Warum im Bauernland Niedersachsen die Regierung wegen des Volksbegehrens Artenvielfalt jetzt die große Flatter kriegt

Oder will die SPD einfach den ganz großen Koalitionskrach mit der CDU vermeiden?

NIEDERSACHSEN (red). Dr. Holger Buschmann, Landesvorsitzender des NABU Niedersachsen, zeigt Unverständnis über die Äußerungen von Ministerpräsident Weil. „Zu einer Demokratie gehören auch Auseinandersetzungen und Kontroversen. Das scheint dem Ministerpräsident nicht zu passen“, so Buschmann. „Dass diese nicht immer einvernehmlich sind, liegt wohl in der Natur der Sache.“ „Der Zustand unserer Natur, gerade hier in Niedersachsen, ist äußerst besorgniserregend“, betont Dr. Holger Buschmann. „Das liegt unter anderem auch daran, dass die Landesregierungen in den letzten Jahrzehnten wichtige Reformen verschlafen haben, um unsere Natur, unser Wasser und unsere Wälder zu schützen. Nun dem NABU den schwarzen Peter zuzuschieben, zeigt ja schlicht, dass die Landesregierung Panik vor einem erfolgreichen Volksbegehren hat.“ Der NABU Niedersachsen plant seit dem Frühsommer vergangenen Jahres ein Volksbegehren zum Erhalt der Artenvielfalt in Niedersachsen. Seit September 2019 weiß die Landesregierung hierüber Bescheid. Erst seit Anfang 2020 wurden lockere Gespräche geführt. Nach der offiziellen Ankündigung des Volksbegehrens durch eine Pressekonferenz wurden die Gespräche zum Niedersächsischen Weg intensiver. „Das zeigt eindeutig, dass es ohne das Volksbegehren überhaupt keinen sogenannten Niedersächsischen Weg gäbe. Umweltminister Olaf Lies müsste den knapp 200 Bündnispartnern des Volksbegehrens eigentlich dankbar sein, dass diese mehr für die Natur in Niedersachsen erreichen möchten. Denn ohne sie könnte er sich nicht mit dem Niedersächsischen Weg brüsten“, so Buschmann. Wie die Landesregierung mit Versprechungen umgeht, zeigt die geplante Ausweitung der Gänsejagd auf streng geschützte Arten wie Bläss- und Nonnengänse. Es wurde von Agrarministerin Otte-Kinast versprochen, dass mögliche Änderungen der Jagdzeitenverordnung zuerst mit den Experten im Arbeitskreis Gänsemanagement besprochen werden, in dem auch der NABU beteiligt ist. Dieses Versprechen wurde gebrochen, die Jagdzeitenverordnung vorab in die öffentliche Verbandsbeteiligung gegeben. Zudem widersprechen die Änderungen den im Rahmen des Arbeitskreises gewonnenen Forschungserkenntnissen eklatant. „Das zeigt uns, wie „wertvoll“ Versprechen der Landesregierung sind und die geringe Wertschätzung des Naturschutzes“, kommentiert der NABU-Landesvorsitzende. „Gerade im Hinblick des Volksbegehrens sind wir hier sehr vorsichtig!“ Wie uneins die Regierungsfraktionen hinsichtlich des Niedersächsischen Wegs sind, zeigen die Äußerungen der CDU-Abgeordneten Helmut Dammann-Tamke und Martin Bäumer. Der agrarpolitische Sprecher der CDU-Landtagsfraktion, Helmut Dammann-Tamke, betonte im Politikjournal Rundblick vom 5.5.2020, Vorrang vor Ordnungsrecht hätten Anreizsysteme. Die Neue Osnabrücker Zeitung vom 24.07.20 berichtet unter der Überschrift „Treffen zwischen Landwirten und Politikern: Bäumer bremst Hoffnung auf schnelle Gesetze zum Niedersächsischen Weg“ von einer Aussage des umweltpolitischen Sprechers der CDU-Landtagsfraktion, Martin Bäumer. Dieser habe gesagt, es gebe „keine Bereitschaft in der Fraktion, die Forderungen durchzuwinken und sofort zum Gesetz zu machen.“ Diese Aussagen lassen nur einen Schluss zu, so Dr. Buschmann: „Dass die Landesregierung trotz der Unterschriften von Ministerpräsident Weil, Umweltminister Lies und Landwirtschaftsministerin Otte-Kinast unter die Absichtserklärung des Niedersächsischen Weges sich nicht sicher sein kann, dass der Landtag den gemeinsam entwickelten Gesetzestexten und Finanzversprechungen auch tatsächlich zustimmt.“

Foto: Mareike Sonnenschein