Wie gehen eigentlich Wildtiere mit Stürmen und Unwetterereignissen um?

Naturschutzexperte Julian Heiermann von NABU gibt Auskunft

Foto: Helge May

DEUTSCHLAND (red). Die meisten Tiere suchen bei Unwettern geschützte Orte auf und sind weniger aktiv. Singvögel stellen beispielsweise den Gesang ein, Insekten und andere Krabbeltiere verstecken sich bei Sturm und Regen. Interessant ist das Verhalten von größeren Wildtieren, wie Reh oder Rothirsch. Die können oftmals nach einem Unwetter am Waldrand oder auf waldnahen Wiesen sehr gut beobachtet werden, nachdem diese in Dickungen vor starkem Regen Schutz gesucht haben.

Wo finden die Tiere Zuflucht? – Das ist ganz unterschiedlich: Manche Tiere, zum Beispiel Wildschweine, sind hart im Nehmen und fühlen sich bei Sauwetter richtig wohl. Singvögel fliegen ins dichte Geäst der Bäume oder Büsche und im Siedlungsbereich kann man schon mal Vögel beobachten, die sich in geschützte Gebäudenischen drängen. Höhlenbrüter unter den Singvögeln, wie etwa Blaumeise oder Kohlmeise, suchen gerne in Baumhöhlen oder künstlichen Nisthilfen Schutz vor schlechter Witterung. Insekten und Spinnentiere bevorzugen bei Regen die Blattunterseiten, suchen ebenfalls in dichterer Vegetation, Höhlen, Nischen oder unter Steinen Zuflucht. Sind diese Orte nicht erreichbar, gilt es, sich mit allen sechs oder acht Beinen gut festzuhalten, um nicht fortgeweht zu werden. Andererseits können Insekten und Spinnen aber auch durch Stürme profitieren, wenn sie weite Strecken durch die Luft getragen werden und dadurch neue Lebensräume erreichen.

Was tun Tiere, wenn durch das Unwetter ihr Nest oder Bau zerstört wird? – Ist das Nest oder das Quartier zerstört, dann wird nach dem Unwetter ein neues gebaut. Gehen Bruten verloren, legen Vögel meist eine Ersatzbrut an, um den Verlust auszugleichen.

Setzen zum Beispiel Zugvögel ihre Reise fort, wenn sie in ein Unwetter geraten? – Zugvögel reagieren tatsächlich auf Großwetterereignisse. Herrscht schlechtes Wetter und gar starker Gegenwind, dann kommt es durchaus auch zum Zugstau bei den Zugvögeln. In Extremfällen können schon mal einzelne, nicht bei uns heimische Vögel durch den starken Wind zu verdriftet werden. Das freut dann insbesondere Ornithologen, die die Chance oft nutzen, um die seltenen Gäste zu bestaunen.

Stimmt es, dass Tiere einen sechsten Sinn haben, wenn Ihnen ein Unwetter – das heißt Gefahr – droht? – Das wird Tieren immer mal wieder nachgesagt. Ich wüsste aber nicht, dass dies bisher wissenschaftlich bestätigt oder erforscht ist. Tiere dürften aber ein sehr viel feineres Gespür für Wetterumschwünge haben, als wir Menschen, die sich von der Natur ja leider sehr weit entfernt haben. Für Tiere kann diese Wettersensibilität überlebenswichtig sein, um frühzeitig geschützte Ort aufzusuchen.

Gibt es auch positive Folgen für die Tiere durch ein Unwetter? – Pflanzen profitieren durch den Sturm, wenn deren Samen sehr weit fortgetragen werden und dies zur Arterhaltung und Ausbreitung beiträgt. Die meisten Tiere dürften eher mit dem Sturm zu kämpfen haben und Vorteile erhalten dann zumindest die Tierarten, die von umgestürzten Bäumen oder Hangrutschungen profitieren. Dies wären beispielsweise Käferarten, deren Larven sich in absterbenden Bäumen oder Totholz entwickeln und Vogelarten wie EisvogelBienenfresser oder Uferschwalbe, die ihre Brutröhren in Steilhängen anlegen.

Was kann man tun, wenn man als Folge eines Unwetters ein verletztes Tier findet? – Verletzte Tiere sollte zuallererst von einem Tierarzt untersucht werden. Der Arzt sollte auch den Rat geben können, ob Wildtiere einer weiteren Pflege bedürfen. Dies kann man dann nach Anleitung und bei einfachen Fällen durchaus selbst durchführen oder man sucht sich Unterstützung oder eine Aufnahmemöglichkeit in einer Auffang- und Pflegestation. Sobald die Tiere fit genug sind, um in ihren Lebensräumen wieder eigenständig leben zu können, müssen diese in der Nähe des Fundortes freigelassen werden.

Foto: Helge May