Landart-Künstler verwandeln die Region Hannover in einen Naturerlebnisraum

Das Projekt findet im Rahmen der IntraRegionale 2016 der Gartenregion Hannover statt

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Auch das Zechengelände in Barsinghausen wird genutzt.

BARSINGHAUSEN/REGION (red). Künstlerinnen und Künstler aus dem In- und Ausland haben sich für die Teilnahme an der IntraRegionale 2016 beworben. Zehn von ihnen sind jetzt von einer hochkarätigen Jury ausgewählt worden, ihre Landart-Entwürfe ab Mai dieses Jahres an zehn verschiedenen Orten in der Region Hannover zu realisieren. Vom 12. Juni bis zum 30. September werden diese temporären Installationen dann im Rahmen der IntraRegionale 2016 der Öffentlichkeit präsentiert. „Die Sommermonate über zeigen wir aktuelle, hochkarätige Positionen der internationalen Landschaftskunst, deren Strahlkraft weit über die Region Hannover hinaus gehen wird“, verspricht Projektleiter Frank Nordiek vom Atelier LandArt. Das Kunstprojekt, das gemeinschaftlich von zehn Kunstvereinen ausgerichtet wird, ist eingebunden in das Programm 2016 der „Gartenregion Hannover“.

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„Die große Zahl der eingereichten Projekte für die IntraRegionale 2016 umfasste eine eindrucksvolle Vielfalt künstlerischer Konzepte und Herangehensweisen, was die Auswahl für die Jury zu keiner leichten Aufgabe machte. Eine besondere Herausforderung war es, für zehn sehr verschiedene Standorte in und um Hannover das jeweils passende Projekt auszuwählen. Dabei ließ sich die Jury von jenen Projektvorschlägen überzeugen, die das Potenzial haben, die Wahrnehmung des landschaftlichen Kontextes in den sie eingefügt werden, zu verändern und zu erweitern. Die ausgewählten Werke lösen Irritationen aus, stellen neue Zusammenhänge her, deuten Vorhandenes neu oder verändern den Blickwinkel. Es sind Sehhilfen; keine rosa Brillen!“, betont Jurymitglied Bettina von Dziembowski, Leiterin des Kunstvereins und der Stiftung Springhornhof in Neuenkirchen. Gemeinsam mit Frau von Dziembowski haben die Jurorinnen und Juroren Sonja Beuning (Region Hannover), Wolfgang Buntrock (Atelier LandArt, Hannover), Viktoria Krüger (Kunstverein Burgwedel/Isernhagen artclub), Ursula Schöndeling (Kunstverein Langenhagen) und Ralf Harms (KulturGut Poggenhagen) folgende zehn Künstlerinnen und Künstler aus Deutschland, Österreich, Schweden und Spanien für die IntraRegionale 2016 ausgewählt:

Matthias Lehmann aus Meißen (*1975 in Karl-Marx-Stadt/Sachsen) studierte nach seiner Ausbildung zum Steinmetz Bildhauerei und andere künstlerische Medien an der HfBK in Dresden bei Monika Brandmeier und Lutz Dammbeck. Seit 2006 ist er als freischaffender Künstler tätig und hat sich mit verschiedenen Kunstprojekten im öffentlichen Raum, Skulpturen und Installationen einen Namen gemacht. Für sein künstlerisches Schaffen erhielt er bereits zahlreiche Auszeichnungen, Preise und Förderstipendien. Für die IntraRegionale 2016 verwandelt Matthias Lehmann das Areal der zukünftigen Wasserstadt Hannover-Limmer (ehemals Continental Reifen- und Gummiwerke) in eine begehbare Sonnenuhr. „12 Uhr mittags“ heißt die Installation, deren Mittelpunkt der auf dem Gelände stehende, 51 Meter hohe Wasserturm ist. Um ihn herum sind in einem Halbkreis Ziffern aus Beton angeordnet. Von 9.00 Uhr vormittags bis 4.00 Uhr nachmittags lässt sich so bei schönem Wetter die jeweilige Tageszeit- und Uhrzeit ablesen. Der Titel „12 Uhr mittags“ bezieht sich auf den gleichnamigen Westernklassiker und soll gleichzeitig auf die karge, prärieartige Sandwüste um den Wasserturm herum verweisen.

