Weißrussen kämpfen für Freiheit und gegen den Diktator

Zu den aktuellen Vorgängen in Belarus hat die Ökostation Deister-Vorland einige Infos zusammengestellt

GROßGOLTERN (red). Zu den Ereignissen in Weißrussland teilen Jutta Volz und Frank Roth vom Vereinsvorstand der Ökostation mit: „Von unserem Nachbarn Belarus wissen wir meistens sehr wenig. Die Ökostation hat seit 1997 direkte Kontakte durch Besuche und Gegenbesuche organisiert. Viele Menschen insbesondere aus Gomel, der zweitgrößten Stadt im Belarus mit 500 Tsd. Einwohnern, waren hier, um an Seminaren mit ökologischen oder humanitären Seminaren teilzunehmen. Vertreter der Ökostation waren bisher schon 15 Mal in Gomel.

Präsident Lukaschenko ist ein Diktator, er herrscht über diese Nation seit 26 Jahren mit seinen Vertrauten: Wirtschaftsbosse und Militär. Er selbst war Leiter eines großen landwirtschaftlichen Betriebes, eines Kolchose. Und es sind etwa 1 Million Menschen, die direkt von ihm abhängen und ihn unterstützen: Nicht nur, dass alle öffentlichen Ämter wie z.B. alle SchuldirektorInnen von ihm bestimmt werden, er verfügt über hunderttausende Polizisten und Soldaten, sowie die ihm direkt unterstellte Elitetruppe Omon, die sich gerade blutig austobt. Und dazu noch der Geheimdienst KGB, der immer noch so heißt wie die Mörderbanden damals unter Stalin. Belarus ist das einzige Land in Europa in dem noch die Todesstrafe verhängt wird, vermutlich  jährlich bis zu 10 Menschen per Genickschuss.

Tschernobyl: Diktator Lukaschenko hat die Folgen von Tschernobyl stets verharmlost, obwohl 70% des Fallouts auf Weißrussland niedergegangen sind und bis heute daran Zehntausende gestorben und aktuell Tausende davon erkrankt sind. Schulkinder im gesamten südlichen Drittel des Landes um Gomel, der zweitgrößten Stadt in Belarus mit 500 Tsd. Einwohnern, werden jährlich mindestens einmal auf Schilddrüsenkrebs untersucht. Deutschland hat sehr viel geholfen, um das Leid zu mindern – komplette Krankenhäuser wurde eingerichtet, Ärzte geschult, medizinische Apparate gestiftet. Es gab in den 90er Jahren über 600 Tschernobyl-Hilfsinitiativen allein in Deutschland. Freie Träger, Kirchen, kleine Vereine und private Gruppen waren hochaktiv, es mangelte in Belarus schon immer an allem …Auch die Ökostation hat über Jahre hin konkrete Unterstützung geleistet,z.B. für die Kinderkrebsklinik bei Minsk, für Radioaktivitätsmessstellen auf Dörfern und in Schulen. Insgesamt ist aber die Hilfsbereitschaft zurückgegangen, weil das autoritäre Regime sogar Hilfsangebote blockiert – aber selbst die gewaltige Last des Tschernobyl-GAU garnicht allein meistern kann.

Reichtum und Armut: Auch in Belarus gibt es die reiche Klasse, die über das Wirtschaftsgeschehen verfügt. Der Präsident selber hat seiner Familie umfangreiche Wirtschaftsbeteiligung gesichert. Erwartet wird auch, dass er und seine Familie ansehnliche Summen in der Schweiz deponiert hat. Der ganze Stolz des Präsidenten sind auch die 38 Eisarenen für Eishockey, die das ganze Jahr über in Betrieb sind – eine riesenhafte Energievergeudung für eine kleine Elite, während die Mehrheitsbevölkerung keine Freibäder hat. Energieverschwendung auch im Bereich der Plattenbauten (die Chruschtschovkas mit 4 Etagen und die Breschnewkas mit 8 und mehr Etagen), die zu Tausenden in den Städten tw. vor sich hinrotten, aber die Mehrzahl der Wohnbevölkerung aufnehmen müssen.: Die Plattenaußenwände sind warm, weil in ihnen die Heizkörper einbetoniert wurden – sehr rationelle Bauweise, aber eine Energieverschwendung allergrößten Ausmaßes. Im Inneren führt eine kleine Bogenleitung zur Betonplatte der darüber liegenden Wohnung. Der Staat unterlässt es, die Wärmedämmung landesweit zum Programm zu machen. Auch Sonnenenergie wird praktisch kaum genutzt – dafür lässt der Diktator aber mit russischem Kredit ein Atomkraftwerk (in diesem Land!) bauen. Nicht gesprochen haben wir von der sozialen Frage: Für Hungerlöhne wird gearbeitet, gegen die Ausbeutung entwickelt der normale Weißrusse seine eigene Methodik. Wer keine Arbeit hat muss eine soziale Abgabe leisten, auch eine der hervorragenden Ideen des Präsidenten – vielleicht auch gedacht, um dem grassierenden Alkoholismus zu begegnen, der offenbar 50% der Bevölkerung zu traditionsbewußten Alkoholkranken gemacht hat.

Aufstand: Trotzdem scheint das Maß jetzt für die noch Hoffnung habenden Menschen dort wirklich voll zu sein –  der ehemals genügsame, gedehmütigte und sehr geduldige Weißrusse alter sowjetischer Prägung will endlich frei sein, mit dem Mut der Verzweiflung kämpfen gerade auch die jungen Menschen für ein freies Leben in Gerechtigkeit. Wir hoffen, dass die Zehntausende russische Panzer an der Grenze das Land nicht überrollen …

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