Wie aus Erster Hilfe die ganz große Liebe wurde

REGION (red).

Sie wollte zum Open-Air-Konzert auf die ExpoPlaza und hatte sich auf dem Weg eine Blase gelaufen. „Schnell zu den Sanitätern, dann feiern und tanzen“, das war Anne-Kathrins Plan am 16. Juni 2017. Doch in der Sanitätsstation wurde sie plötzlich blass und bekam nur schwer Luft. Rettungshelfer Thorsten Leder (39) konnte keinen messbaren Blutdruck ermitteln und rief den Notarzt. Auf dem Weg zum Rettungswagen brach Anne-Kathrin zusammen. Thorsten fing sie auf und trug sie zum Fahrzeug. Von dort aus ging es ins Krankenhaus. Ein paar Tage später die Diagnose: Epilepsie. „Ich konnte das erst gar nicht glauben“, sagt Anne-Kathrin (20) und hatte gleichzeitig das dringende Bedürfnis, ihrem Retter zu danken. Thorsten wurde ausfindig gemacht, er besuchte sie im Krankenhaus, sie telefonierten – immer mehr und immer länger. 2018 wurde ihr Jahr: Im Januar ein Paar, im Juni schwanger, im August hielt Thorsten während des Sanitätsdienstes auf dem Maschseefest um ihre Hand an, im November dann die Hochzeit. Anfang April 2019 kam Adrian auf die Welt. Was für ein Glück! „Ohne uns wäre es wohl schlimmer ausgegangen“, sagt Thorsten Leder im Rückblick. Wäre Anne-Kathrin inmitten der Menschenmenge kollabiert, wer hätte wohl geholfen? Laut einer repräsentativen Umfrage für die Asklepios-Kliniken (Toluna, 2017) wollen zwar die meisten Menschen helfen, Erste-Hilfe-Maßnahmen traut sich aber nur jeder Fünfte zu. Erste-Hilfe-Trainerin Jana Louis von den Johannitern kennt die Sorge, etwas falsch zu machen und deshalb lieber nichts zu tun, aus ihren Kursen zu Genüge: „Ich weiß es und ich traue es mir zu! Dieses Gefühl sollen die Menschen nach einer Schulung bei mir haben“, sagt die 43-Jährige. Denn eines sei doch klar, so Jana Louis: „Wenn ich im Notfall nichts tue, geht es dem Menschen garantiert nicht besser.“ Für die Rettungshelfer Anne-Kathrin und Thorsten Leder von den Johannitern im Ortsverband Wunstorf-Steinhuder Meer ist es keine Frage, dass sie im Notfall helfen. Nun haben sie sich entschieden, im Zuge der Einführung des neuen Konzeptes ihre Geschichte öffentlich zu machen. Anne-Kathrin Leder sagt: „Ich weiß noch gut, wie es sich anfühlt, plötzlich Hilfe zu benötigen. Ich möchte den Menschen die Angst davor nehmen, im Ernstfall tätig zu werden.“ Ihr Mann Thorsten ergänzt: „Jeder kann helfen. Den Rettungswagen rufen, den Patienten zudecken, mit ihm reden, ihm sagen: ‚Ich bin da.‘“ Füreinander da zu sein und sich zu helfen, das lebt die kleine Familie aus Wunstorf immer noch und täglich. Anne-Kathrin: „Es gibt Tage, da geht es mir nicht gut und ich bin sehr unruhig. Dann nimmt mein Mann das Kind und mich und wir gehen raus zum Spazieren.“ Auch eine Erste Hilfe.

Foto: Johanniter