Greger Ståhlgren aus Alingsås in Sweden (*1966 in Schweden) absolvierte Anfang der 90er-Jahre die Domen Art School in Göteburg. Seitdem sind seine Werke in zahlreichen Ausstellungen Skandinaviens und Deutschlands zu sehen. Sowohl in seinen fotografischen Arbeiten als auch in seinen ortsspezifischen Installationen spielt immer die direkte Erfahrung mit der Natur eine große Rolle. Auf einer Anhöhe des Benther Berges mit Blick in das Calenberger Land wird Ståhlgren auf dem Waldboden vier große Trichter installieren, die sich von den Baumwurzeln ausgehend bis zum nahe gelegenen Wander- und Radweg ausbreiten. Die mit „Echo“ betitelten Trichter erinnern ihrer Form nach an Trompeten und erwecken den Eindruck, als würde die Natur zum Menschen sprechen. Das Werk tritt in einen „stillen“ Dialog mit dem Betrachter und lässt Raum für eigene Gedanken und Interpretationen.Uddannet fra Domen Kunstskole i Göteborg, Sverige.

Anja Sonnenburg aus Berlin (*1966 in Berlin) schloss ihr Bildhauereistudium an der HfBK Dresden im Jahre 2004 als Meisterschülerin bei Prof. Inge Mahn ab. Kurz darauf gründete sie die Künstlergruppe msk7, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, den Blick auf den öffentlichen Raum zu lenken und die öffentliche Wahrnehmung historischer und gegenwärtiger Zusammenhänge zu schärfen. Seit 2004 hat die Gruppe msk7 zahlreiche, zeitglich begrenzte „Kunst am Bau“-Wettbewerbe gewonnen und entsprechende Projekte realisiert. Im weitläufigen Park des Hermannshofes in Völksen wird Sonnenburgs „Warmfront“ zu sehen sein. Dabei handelt es sich um eine begehbare Wetterkarte, die sich über eine Fläche von 50 x 30 Meter erstreckt und die Witterung vom 5. Juli 2015, dem bislang heißesten Tag in Deutschland, darstellt. Anja Sonnenburg möchte mit ihrem Werk auf die globale Klimaerwärmung und den durch den Menschen beeinflussten Temperaturanstieg aufmerksam machen.     

Susken Rosenthal lebt in Berlin und Baitz/Brandenburg (*1956 in Stuttgart) und begann in den 70er-Jahren ihr Studium der Malerei in Florenz. 1986 beendete sie es als Meisterschülerin an der UdK Berlin. Seitdem ist sie mit zahlreichen Stipendien und Preisen ausgezeichnet worden, u.a. 1987 mit dem Post Graduate Stipendium am California Institute of Arts in Los Angeles und 2013 mit dem Kamiyama Artist Residency in Shikoku/Japan. In den letzten Jahren hat Rosenthal vermehrt großformatige Arbeiten im öffentlichen Raum realisiert und sich neben ihrer künstlerischen Arbeit als Kuratorin und Leiterin der brandenburgischen Künstlerinitiative Kunstpflug e.V. einen Namen gemacht.   Die Arbeit „Bodenprobe“ von Susken Rosenthal spielt mit der Grundidee der geologischen Erforschung eines bestimmten Areals, welches Aufschluss darüber gibt, was unter der Oberfläche verborgen ist. Am Rande des Deisters, auf dem ehemaligen Zechengelände in Barsinghausen, wird zur IntraRegionale ein 150 Zentimeter hoher, achteckiger Kegel zu sehen sein, der neben einer trichterförmigen Bodenvertiefung mit dem gleichem Ausmaß liegt. Anscheinend wurde die großformatige Kegelform vor Ort exakt aus dem Boden herausgestochen. Dabei ist die mit Gras bewachsene Oberseite des Kegels mit dem Pflanzenwuchs der Umgebung identisch. Die formale Künstlichkeit der Bohrsituation mutet surreal an und verweist auf die 100 Jahre alte Bergbaugeschichte des Zechenparks.

