Stellungnahmen zur Abschwächung von EU-Umweltauflagen in der Landwirtschaft

Der NABU und das Landvolk Hannover kommen zu unterschiedlichen Schlussfolgerungen

REGION/NIEDERSACHSEN (red). NABU-Stellungnahme: Am 22. Juli entschied die Europäische Kommission, 2023 Ausnahmeregelungen für bestimmte agrarpolitische Vorschriften zuzulassen. Der NABU kritisiert die Überlegungen. Das Bestreben von Ministerin Otte-Kinast und weiteren Politikern, die Nahrungsproduktion zu sichern, ist selbstverständlich zu begrüßen. Doch ein Verzicht der Stilllegung von vier Prozent Ackerfläche sei der falsche Weg, warnt NABU-Vorsitzender Dr. Buschmann: „Wohl bemerkt sind in den vier Prozent auch schon bestehende Brachflächen integriert, die dann zusätzlich wegfallen würden und das Artensterben in der Feldflur noch mal anheizen. Schon jetzt erleben wir einen enormen Verlust von Feldvögeln und einen dramatischen Zusammenbruch der Insekten und Bodenlebewesen in unseren Ackerlandschaften. Brachflächen führen zur zwischenzeitlichen Gesundung der Böden, so würde der Verzicht einen höheren Schaden als Nutzen für die Gesellschaft bringen.“ Der NABU widerspricht zudem den Berechnungen des Landwirtschaftsministeriums, nachdem bei einem Verzicht auf die Stilllegung ein Getreideertrag von bis zu 420.000 Tonnen allein in Niedersachsen zu erwarten sei. Dieser Betrag ist deswegen bei weitem überschätzt, da es sich bei den wenigsten Brachflächen um landwirtschaftliche Gunststandorte handelt. Betriebe legen Brachflächen immer dort an, wo der Ertrag am geringsten ist. Zudem beständen deutlich effektivere Maßnahmen: So könne der Pflanzenanbau für Biosprit eingeschränkt werden. Auch die Tierhaltung sowie der damit verbundene Anbau von Futtermitteln für die Fleischproduktion müssten langfristig überdacht und reduziert werden. „Natur- und Klimaschutz sowie Ernährungssicherheit können nur gemeinsam gedacht und angegangen werden. Sie gegeneinander auszuspielen gefährdet langfristig nur unser aller Lebensgrundlagen“, betont Dr. Buschmann. Über die Umsetzung der möglichen Lockerungen entscheiden die einzelnen Länder. Der NABU Niedersachsen appelliert daher an Ministerin Otte-Kinast und die weiteren Landwirtschaftsministerien der Länder, sich am 28. Juli auf dem geplanten Sondertreffen für nachhaltigere Schritte zu entscheiden. „Wir müssen dringend weiter an einer Ökologisierung festhalten, da ansonsten ein Kollaps der Ökosysteme droht und in deren Folge bei gleichzeitig massiv steigenden Energiepreisen und einer Verknappung der Düngemittel auch unsere eigene Versorgung künftig infrage gestellt ist.“ Dr. Buschmann weiter: „Kurzfristige Produktionssteigerungen auf Kosten der Umwelt bedeuten mittel- bis langfristig deutlich weniger Nahrungsmittel. Dies wäre ein sehr gefährlicher Weg in eine Sackgasse.“

Stellungnahme vom Landvolk Hannover: Der Vorschlag der EU-Kommission, dass die Verpflichtung, 4% der Ackerfläche stillzulegen, verschoben wird, wird vom Landvolk Hannover unterstützt. Der Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine hat zu einer dramatischen Verknappung von Getreide auf den Weltmärkten geführt. Diese kriegsbedingte Verknappung auf den Märkten hat zu stark steigenden Getreidepreisen geführt. Das Landvolk Hannover beurteilt die Entscheidung der EU-Kommission, die vierprozentige Stilllegung der Ackerflächen auszusetzen, als die einzig richtige Entscheidung und eine notwendige gesellschaftliche Verpflichtung, um dem Hunger in der Welt entgegenzuwirken. Die Gewährleistung der Ernährungssicherung muss politischen Vorrang vor der Parteipolitik haben. Während in der Ukraine massenhaft Äcker wegen des Kriegs brachliegen, muss es in dieser außergewöhnlichen Situation möglich sein, fruchtbare Ackerböden in Deutschland zur Erzeugung von Brotgetreide zu nutzen.

Arnd von Hugo, stellvertretender Vorsitzender des Landvolk Hannovers aus Groß Munzel, meint hierzu: „In diesen besonderen Zeiten haben alle gesellschaftlichen Gruppen die Verpflichtung, alles Notwendige zu unternehmen, damit Putins Angriffskrieg nicht noch mehr Konflikte oder Unruhe in der Welt verursacht. Insofern begrüßen wir ausdrücklich die Entscheidung der EU-Kommission, die vierprozentige Flächenstilllegung auszusetzen. Es kann nicht sein, dass wir uns der Verantwortung für die Weltgemeinschaft entziehen und woanders ein Vielfaches an ertragsschwächeren Flächen in Bewirtschaftung genommen werden. Umweltschutz und Biodiversität sind eine weltweite Herausforderung. Insofern benötigen wir in diesen Krisenzeiten alle unsere Hochertragsstandorte in der Region Hannover zur Getreideerzeugung, um sowohl die deutsche Bevölkerung als auch die Weltbevölkerung ausreichend mit Nahrungsmitteln versorgen zu können. Gleichzeitig sehen wir uns aber auch in der Pflicht, Maßnahmen zur Steigerung der Artenvielfalt und Biodiversität durchzuführen. Dies geschieht aber auch schon seit Jahren sehr erfolgreich. Wir erwarten von der Bundesregierung, und vor allem vom Bundeslandwirtschaftsminister, die Entscheidung der Kommission zügig anzunehmen und umzusetzen, damit die Landwirte Planungssicherheit für die kommende Ernte haben und ausreichend Saatgut zur Bestellung ihrer Felder ordern können“, so von Hugo.

Fotos: Helge May / Landvolk Hannover