Bei der Futtersuche mangelt es allerdings an Regenwürmern
REGION (red). Eine Bestandssteigerung um fast 18 Prozent hat Dr. Reinhard Löhmer, ehrenamtlicher Beauftragter für die Weißstorchbetreuung, in diesem Jahr ausgemacht. Waren im Vorjahr noch 73 Nester besetzt, so konnte sich der Experte diesjährig sogar über 89 Brutpaare in der Region Hannover freuen: „Der vor allem im letzten Jahrzehnt zu beobachtende Zuwachs ist schon erstaunlich!“ 2010 gab es lediglich 22 Paare,1988 war der Tiefststand mit nur neun Paaren. Von den 89 Paaren haben 66 erfolgreich gebrütet. Sie werden am Ende der Saison 147 Junge aufgezogen haben – zehn Junge weniger als im vergangenen Jahr. „Das Wetter hat in diesem Jahr einen besseren Bruterfolg verhindert. Durch fehlende Niederschläge im April und Mai fehlten die für die Aufzucht gerade der jungen Störche so wichtigen Regenwürmer“, erläutert Dr. Löhmer in seinem Jahresbericht.
Weißstörche in der Region Hannover im Jahre 2020: Zurzeit fallen Störche (Brut- und Jungvögel sowie Nichtbrüter) in der Region allenthalben auf. Vor allem im Grünland bei der Gras-/Heuwerbung sind Störche größerer Anzahl zu beobachten. Es kann jetzt bereits eine erste Bilanz zum Storchenjahr 2020 gezogen werden, auch wenn einige Nachzügler (Spätbrüter) erst im August ihre Nester verlassen werden.
Rückkehr der Störche und Hostbesetzung: Der milde Winter hat die in Spanien überwinternden Westzieher früher als sonst zum Aufbruch in die Brutgebiete veranlasst. Begünstigt durch die stürmischen Westwinde sind sie quasi mit Rückenwind in größerer Zahl schon ab Anfang Februar eingetroffen. Ende des Monats waren etwa 50 Prozent aller Brutvögel der Region auf ihren Nestern. Auch die Ostzieher sind artgemäß aus den afrikanischen Winterquartieren aufgebrochen. Die Ersten von ihnen tauchten Ende März bei uns auf, die Mehrzahl um Ostern Mitte April. Sie hatten auf dem Heimzug Probleme mit dem Wetter am Marmarameer und später auch in Bulgarien. Sie kamen daher leicht verspätet, aber in größerer Zahl zurück als sonst. Es gab nur noch wenige unbesetzte Nester. Folglich mussten sie um Nistplätze kämpfen. Einige Bruten wie in Luttmersen blieben dabei auf der Strecke! Nisthilfen z.B. in Eldagsen, Schulenburg oder Empede wurden erstmals besetzt. Mehre Störche bauten auch ohne menschliche Unterstützung neue Nester – in Bäumen (Kaltenweide), in Idensen auf dem Ausleger eines Baukrans, in Bokeloh auf dem Kamin eines Wohnhauses, auf einer Hoflampe in Isernhagen-HB oder auch auf dem Schornstein des Milchhofes in Isernhagen-NB. Diese Brutpaare zeigten einmal mehr, dass die Störche sich nach wie vor Nester ohne Hilfestellung des Menschen bauen können.
