Wo die Obstbäume herkommen

Gartenfreunde aus Barsinghausen besuchen den Muttergarten in Lemmie

BARSINGHAUSEN/LEMMIE (red). Bei sonnigem Sommerwetter besuchte der Deister- Obst- und Gartenbauverein Barsinghausen e.V. mit begrenzter Teilnehmerzahl den Muttergarten in Lemmie. Die Teilnehmer trafen sich am Gehrdener Kirchweg in Lemmie und gingen von hier die letzten 500 Meter zu Fuß bis zum Muttergarten. Dort wurden sie bereits von Dr. Volker Zahn erwartet, der sich im Vorfeld bereit erklärt hatte, die Barsinghäuser Gartenfreunde durch den Muttergarten zu führen. Nach der Begrüßung durch die 1. Vorsitzende Frau Sabine Symanski konnte die mit Spannung erwartete Besichtigung der etwa 3 ha großen Anlage, die von der Landwirtschaftskammer Niedersachsen betrieben wird, beginnen. Während des Rundganges erfuhren die Teilnehmer, dass sich in dem Muttergarten etwa 200 verschiedene Obstbaumsorten, darunter 140Apfelbaumsorten befinden, ausschließlich sortenreine und virenfreie Bäume. Sie tragen dicht stehende Triebe, die allesamt dem kurzen Stamm entspringen. „Die Aufgabe des Muttergartens besteht darin, Baumschulen im In- und Ausland mit entsprechend zertifizierten Edelreisern für Obstbäume zu versorgen. Edelreiser sind von den Mutterbäumen abgeschnittene einjährige Triebe, die in Baumschulen durch Veredelung auf Wurzelstöcke, die sogenannten Unterlagen, gesetzt werden. Der Muttergarten in Lemmie hat sich auf alte Obstsorten spezialisiert mit dem besonderen Ziel, die alten Sorten vor dem Aussterben zu bewahren“, erläuterte Dr. Zahn.

„Die Baumschulen geben bei ihren Bestellungen präzise Sortenbeschreibungen und sogar die erwünschte Reiserdicke an. Die bestellten Edelreiser werden in Handarbeit von den Mutterbäumen abgetrennt und für den Versand vorbereitet. Sie werden vorsichtig entblättert, damit sie nicht austrocknen. Die empfindliche Fracht wird in gekühltem Zustand per Expressdienst an die Baumschulen geliefert.“ Edelreiser, die bis zum Winterbeginn noch am Mutterbaum vorhanden sind, werden direkt am Stammabgeschnitten, so dass der Baum im nächsten Frühjahr wieder austreiben und junge Reiser entwickeln kann. Im Verlaufe der Besichtigung vermittelte Dr. Zahn den Besuchern in anregender Art viel Wissenswertes über die Vermehrung von Obstbäumen, über Unterlagen und Veredelungsverfahren. „Ein Obstbaum besteht aus zwei verschiedenen Pflanzenkörpern, nämlich der Unterlage und dem aufgesetzten Edelreis, aus welchem sich der oberirdische Apfelbaum entwickelt. Bei der Veredelung wird das Edelreis durch Kopulation oder Okulation mit der Unterlage dauerhaft so verbunden, dass der Saftstrom von der Unterlage auf das Edelreisgeleitet wird und dieses nun zum oberirdischen Apfelbaum auswachsen kann. Der aus dem Edelreis entstandene Apfelbaum hat dasselbe Erbgut wie der Mutterbaum, dem das Edelreis entnommen wurde. Bei vegetativer Vermehrung durch Veredelung bleibt die Sortenreinheit über lange Zeiträume erhalten“, erklärte Dr. Zahn den aufmerksamen Besuchern.

„Die Unterlage verankert den aufgesetzten Apfelbaum im Erdboden und versorgt ihn mit Nährstoffen und Wasser. Sie bestimmt entscheidend das Wachstum des Baumes. Je nach der Art der Unterlage entsteht ein buschförmiger Baum oder ein Baum mit Halbstamm oder Stamm. Außerdem beeinflusst die Unterlage die Entwicklung der Früchte (Fruchtreife, Ertragsleistung sowie Geschmack, Farbe und Haltbarkeit der Früchte) und die Lebensdauer des Baumes.“ Sehr interessant war es auch zu erfahren, wie die Bodenmüdigkeit bei Apfelbäumen zustande kommt. Ein Apfelbaum und eine bestimmte Bodenbakterienart leben in einer dauerhaften Symbiose sehr eng aufeinander bezogen. Wenn nun der Apfelbaum beseitigt und an dieselbe Stelle ein neuer Baum derselben Sorte gepflanzt wird, dann reagieren die Bakterien auf den neuen Baum nicht, so dass dieser seine Bakterienpartner nicht findet. Er muss an eine andere Stelle gepflanzt werden. Die Veranstaltung fand großen Anklang. Mit einem Dank an Dr. Zahn für seine anregende und kompetente Führung endete die Besichtigung.

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