„Warum hat mir keiner die Wahrheit gesagt?“

Autorin Jennifer Teege liest vor hundert Zuhörern aus ihrem Buch „Amon – Mein Großvater hätte mich erschossen“ / Bündnis „Barsinghausen ist bunt“ plant weitere Veranstaltungen

BARSINGHAUSEN (ta). Zu einer besonderen Vorlesung hatte heute das Bündnis für demokratisches Miteinander – gegen Rechtsextremismus, „Barsinghausen ist bunt“, in die Wilhelm-Stedler-Schule eingeladen. Rund hundert Interessierte kamen, um sich von der Autorin, Jennifer Teege, die außergewöhnliche Lebensgeschichte der dunkelhäutigen Frau näherbringen zu lassen.

IMG_3232Teege ist die Tochter eines Nigerianers und einer Deutschen. Da ihre Mutter sie einst zur Adoption freigegeben hatte, weiß sie nur wenig über ihre Familiengeschichte. Eines Tages entdeckt sie in der Bibliothek ein Buch, das ihr schlagartig die unfassbare NS-Vergangenheit ihres Großvaters Amon Göth vor Augen führt. Ergriffen blättert sie weiter und wird mit Fotos ihrer Familie konfrontiert.

Warum hat ihre Mutter nie etwas von ihrem Großvater erzählt und warum hat ihr keiner die Wahrheit gesagt? – Mit diesen Fragen beginnt der Prozess des Bewusstwerdens bei Jennifer Teege. Amon Göth war der brutal-sadistische Leiter des Konzentrationslagers Krakau Plaszow, der vom Balkon der Familienvilla Juden zu erschießen pflegte und vielen aus dem Film „Schindlers Liste“ ein Begriff sein dürfte. Göth wurde auch „Schlächter von Plaszow“ genannt, 1946 wurde er für seine Verbrechen hingerichtet. Wie konnte ihre geliebte Großmutter nur mit diesem Menschen zusammenleben, fragt sich Teege fassungslos, die mit ihrem Buch den Schleier des Verschweigens hob und die Vergangenheit aufarbeitete.

Im Anschluss an die Lesung folgte noch eine lebhafte Diskussion mit dem Publikum. Möglich wurde die Veranstaltung in Barsinghausen auch durch die Unterstützung der Stadtsparkasse, der Marlis-Ragge-Stiftung, der SPD und von Bündnis 90/Die Grünen. Sybille Bruchmann-Busse, Sprecherin von „Barsinghausen ist bunt“ kündigte weitere Veranstaltungen zum Thema Rechtsextremismus an. „Wir wollen die demokratische Öffentlichkeit sichtbarer machen. In Barsinghausen hat es an verschiedenen Stellen immer wieder rechtsextreme Schmierereien gegeben.“ Mit Blick auf den Verkauf des ehemaligen Restaurants „Al Sorriso“ (Kirchdorf) an einen Privatmann, der wohl an der Gründung eines NPD-Stützpunktes beteiligt gewesen und nun der AfD (Alternative für Deutschland) beigetreten sei, bleibe man wachsam. „Wenn sich Dinge entwickeln, die wir so nicht wollen, werden wir tätig“, kündigte Bruchmann-Busse an.

 

Foto: ta