Lesermeinung: Diese Eigenschaften sollte die oder der neue Bürgermeister(in) mitbringen

Dazu hat Dominic Borgmann einen Leserbrief geschrieben

BARSINGHAUSEN (red). „Im November 2020 finden die Bürgermeisterwahlen hier in Barsinghausen statt, bei denen zumindest ein Wahlergebnis bereits feststeht: es findet definitiv ein Wechsel im Rathaus statt. Bürgermeisterwahlen sind meines Erachtens, unter all den demokratischen Mitteln für uns Bürger, sich am Entwicklungsgeschehen unserer Gesellschaft zu beteiligen, etwas besonders herausragendes: immerhin wird hier der/die Verwaltungschef/in einer Kommune direkt gewählt (Direktwahl), der/die für die kommenden Jahre die Entwicklung einer Stadt mit viel Geschick und Können maßgeblich beeinflusst – und möglichst zum Positiven für alle Wähler/innen, als auch generell für alle Einwohner/innen. Persönlich stamme ich zwar aus dem süddeutschen Raum, bin jedoch seit rund sechs Jahren mit Barsinghausen enger verbunden und verfolge dementsprechend seitdem die Entwicklung dieser Stadt. Seit nunmehr zwei Jahren ist Barsinghausen meine Wahlheimat, und seit über einem Jahr beobachte ich auch sehr, sehr regelmäßig die politischen Diskussionen des Rates der Stadt Barsinghausen und der Ausschüsse. Aus meiner Sicht ist Barsinghausen eine charmante Stadt mit Potential nach oben – nur haben sich im Laufe der Zeit einige Probleme gebildet, die mittlerweile eine Art gordischen Knotens gebildet haben, den es zu lösen gilt. Und dies ist in erster Linie durch eine/n geeignete/n Bürgermeister/in möglich, die/der ab 2021 hoffentlich hier passende Lösungen bietet. Was sollte man aus meiner Sicht von dieser Person erwarten können?
1. Die Arbeit des Rates der Stadt deutlich fördern: Für mich persönlich ist der Rat durchaus gut besetzt und zusammengesetzt. Hier trifft man durchaus auf politische Meinungsvielfalt, als auch auch viel Engagement. Politische Meinungsvielfalt finde ich durchweg gut – denn von verschiedenen Sichtweisen und Meinungen leben letztendlich gute Entscheidungen, die möglichst im Sinne aller sind. Wenn sich politische Parteien uneinig sind und auch mal arg im Zwist sind, dann ist das gelebte Demokratie. Allerdings bedarf es dann einen Vermittler. Ebenso sollte ein/e Bürgermeister/in nach meinem Verständnis für mehr Transparenz zwischen Verwaltung und Ratsfrauen und Ratsherren sorgen. Politische Entscheidungen können und sollten auch besser vorbereitet werden, in dem alle notwendigen Fragen und Probleme bereits im Vorfeld möglichst gut erarbeitet werden. Es kann beispielsweise nicht sein, dass Projekte verzögert werden, weil verspätet (durchaus nachvollziehbare) Uneinigkeit bei neu auftretenden Diskussionsthemen entsteht – die jedoch meiner Meinung nach im Vorfeld durch ein/e Bürgermeister/in hätte vermieden werden können. Es sollte hier der/die Bürgermeister/in berücksichtigen, dass zum einen die Ratsfrauen und Ratsherren das Ganze nicht hauptamtlich machen – im Gegensatz zum/zur hoch besoldeten Bürgermeister/in. Zum anderen ist es kontraproduktiv, wenn die Sicht von der Verwaltung nicht zeitnah umfänglich und transparent dargestellt wird. Wenn die Nähe zum Rat der Stadt nicht existiert, dürfte Bürgernähe schwer sein. Hilfreich ist es, wenn verstanden wird, dass das Parteibuch eines/einer Bürgermeister/in in den Hintergrund gestellt werden sollte – die politische Richtung einer Stadt sollte primär bei der Wahl des Rates der Stadt erfolgen.
