Zum Thema „Wohnen als Grundrecht“ hat Hans-Joachim Tilgner einen Leserbrief geschrieben

HOHENBOSTEL (red).

Hans-Joachim Tilgner

„Wohnen wird das sozialpolitische Thema der Gegenwart und der nahen Zukunft sein. Auch die Ampel-Koalition wird nicht umhinkommen, sich damit zu beschäftigen und Entscheidungen zu treffen. Ist Wohnen ein Grundrecht? Das Recht auf Wohnen ist ein Menschenrecht, festgeschrieben ist es im Artikel 11 des internationalen Paktes über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte. Jeder Mensch hat ein Recht auf angemessenen Wohnraum. Es ist also im rechtlichen Sinn kein Grundrecht. Ist eine Wohnung ein Grundrecht? Im Artikel 13 des deutschen Grundgesetzes (GG) gewährleistet das Grundrecht der Unverletzlichkeit der Wohnung. Diese dient dem Schutz der räumlichen Privatsphäre vor Eingriffen von staatlicher Seite. Damit handelt es sich aber vorrangig um ein Freiheitsrecht. Jeder Mensch hat ein Recht auf angemessenen Wohnraum. Für viele Menschen ist es schwer, eine Wohnung in geeigneter Größe und Ausstattung zu finden. Hart trifft es Menschen in verletzlichen Lebenslagen, z.B. Suchtkranke, Wohnungslose und Menschen die staatliche Grundsicherung beziehen. Auch gehören hierzu alte Menschen und Behinderte. Fehlt eine geeignete Unterkunft sind auch andere Menschenrechte betroffen, z.B. Recht auf Gesundheit und Leben, Recht auf Teilhabe und das Recht auf Familie. Die Politik muss mit geeigneten Maßnahmen gegensteuern und dafür Sorge tragen. Hier ist das Grundrecht auf Wohnen – wahrscheinlich – die falsche Entscheidung.

Das Grundrecht auf Wohnen ist wieder im Gespräch. Einige Bundesländer haben ein Recht auf angemessenen Wohnraum bereits in der Landesverfassung geregelt, z.B. Berlin, Bayern, Bremen und Sachsen. Dadurch soll aber kein einklagbares Recht auf Wohnen entstehen, sondern lediglich eine Staatszielbestimmung in der Verfassung verankert werden. Das hat in der Art auch Niedersachsen im Art. 6A der Verfassung stehen, dass lediglich der Staat darauf hinwirken soll, dass jeder Mensch mit angemessenem Wohnraum versorgt wird. Ein Grundrecht auf Wohnen ist dies aber nicht. Die Linken-Fraktion im Bundestag hat jetzt ein Entwurf für ein Gesetz zu diesem Thema vorgelegt, dass es möglich machen soll, bezahlbaren Wohnraum einzuklagen und Zwangsräumungen ausschließen. Dies kann natürlich nicht das Ziel sein. Ein Grundrecht in der Verfassung kann so nicht gewollt sein. Für ausreichenden Wohnraum Sorge zu tragen, sollte als staatliche Fürsorgeverpflichtung in die Verfassung stehen. Dann müsste der Staat wirklich seine Aufgaben für Wohnraum erfüllen. Mit einer Eintragung auf ein Grundrecht zum Wohnen kann man den Staat nicht zum Handeln verpflichten. Mit der Verpflichtung „für ausreichend Wohnraum zu sorgen“, kann man den Staat zum Handeln zwingen. Die Forderungen zur Schaffung von zusätzlichen und bezahlbaren Wohnraum können sein:

  • Abschaffung der Grundsteuer für selbst genutztes Wohneigentum
  • steuerliche Berücksichtigung der Finanzierungskosten
  • Sonderprogramme für sozialen Wohnungsbau
  • sozial verträgliche Mieten, z.B. Berechtigungsscheine usw.
  • Eindämmung von Mietwucher
  • Förderung des Wohneigentums, z.B. Baukindergeld sowie weitere Maßnahmen
  • Erleichterung beim Erwerb und der Sicherung von Wohneigentum
  • Förderung von Wohnformen, z.B. altengerechtes Wohnen
  • Wohnraumanpassung
  • Wohntrends mit neuen Lebensformen

Ein Wohnrecht als Grundrecht im Grundgesetz kann hier nur hinderlich sein für die Schaffung von neuem Wohnraum. Die Nachteile können gravierend sein, z.B. keine Zwangsräumungen mehr, es werden Tür und Tor geöffnet für Enteignungen, Wohnzwangseinweisungen usw. Ein  weitaus größerer Nachteil wird sein, dass die Bautätigkeit eingeschränkt wird, weil sich die privaten Investoren zurückziehen. Fazit: Ein Grundrecht auf Wohnen im Grundgesetz könnte mehr Nachteile haben, wie ein Recht auf angemessenen Wohnraum in der Landesverfassung und sollte eine staatliche Fürsorgepflicht bleiben.“

Hans-Joachim Tilgner, Siedlergemeinschaft Hohenbostel

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