Hartmut Stockter lebt und arbeitet in Kopenhagen/Dänemark (*1973 in Wilhelmshaven). Von 1998 bis 2002 studierte er an der Hochschule für visuelle Künste in Braunschweig bei Thomas Hubert, Norbert Schwontkowski und Raimund Kummer. Schon in seiner Braunschweiger Meisterschülerarbeit zeigte sich Stockters spezifischer Blick auf das Weltgefüge – sensibel, humorvoll und forschend. Seither begibt sich Stockter auf Expeditionen, rekonstruiert die Natur, beobachtet und verändert den Blick des Betrachters auf die Welt. Um Natur und Beobachtung geht es auch bei Hartmut Stockters Arbeit „Unterseeische Einwanderungsbehörde“. Auf der Brücke zur Badeinsel in Steinhude, dort, wo das Wasser flach und der Boden schlammig ist, wird Stockter einen 100 x We see this in his sketchbooks as well as in the constructions and apparatuses he creates, which contain such insistent poetry, romantic desire, and awkward humour.60 x 70 Zentimeter großen Kasten anbringen, der innen bemalt ist. Der auf der Brücke stehende Betrachter kann den Kasten nur durch ein Periskop einsehen, das am Geländer befestigt ist. Durch das Periskop soll der Eindruck entstehen, man blicke in einen möblierten Raum mit Fußboden, Einrichtung und Landkarten an den Wänden. Im Boden befinden sich verschieden große Löcher, neben denen ein Schild mit der Nennung einer Fischart angebracht ist. Die Idee zur „Unterseeischen Einwanderungsbehörde“ kam Stockter während der Lektüre verschiedener Artikel über die Fischbestände im Steinhuder Meer.

Matthias Würfel lebt und arbeitet heute als Architekt und Künstler in Neumarkt am Wallersee/Salzburg und Altach (*1975 in Salzburg). Seine Landart-Objekte und Bilder enstehen aus dem Beobachten und der Wahrnehmung eines Naturortes. Würfel fühlt sich in den Schauplatz hinein und verwendet ortstypische Elemente als Vorlage für seine Werke. An einem Weg entlang einer ehemaligen Torfabbaufläche in Neustadt erstreckt sich Würfels Installation „Expositio – Die Matrix des Ortes“ auf einem Areal von 10 x 4 Metern. Die tief-schwarzen Holzoberflächen und die geometrische Anordnung der Komposition aus Linien und Flächen verweisen auf die einstige Nutzung des Ortes. Während die unmittelbare Ausstellungsfläche inzwischen Naturschutzgebiet ist, kann in der Ferne noch der aktive Torfabbau beobachtet werden. Die vertikalen, körperhaften Elemente der Installation „Expositio – Die Matrix des Ortes“ weisen oberseitig die Moorvegetation der exakt darunterliegenden Bereiche auf, die sich am Boden als Negativ-Formen abzeichnen. So entsteht beim Betrachter der Eindruck, als würde sich die Skulptur aus dem Erdreich erheben und Teile der Landschaft in den Himmel exponieren. Matthias Würfels Installation hebt die Geschichte des Ortes hervor und lädt dazu ein, seine landschaftliche Identität zu hinterfragen.

Christel Fetzer aus Berlin (*1967 in Giengen/Brenz) absolvierte von 1992 bis 2001 ihr Studium an der Kunstakademie Münster bei Jochen Zellmann, Reiner Ruthenbeck und Katharina Fritsch. Ihre Installationen, Zeichnungen, Sound- und Videoarbeiten sind bereits auf zahlreichen Einzel- und Gruppenausstellungen im In- und Ausland zu sehen gewesen. Mit Christel Fetzer präsentiert auf der IntraRegaionale 2016 eine Künstlerin ihr Werk, welches dem Betrachter in Form- und Farbsprache selbstbewusst gegenübertritt und sich über das gesamte Spannungsfeld vom Bild über das Objekthafte bis hin zur raumgreifenden Installation erstreckt. „Sunsettin“ heißt die Installation, die ab Juni auf einer Wiese direkt am Ufer des Flusses Leine zu sehen sein wird. Der als „Leinemarsch“ bezeichnete Ort gehört zum Landschaftsschutzgebiet „Mittlere Leine“ und liegt in der Nähe des Gutes Poggenhagen in Neustadt am Rübenberge, das 1715 als Rittergut von der Adelsfamilie von Campen erbaut worden ist. Christel Fetzers „sunsettin“ ist nicht nur eine ortsbezogene Arbeit, sie inszeniert auch den Ort als das eigentliche Kunstereignis. Von weitem sieht man eine einfache, meterhohe Werbetafel, die einen Sonnenuntergang zeigt. Einmal am Tag besteht allerdings die Möglichkeit, dass Abbild und Realität ineinander übergehen und sich so ähneln, dass kein Unterschied zu bemerken ist. Der Betrachter ist eingeladen, sich auf die an der Werbetafel rückseitig befestigte Tribüne zu setzen und den Anblick der Landschaft zu genießen. „Sunsettin“ als Ort der Kontemplation.