2. Förderung der Stadtverwaltung: Die hiesige Stadtverwaltung ist unterbesetzt. Einige der derzeitig nicht besetzten Stellen führen des weiteren unweigerlich zu unerwünschten Verzögerung von Projekten dieser Stadt. In den letzten Jahren schien die Fluktuation in der Stadtverwaltung recht hoch gewesen zu sein, und es war ein starker Abgang von Fachpersonal zu verzeichnen. Persönlich finde ich die Leistungsbereitschaft der städtischen Angestellten, die ich erlebt habe, durch die Bank weg beeindruckend. Sei es bei der Erstellung von Haushaltsplänen in knapper Zeit und mit knappen Personal, das stemmen der Kita-Misere, oder wenn ich erlebe, wie komplexe Analysen, Aufstellungen und Berechnungen mit einfachen Mitteln wie MS Excel sehr zeitintensiv und trotzdem mit vorzeigbaren Ergebnissen erstellt werden, obwohl es (und das ist eines meiner Lieblingsthemen als studierter Wirtschaftsinformatiker) auf dem Markt IT-Lösungen gibt, die hier wesentlich besser unterstützen können. Ein/e Verwaltungschef/in sollte hier ein Blick für die Belange seiner/ihrer Mitarbeiter/innen mitbringen. Wie kann das Arbeitsklima kontinuierlich verbessert werden? Wie kann die Arbeit der Mitarbeiter zusätzlich unterstützt und gefördert werden? Können Leistungen vielleicht besser geschätzt und gewürdigt werden? Ebenfalls sollte die/der Verwaltungschef/in in einer so komplexen Struktur wie einer Stadtverwaltung verstehen, dass er/sie nicht in sämtlichen Bereichen der beste Fachexperte sein kann. Dazu gibt es Ämter und Fachbereiche. Und diese sind ebenfalls mit Führungskräften versehen. Den fachlichen Rat sollte ein/e Bürgermeister/in dort suchen und in seinem/ihrem Entscheidungsfindungsprozess mit einfließen lassen. Ebenso sollte klar sein, dass auch unter den Ämtern und Fachbereichen oftmals ein Informationsaustausch erforderlich ist – Kommunikation sollte nicht vernachlässigt werden. Trotzdem bleibt weiterhin der Personalmangel ein Dauerthema, welches auch durch den/die zukünftige Bürgermeister/in ab 2021 gelöst werden sollte. Eine der Aussagen, die ich oftmals bei diesem Thema mitgenommen habe, ist, dass Barsinghausen da ja noch recht gut aufgestellt sei und immerhin viele Kommunen in Niedersachsen mit dem Problem des Nachwuchses zu kämpfen hätten. An dieser Stelle möchte ich zu meinem dritten wichtigen Punkt kommen.
3. Die Stadt voranbringen: Der/die zukünftige Bürgermeister/in sollte ab kommenden Jahr sich nicht damit zufrieden geben können, dass Barsinghausen in einigen Bereichen zwar nicht im vorderen Feld mitspielt, jedoch auch nicht Schlusslicht sei. Sei es Wirtschaft, sei es Kindergartenplätze und Schulen, sei es Umweltschutz, sei es Straßen, und einiges mehr. Es ist meines Erachtens aber auch utopisch, all diese Dinge im Wahlkampf zu nennen, und zu versprechen, dass sich ab nächstes Jahr alles zeitgleich bessern wird. Schwerpunkte sind auszumachen und geordnet abzuarbeiten. Viele Themen sind aus meiner Sicht aufgrund der aktuellen Sachstände „Chefsache“- und ich bezweifle, dass sie zeitgleich und sofort lösbar sind. Auch in Hinblick auf Personalmangel und den finanziellen Mitteln, sowie den zukünftigen Herausforderungen im Zuge der Corona-Krise, ist hier Organisationstalent gefragt. Ebenso könnten hier beispielsweise eine Art Themenwochen eingeführt werden, um politische Diskussionen (mit Politik, Bürger/innen, Unternehmen usw.) zu strukturieren. Und