maßnahme das Absuchen der Kleidung und des gesamten Körpers auf Zecken. Besonders ist auf die nur einen Millimeter großen, sehr infektiösen Nymphen zu achten. Erwachsene sollten auf Zecken an den Beinen, in der Leiste und Schambehaarung achten, denn Erwachsene streifen Zecken in der Regel beim Laufen von der niedrigen Vegetation ab. Bei Kindern können Zecken am ganzen Körper gefunden wurden, besonders ist auch auf die Kopfhaut im Bereich des Haaransatzes zu achten. Helle Kleidung hilft Zecken leichter zu entdecken, glatte Stoffe bieten den Tieren weniger Halt. Kleider können mit Reppelentien oder Pyrethroiden behandelt werden. Nackte, nicht bedeckbare Haut kann ebenfalls mit Repellentien behandelt werden, allerdings ist deren Wirkung begrenzt.

Zecke entdeckt – was tun? Zecken müssen bald entfernt werden, denn das Infektionsrisiko steigt mit der Saugdauer. FSME-Viren werden sofort nach dem Stich, Borrelien mit rund 12 bis 24 Stunden Verzögerung übertragen. Auf keinen Fall dürfen Erstickungsversuche mit Öl, Kleber, Wachs, Creme oder ähnlichem versucht werden: Bei dieser Prozedur gibt das Tier noch mehr infektiösen Speichel ab! Die Entfernung der Zecke erfolgt mit den Fingern oder einer einfachen Pinzette. Dazu wird das Tier dicht über der Einstichstelle gefasst, ohne es zu quetschen und dann unter leicht drehenden oder rüttelnden Bewegungen nach hinten-oben herausgezogen. Eventuell muss der Arzt den in der Haut verbliebenen Zeckenkopf entfernen, eine Infektionsgefahr geht von ihm aber nicht mehr aus. Zeckenzangen können problematisch sein, das sie die Zecken quetschen können. Neuerdings gibt es ein weiteres effektives Instrument zur Zeckenentfernung: die Save-Card. Dabei handelt es sich um eine Scheckkarte mit zwei ausgestanzten Schienen, mit der sich alle Zeckenstadien leicht fassen und entfernen lassen. Safecards sind in Apotheken und im Zoofachhandel erhältlich. Entfernte Zecken können auf Erreger untersucht werden. Dazu wird die Zecke mit einigen Grashalmen in ein Röhrchen gegeben und vom Arzt eingeschickt (Kosten vorher abklären). War das Tier mit Borrelien infiziert, ist eine frühzeitige Behandlung möglich.

Vorsicht bei Tierkontakten: Hunde, Katzen und andere Haustiere tragen verschiedene Zeckenarten, so dass sich das Absuchen auf ins Haus importierte Zecken empfiehlt. Bei Nest- und Nistkastenkontrollen oder Vogelberingungen trifft man oft auf nicht infektiöse Lederzecken. Aber auch bei Vögeln, Kleinsäugern (Igel, Schlafmäuse, Mäuse, Wiesel), Nutztieren, Haarwild und Eidechsen ist mit dem krankheitsübertragenden Hausbock zu rechnen.

Text: Stefan Bosch / Fotos: Frank Derer / NABU/Michaela Steininger