Jeder Schnitt muss gut überlegt sein

Großes Interesse am Baumschnittkurs

BARSINGHAUSEN (red). Trotz des regnerischen Wetters fand der Sommerschnittkurs des Deister- Obst- und Gartenbauvereins auch in diesem Jahr regen Zuspruch. Mehr als 20 interessierte Teil­nehmer hatten sich am 12. August im Garten von Elke Schneider eingefunden, um sich von dem Kursleiter Dr. Volker Zahn in die Ge­heimnisse des Baumschnittes einführen zu lassen. Nachdem der 1. Vorsitzende Thomas Glade alle Teilnehmer bei ihrem Eintreffen persönlich begrüßt und willkommen geheißen hatte, konnte der Kurs beginnen. Bevor es an die praktische Arbeit ging, stellte der Kursleiter wichtige Werk­zeuge vor, die man beim Baumschnitt benötigt. Er erklärte den aufmerksamen Zuhörern, wie man mit Astscheren, verstellbaren Bügelsägen und Gartenscheren sachgemäß umgeht, welche Be­sonderheiten man bei der Handhabung dieser Geräte beachten sollte und wie man sich vor Verletzungen beim Umgang mit den Schneidwerkzeugen schützen kann. Die Kurs­teil­nehmer lernten Bypass-Scheren und Amboss-Scheren kennen und erfuhren, für welche Schnitt­arbeiten sich diese Scherentypen eignen, wie man die Scheren pflegt und welche Gesichtspunkte man beim Kauf einer Schere beachten sollte.

Für die praktische Arbeit stand ein älterer, kräftig entwickelter Apfelbaum zur Verfügung. Der Kursleiter warf zunächst die Frage auf, was am Zustand dieses Baumes zu bemängeln sei. Die Teilnehmer stellten fest, dass die Baumkrone zu dicht gewachsen war und einige trockene Äste enthielt. Aus dieser Beobachtung ergab sich die praktische Auf­gabe, die Krone durch geeignete Schnittmaßnahmen zu lichten. „Wir dürfen nicht einfach drauflos schnei­den. Man sollte beim Baumschnitt beachten, dass das Gleichgewicht des Baumes nicht gestört wird und die Krone nach dem Schnitt noch einen ästhetischen Aufbau hat,“ so der Fachmann. „Gesunde Triebe mit einer günstigen Wuchsrichtung, die für den weiteren Ausbau der Krone in Betracht kommen, lässt man stehen,“ erklärte der Kursleiter. Wenn Triebe miteinander konkurrieren, ist zu überlegen, welcher Trieb erhalten bleiben soll. „Beim Baumschnitt richtet man seinen Blick auch auf die Entwicklungs­möglichkeiten des Baumes in den nächsten Jahren. Man wählt die einzelnen Schnittmaßnahmen danach aus, wie der Baum künftig aussehen soll,“ stellte der Kursleiter heraus. Ein wichtiges Ziel des Baumschnittes besteht darin, dass man den Ertrag des Baumes erhöhen und qualitätsmäßig ver­bessern möchte. Luft und Licht sind notwendig, damit sich gesunde Früchte entwickeln. Ein passender Schnitt kann bewirken, dass mehr Licht auf beschattete Früchte fällt. Zu dicht stehende, sich störende oder nach innen wachsende Triebe werden entfernt. Eine zu dichte Krone schadet auch der Gesundheit des gesamten Baumes, weil der Baum für Krankheits­erreger und Pilz­krank­heiten, zum Beispiel Mehltau, anfällig wird. „Gelegentlich sollte man von der Leiter herabsteigen und den Baum aus einer anderen Perspektive betrachten. Dann sieht man, an welchen Stellen noch Handlungsbedarf be­steht,“ empfahl der Fachmann. Auf motivierende und humorvolle Weise bezog Volker Zahn seine Zuhörer in die prakti­sche Arbeit mit ein. Er regte sie an, eigene Vorschläge über Schnittmaß­nahmen zu machen und diese zu begründen, bevor er den akzeptierten Vorschlag für alle sichtbar aus­führte. Gelegentlich stellte er auch mehrere Alternativen zur Diskussion. Ganz nebenbei vermittelte der Kursleiter wichtige Grundkenntnisse. Eine zentrale Rolle spielte dabei die Saftstrom­bewegung und das Prinzip der Saftstromumleitung. „Im Baum steigt der Saftstrom in einem sich verzweigenden Röhrensystem von unten nach oben; die Röh­ren werden nach oben hin immer enger. Schneidet man einen Trieb an einer willkürlichen Stelle ab, so entstehen an der Schnittstelle aufgrund des Saftdruckes besen­artige Aus­wüchse,“ erklärte Volker Zahn. „Wenn man den zu kürzenden Trieb dagegen kurz ober­halb eines jüngeren Seitentriebes abtrennt, so wird der Saftstrom in den jüngeren Seiten­trieb umgeleitet, und dieser wächst nun zu einem kräftigen Trieb heran. Durch diesen Trick kann man den Saftstrom von einem älteren Trieb, den man entfernen möchte, in einen jungen Seitentrieb umleiten. Diese Maßnahme trägt zugleich zur Verjüngung des Holzes bei.“ Die Teilnehmer erfuhren Wissenswertes über die Besonderheiten von Frühjahrsschnitt und Sommerschnitt, über den Einfluss der Baumunter­lagen auf das Wachstum der aufgesetzten Edelreiser, über Blütenknospen und Blattknospen, über die Alternanz. Die Alternanz ist ein hormonell bedingter, zyklischer Vorgang, der bei manchen Obstbäumen vorkommt: Nach einem Jahr mit einer übermäßigen Ernte folgt ein Jahr mit einem totalen Ernteausfall und die­sem wieder ein Jahr mit einer übermäßigen Ernte. Dieser Vorgang wiederholt sich fortgesetzt. Durch ge­eigne­te Schnittmaßnahmen kann man die Ernterträge in den einzelnen Jahren bis zu einem gewissen Grade ausgleichen. Volker Zahn gab eine Fülle von nützlichen Ratschlägen, zum Beispiel über das Entfernen von Wassertrieben, über das Absägen dicker Äste, das Schneiden von Außen nach Innen, die Behandlung von Schnittwunden und Verletzungen mit Baumwachs. Er machte auf häu­fige Schnittfehler und ihre Folgen aufmerksam, etwa das Stehenlassen von Aststummeln und das Abschneiden der Triebspitzen. Die Teilnehmer machten reichlich Gebrauch von der Möglichkeit, eigene Fragen zu stel­len. Mehrere Fragen bezogen sich auf das Schneiden von Süßkirschbäumen, Walnuss­bäumen und Feigenbäumen. Alle Fragen wurden kompetent und ausführlich beantwortet. Der Baumschnittkurs hatte wiederum großen Anklang bei den Teilnehmern gefunden.

Foto: privat