„Verkehrspolitik muss sozial- und klimaverträglicher werden“

NABU und SoVD fordern ein Umsteuern

Foto: NABU/Helge May

DEUTSCHLAND (red). Mehr Klimaschutz und soziale Gerechtigkeit in der Verkehrspolitik, das fordern der NABU und der Sozialverband Deutschland. Anlass ist die Veröffentlichung einer Studie des Öko-Instituts im Auftrag des NABU, die Verteilungseffekte klimaschädlicher Instrumente im Verkehrssektor auswertete. Zentrales Ergebnis der Studie ist die Erkenntnis, dass insbesondere Besserverdienende finanziell von klimaschädlichen Anreizen im Verkehrssektor, wie etwa Pendlerpauschale, Dienstwagenprivileg oder Kaufprämien für Neuwagen profitieren. Dazu NABU-Präsident Jörg-Andreas Krüger: „Klimaschutz im Verkehr geht Hand in Hand mit sozialer Gerechtigkeit. Deshalb können wir mit einer konsequenten Mobilitätswende gleich eine doppelte Dividende einfahren. Heute leisten wir uns eine ganze Reihe von Anreizen und Subventionen im Verkehrssektor, die ein Umsteuern nicht nur aus Klimaschutzgründen, sondern auch sozialpolitisch erforderlich machen. Die gegenwärtige Verkehrs- und Steuerpolitik muss vom Kopf auf die Füße gestellt werden. Wer sich klimafreundlich fortbewegt, dessen Mobilität muss auch die kostengünstigste Variante sein. Anders herum muss sichergestellt sein, dass Menschen mit einem klimaschädlichen Mobilitätsverhalten nicht auch noch finanziell profitieren.“

Verdrehte Tatsachen: Die Faktenlage werde schlichtweg verkannt, wenn behauptet wird, dass ein umwelt- und klimafreundliches Mobilitätssystem zulasten der Ärmsten ginge, so SoVD-Vizepräsidentin Ursula Engelen-Kefer. Die Studie zeige eindeutig, dass die derzeitigen Fördermaßnahmen eine Umverteilung von unten nach oben bewirkten. Heute werden diejenigen belohnt, die täglich weite Strecken mit dem Auto pendeln oder einen Dienstwagen gestellt bekommen. Dies sind in erster Linie Menschen der obersten Einkommensschichten. Wer hingegen ein niedriges Einkommen hat und entsprechend kaum etwas bei der Steuererklärung zurückbekommt, geht derzeit leer aus. Dabei besitzen diese Menschen seltener ein Auto, fahren durchschnittlich weniger Kilometer und nutzen dafür häufiger umweltfreundliche Verkehrsmittel wie Bus, Bahn oder Fahrrad. Insbesondere das Steuerrecht müsse dringend so angepasst werden, dass nicht diejenigen mit dem höchsten Einkommen und dem größten CO2-Fußabdruck am meisten profitieren, so Engelen-Kefer. Benötigt würden Mobilitätslösungen, die allen zuverlässig, barrierefrei und kostengünstig zur Verfügung stehen.

Weg von klimaschädlichen Anreizen: Konkret kritisieren die beiden Verbände die erst kürzlich verabschiedete Erhöhung der Pendlerpauschale, die soziale Ungerechtigkeiten in der Verkehrspolitik noch verschärfe und fordern ihre generelle Reform hin zu einem Mobilitätsgeld. Ebenfalls kritisch bewertet wird die Bezuschussung des privaten Pkw-Besitzes in Form von Kaufprämien. Auch wird ein sofortiges Ende der Förderung von Plug-in-Hybriden angemahnt. Dienstwagen- sowie etwaige Tankkartenregelungen seien ebenfalls ein völlig falsches Signal. Diese fördern den motorisierten Individualverkehr und sollten dringend auf ein entfernungsabhängiges System umgestellt werden. Des Weiteren sei Parkraum gerade in dicht besiedelten Städten nach wie vor zu günstig und stelle gerade vor dem Hintergrund rasant steigender Mieten ein erhebliches Missverhältnis dar, dem nur durch aktives Parkraummanagement zu begegnen sei.

Klimaschutz und Soziales zusammen denken: Einkommensschwächere Haushalte müssen aktiv dabei unterstützt werden, sich klimaschonende Mobilität leisten zu können. Dazu müssen vor allem Investitionen in klimaschonende, barrierefreie Verkehrsinfrastruktur erfolgen, denn von dieser Infrastruktur profitieren alle Menschen. Zudem müssen etwa die für Mobilität zur Verfügung stehenden Grundsicherungsleistungen dem Bedarf entsprechend erhöht werden. Soziale Sicherheit bildet das Fundament für den breiten Rückhalt einer ambitionierten Klimaschutzpolitik. Weder darf Klimaschutz zum Elitenprojekt werden, noch darf umweltbewusstes Leben Luxus sein. Alle Menschen müssen sich ein klima- und umweltfreundliches Leben leisten können.

Foto: NABU/Helge May