Solarenergie-Untersuchung: Ökostation vergibt „Rote Laterne“ an Barsinghausen

Das Gasdesaster hätte vermieden werden können, wenn die Energiewende in Zeiten der Klimakatastrophe nicht verpasst worden wäre, sagt der Vereinsvorsitzende Frank Roth

BARSINGHAUSEN (red). In Zeiten der Energiekrise und des rapide fortschreitenden Klimawandels stellt Frank Roth von der Ökostation fest: „Die Nutzung der Sonnenenergie, insbesondere die Erzeugung von elektrischem Strom durch Photovoltaik (PV) ist Thema der Ökostation seit 35 Jahren. In Barsinghausen gab es bereits in 2011 PV-Anlagen, aber deren Strom machte nur etwa 7% des Gesamtverbrauchs aus. Mittlerweile sind mehr PV-Anlagen auf die Dächer gekommen, in 2020 gab es nach unserer Untersuchung aller ca. 6000 Häuser 324 PV- und 607 Thermieanlagen, sodass auch mehr Alternativstrom zur Verfügung stand. Aktuelle Einspeisewerte zeigt nun seit Kurzem der Energiemonitor von Avacon („Stadt Barsinghausen /Energiemonitor“): Alle 15 Minuten wird gemessen, dabei sind auch Werte anderer alternative Stromerzeuger wie Wind- und Biogasanlagen vorhanden. Den vollen Sonnentag vorgestern mit maximaler PV-Leistung haben wir registriert, Windstrom spielte fast keine Rolle. Über die Mittagszeit lieferten alle PV-Anlagen zusammen nur kurzfristig 56% des verbrauchten Stroms (13.30 Uhr), vorher und nachher gab es deutlich weniger Ertrag. Um 23 Uhr lieferten alle – natürlich außer PV – etwa 6% des verbrauchten Stroms. Die größten Stromverbraucher sind Industrie und Gewerbe, sie benötigen pro Stunde zwischen 8.000 und 12.000 kWh und zwar über die vollen 24 Stunden, auch am Wochenende. Demgegenüber verbrauchen alle privaten Haushalte ( 35.500 Einwohner)  zusammen nur zwischen 4000 und 6000 kWh pro Stunde – meist etwa ein Drittel von Industrie und Gewebe.

„Barsinghausen ist Schlusslicht bei den alternativen Energien“, sagt Frank Roth.

In den letzten zwölf Monaten wurden in Barsinghausen 12.501.571 Megawattstunden benötigt – eine Einspeisung ins Netz konnte überhaupt nicht erfolgen. Die Gesamterzeugung alternativen Stroms aus allen Quellen, vor allem PV und Wind,  brachte in den vergangenen zwölf Monaten nur 17,3% des Gesamtverbrauchs – damit geht die rote Lampe des Schlusslichts unter den Kleinstädten offenbar nach Basche! Leider ist das nur ein schöner Erfolg für die ewigen Blockierer, die die Klimakatastrophe nicht wahrhaben wollten oder sich nicht kümmerten. Sowohl die große Politik in Berlin blockierte bekanntlich massiv – insbesondere bleibt Minister Altmeier für Wirtschaft und Energie im Gedächtnis. Aber auch die Region hatte keine PV-Verpflichtungen für eigene Bauprojekte wie z.B. für die Riesenhallen in Groß Munzel durchgesetzt. Und unsere eigene Verwaltungsspitze mit dem ehemaligen Bürgermeister tat sich seit vielen Jahren selbst bei den kleinsten Anträgen zur Energiewende schon sehr schwer – und die gab es auch nur spärlich. Über zehn Jahre sind vergangen, als Barsinghausen noch den Titel „Niedersächsische Klimakommune“  einheimste und ein umfangreiches, aber nicht hinreichendes Klimaschutzkonzept vorlegte, das zusammen mit der Klimaschutzagentur entwickelt worden war. Aber um der Klimakatastrophe wirklich nachhaltig zu begegnen zu können, hätten andere Maßnahmen ergriffen werden müssen. Heute sind wir Schlusslicht. Und das, obwohl die Eigenerzeugung von 5,7% in 2010 auf heute 17% gestiegen ist – dank der Initiative von engagierten Hausbesitzern und wenigen Betrieben, die für PV Geld ausgeben konnten. Und wenn die große PV-Anlage auf dem Gelände der ehemaligen Zuckerfabrik in Groß Munzel nicht wäre, sähe die Bilanz noch viel erschreckender aus. Alle Mitspieler – Verwaltung, Parteien mit ihren Ratsmitgliedern, Firmen, insbesondere die großen wie z.B. Bahlsen, Schollglas, dann Gewerbetreibenden und auch Teile der Bevölkerung, insbesondere Haus- und GrundstücksbesitzerInnen – haben sich zu wenig bis gar nicht um die Sonnenenergie gekümmert. Die Folgen solchen Nichthandelns sind mit der Gaskrise besonders klar geworden: Elektrischer Strom soll nun wieder völlig umweltschädigend produziert werden – weil zu wenig PV und Wind in den vergangenen Jahren gebaut wurde. Für Barsinghausen haben wir nachgerechnet: Das Solarkataster der Region gibt für jedes Haus in Barsinghausen den maximal möglichen Stromertrag vom Dach an – es ergeben sich rein rechnerisch 26.922.858 Megawattstunden! Ziehen wir noch 10%  für realistische Dachbelegungen ab, dann wäre mit über 24 Millionen Megawatt pro Jahr etwa das Doppelte des Jahresverbrauchs selbst erzeugt. Die CO2-Einsparung würde dann stolze 146.441.018 Tonnen betragen. Das wären für den Fußabdruck einer jeden Person in Barsinghausen eine Reduzierung um vier Tonnen!  Mit weiteren persönlichen Maßnahmen wäre das Ziel, nur noch zwei Tonnen CO2 pro Jahr zu verursachen, dann sehr leicht zu erreichen. Der Finanzaufwand für die komplette PV-Belegung aller Dächer würde bei etwa 480 Millionen Euro liegen. Mit welchem Finanzierungssystem könnten in den kommenden 20 Jahren etwa 20 bis 25 Millionen Euro pro Jahr aktiviert werden? Hier müssen unsere lokalen Finanzexperten Vorschläge erarbeiten  – neue Bürgerstiftung, Non-Profit-Organisation, Crowdfunding, …?? Und nicht zu vergessen: Windkraft würde ebenfalls sehr große Mengen an Strom liefern – wenn sie denn endlich auch wieder richtig gefördert würde: Eine moderne Windkraftanlage mit vier Megawatt elektrischer Leistung erzeugt jährlich ca. zehn Millionen kWh und kostet etwa vier bis fünf Millionen Euro. Schon lange gilt: Jede selbst erzeugte Kilowattstunde an elektrischem Strom verringert den Bedarf an Gas, Kohle oder Uran. Angesichts der Gaskrise boomt der Solarmarkt gerade, Produktion und Installation sind überfordert. Viele Menschen auch in Barsinghausen wollen handeln, es geht um den Ersatz von Gas – und um viel mehr, nämlich um das Leben auf unserem ganzen Planeten“, betont Frank Roth.

Fotos: privat