Brutsaison: Im Vergleich zum Vorjahr (73 besetzte Nester) gab es in diesem Jahr mit 89 Brutpaaren eine weitere ungewöhnlich hohe Bestandssteigerung um fast 18 Prozent. Der vor allem im letzten Jahrzehnt zu beobachtende Zuwachs ist schon erstaunlich. 2010 gab es lediglich 22 Paare. 1988 war der Tiefststand mit nur 9 Paaren. Auch die Zahl von 1934 mit 55 Paaren war deutlich niedriger ausgefallen. Die ersten Westzieher hatten schon sehr früh, zu Beginn der letzten April-Dekade, Junge. Diese sind dann ab Ende Juni ausgeflogen. Die übrigen Paare haben je nach Ankunft bis Mitte Mai mit der Brut begonnen. Ihre Jungen sind noch auf den Nestern. Von den 89 Paaren haben 66 erfolgreich gebrütet. Sie werden am Ende der Saison 147 Junge aufgezogen haben – zehn Junge weniger als im vergangenen Jahr. 23 Paare oder 25,8 Prozent aller Paare sind ohne Junge geblieben. (Unter ihnen waren die Brutpaare in Kolenfeld und Grasdorf, bei denen insgesamt sieben Junge ausgehorstet werden mussten, weil ein Elternteil verunglückt war) Das Wetter hat in diesem Jahr einen besseren Bruterfolg verhindert. Es gab allerdings keine Verluste durch Regen in Verbindung mit Temperaturen unter 10 Grad Celsius. Durch fehlende Niederschläge im April und Mai fehlten die für die Aufzucht gerade der jungen Störche so wichtigen Regenwürmer. Erst im Juni besserte sich die Situation durch das Auftreten von Großinsekten vor allem den Heuschrecken und auch wieder mehr Feldmäuse. Die insgesamt geringere Verfügbarkeit von Nahrung spiegelt sich in den Bruterfolgen der Paare wider: 12 zogen lediglich ein Junges auf, 30 nur zwei Junge. 21 Mal sind drei Junge ausgeflogen. Nur die Paare in Immensen, Steinhude (Mitte) und Hannover-Wülfel konnten vier Junge aufziehen. Ein solcher Bruterfolg weist auf Störungen hin. Normalerweise legt ein Brutpaar um vier Eier, die in Regel auch alle schlüpfen. Wie viele Junge letztendlich ausfliegen, entscheiden die Rahmenbedingungen der Saison aber auch die biologische Fitness (Bruterfahrung) der Eltern. In diesem Jahr verhinderte die Nahrungsknappheit einen besseren Bruterfolg. Mit einem Bruterfolg von 1,65 Junge pro alle Paare liegt das Ergebnis unter dem langjährigen Mittel von 1,8.
Ausblick: Die Ursachen für den anhaltenden „Boom“ im Bestand basieren vor allem auf Entwicklungen bei den Westziehern, denen inzwischen deutlich mehr als 60 % aller Brutvögel in der Region zuzuordnen sind. Durch die Überwinterung im spanischen Raum sind ihre Zugwege kürzer geworden. Dadurch hat sich die Zahl der Todesopfer verringert. Folglich kommen mehr westziehende Störche zurück. Auffällig ist weiterhin, dass immer mehr jüngere, zweijährige Störche schon zur Brut schreiten. Diese „Frühreife“ hat die Anzahl der Brutvögel ebenfalls erhöht und ist ein Beleg dafür, dass Biologie nicht statisch ist, dass es bei Arten immer wieder auch Veränderungen gibt. Schließlich ist weiterhin auffällig, dass die ganz jungen Jahrgänge, die früher in den ersten Lebensjahren im afrikanischen/mediterranen Raum verblieben sind, heute schon mit den älteren Brutstörchen ins Geburtsgebiet ziehen. Sie halten sich während der Brutzeit in Trupps bei uns auf, sind bei Aktivitäten der Landwirte (Feldbestellung, Mahd) sofort in größerer Anzahl zu sehen, stören mitunter die Brutpaare oder versuchen sich auch schon einmal als „Verlobungspaare“ mit Nestbau und Paarungsverhalten aber ohne Gelege (Beispiele: Burgwedel, Lohne, Schulenburg, Idensen/Baukran). Im Bereich der Leine von Laatzen bis hoch nach Neustadt gab es und gibt es immer noch solche Nichtbrüter-Trupps, zu denen sich jetzt auch die früh ausgeflogenen Jungstörche und ihre Eltern gesellen.
Foto: ta