Toni Schaller lebt und arbeitet in Eining/Neustadt a.d. Donau (*1956 in Eining). Ausstellungsbeteiligungen führten ihn über die Landesgrenzen hinaus bis nach Italien (Arte Sella, 2010) und Südkorea (Geumgang Nature Art Biennale). Sein „shelter 5“ wird auf einer grasbewachsenen Freifläche, neben Eichen, Kiefern und Weidengebüsch zu bestaunen sein. Der Begriff „shelter“ kommt aus dem Englischen und heißt so viel wie Schutz, Unterschlupf, Behausung. Und genau darum geht es auch in Toni Schallers Arbeit. Für die IntraRegionale hat er einen Ort des Rückzuges, einen Schutzraum geschaffen, der inmitten der Natur Möglichkeiten zur Selbstreflexion und zum Innehalten bietet. Der Ausstellungsort, der dem „Schützenverein Resse e.V. 1902“ in der Gemeinde Wedemark gehört, liegt direkt an der Hannoverschen Moorroute, die zwischen dem Schwarzen Moor und dem Otternhagener Moor hindurchführt.

Jan Philip Scheibe lebt seit 2002 als freischaffender Künstler in Hamburg (*1972 in Lemgo). Von 1996 bis 2001 studierte er Kunst und Design mit den Schwerpunkten Lichtkunst und Umweltgestaltung an der Hochschule Aachen. Scheibes Werk umfasst Lichtinstallationen, Lichtperformances und Interventionen, meist im öffentlichen Raum. Neben zahlreichen Ausstellungsbeteiligungen im In- und Ausland erhielt er 2006 das Niedersächsische Landesstipendium für bildende Kunst in den Künstlerhäusern Worpswede sowie 2012 den 1. Preis für die Platzgestaltung Nygade in Aabenraa/Dänemark (zusammen mit Stefan Grundner). Für die IntraRegionale setzt Scheibe mit seiner Arbeit „House of Wind“ dem Sommerwind ein Denkmal. Am Burgwedeler Mühlenbruchdamm/Ecke Storchenwiese flattern meterhohe Vorhänge aus bunten PVC-Streifen im Wind und verwandeln die sonst freie Wiese in ein buntes, sich bewegendes Farbenmeer. Im Spiel mit den Sonnenstrahlen bekommt der undurchsichtige Streifenvorhang dabei eine leichte, fast schon schwebende Anmutung. 

Victor López Gonzáles versteht sich als Europäer. 1969 in Paris geboren, hat er zunächst in Valencia Industriedesign und später an der Hochschule für Kunst und Design in Halle studiert. Mittlerweile lebt der Künstler in Leipzig und greift in seinen Installationen, Foto- und Videoprojekten aktuelle politische Diskussionen auf. 2011 erhielt er für sein künstlerisches Schaffen das Stipendium der Kulturstiftung des Freistaates Sachsen. Mit seiner Installation „Mare Nostrum“ im Wietzepark Langenhagen thematisiert Victor López González einen fiktiven, gescheiterten Flug einer Militärdrohne des europäischen Projekts Mare Nostrum auf dem Zivilflughafen Hannover-Langen-hagen. Bei Mare Nostrum handelte es sich um ein EU-Grenzsicherungsprojekt. Gonzáles möchte mit seiner Installation den Betrachter zum Nachdenken anregen über die komplexen Ereignisse innerhalb der Grenzen Europas, speziell im Mittelmeer, das zu einer Zone voller Konflikte und Spannungen geworden ist. 

Eröffnet wird die IntraRegionale 2016 mit einer gemeinschaftlich ausgerichteten Vernissage aller zehn beteiligten Kunstvereine am 12. Juni diesen Jahres. An diesem Tag wird es eine ganztägige, spannende Kunst(Bus)tour durch die gesamte Region Hannover mit Besuch aller zehn Ausstellungsorte inklusive Führung und Mittagessen geben. Bis September 2016 wird während der über dreimonatigen Landschafts-Kunstausstellung ein buntes Programm mit Fahrradtouren, Kunstpicknicks, Werk- und Künstlergesprächen, Bustouren, Diskussionsforen, Führungen und Workshops die Besucher zum Mitmachen und Miterleben einladen.