es bedarf auch eines/einer Visionärs/Visionärin im Amt, der/die auch mal frische und unkonventionelle Ideen mit einbringen kann. Verschiedene Sichtweisen sollten auch eingenommen werden können. Dann lassen sich vielleicht auch besser Überlegungen anstellen, die zur Verbesserung der Stadt beitragen könnten. Ist es beispielsweise für Unternehmen attraktiv, in einer Region ansässig zu sein bzw. zu werden, die zwar eine perfekte Autobahnanbindung besitzt, jedoch mit einem sehr hohen Gewerbesteuerhebesatz versehen ist? Oder mit sehr vielen Negativmeldungen belastet ist, wie schlechte Straßen, ständige Verzögerung von Projekten, unterbesetzte Stadtverwaltung oder fehlende Kita-Plätze? Ist die Breitbandanbindung attraktiv? Stehen somit generell den zu zahlenden hohen Gewerbesteuern denn auch ausreichende Leistungen von Seiten der Stadt also gegenüber? Ist es für den Handel attraktiv in unserer Innenstadt anzusiedeln? Wie gut können Kunden die Innenstadt erreichen? Ist es sinnvoll zu sehr auf öffentlichen Nahverkehr zu setzen? Der Kunde kommt zwar zum Handel, wie bringt er jedoch seine Einkäufe nach Hause? Gibt es vielleicht nicht doch Möglichkeiten für bessere und ansehnlichere Parkmöglichkeiten, die auch für potentielle Händler attraktiv wirken könnten? Kann man die Elektromobilität in einer Kommune mit vielen Pendlern dadurch nebenbei auch verbessern? Ist Elektromobilität die Wahl der Qual, oder lassen sich auch alternativen wie Wasserstoff (als Energiespeicher in Verbindung mit Windkraft und ähnlichen) anwenden? Wie vernetzt man die Ortschaften untereinander flexibler und effektiver? Wenn permanente Buslinien zu kostenintensiv sind, sind für Senioren und deren Arztbesuche Taxizuschüsse denkbar oder kann man Seniorenbusse in Form eines Vereins etablieren (alles habe ich persönlich in anderen Kommunen bereits erlebt)? Wie können Fördermöglichkeiten des Landes, des Bundes und der EU bei der Stadtentwicklung genutzt werden? Oder wie werden in Zukunft die Bedarfszahlen an Kindergartenplätze besser ermittelt? Wie können Baumaßnahmen schneller vorangebracht werden um nicht hinterherzuhinken bei Bedarf für unsere Kinder? Ist ein Ausbau der Kooperation mit Nachbarkommunen möglich und denkbar? Diese Fragen sind nicht abschließend, sollten jedoch die zeigen, dass hier Ideen und reifliche Überlegungen notwendig sind. Und diese sollten von ihren Visionen her möglichst von dem/der Bürgermeister/in selbst als Hauptmotor jeder erfolgreichen städtischen Entwicklung vorangetrieben werden. Vielleicht fördert dies auch die Steigerung der Attraktivität der Stadt selbst, sei es für die Steigerung der Einwohnerzahlen oder sei es für mehr Aufmerksamkeit der Stadtverwaltung unter Führung eines/einer solchen Bürgermeister/in auf dem Arbeitsmarkt. Dies sind jedenfalls die drei Hauptpunkte, die ich mir von dem/der Bürgermeister/in ab 2021 für unsere Stadt Barsinghausen wünsche.
Zum Wahlkampf selbst sei noch gesagt: Es handelt sich um eine Direktwahl einer Person zum/zur Bürgermeister/in. Der Einsatz von prominenten Vertretern der „großen“ Politik versperrt für mich den Blick auf den/die Kandidaten/Kandidatin, und empfinde ich auf Effekthascherei, deren Mehrwert ich für mich als Bürger nicht erkennen kann. Hier sollten keine Schwerpunkte im Wahlkampf gelegt werden.“

Dominic Borgmann, Barsinghausen

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